Über 60 Ideen dafür, wie Schaffhausen fit für die Zukunft werden soll

Dario Muffler | 
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Für ihn ist die Reise hier zu Ende: Projektleiter Luca Slanzi mit dem Produkt der Entwicklungsstrategie 2030: «next.». Bild: Melanie Duchene

Das Resultat der Entwicklungsstrategie 2030 hat viele Ideen generiert. Manche sind überraschend, gewisse geistern schon länger durch die Region. Und einige sind in den Augen der Projektverantwortlichen von besonders grosser Dringlichkeit. Wir skizzieren diese 21 Projekte.

Was macht Schaffhausen in einigen Jahren aus? Wird es ein Hochschulstandort mit vielen Studierenden sein? Werden noch internationale Unternehmen ihre Hauptsitze hierher verlegen? Gibt es in allen Schaffhauser Gemeinden eine Tagesstruktur? Wird in der Stadt ein Förderzentrum für E-Sport-Spitzensport stehen? Alles Fragen, die im Prozess der Entwicklungsstrategie 2030 aufgeworfen wurden. «Wie sieht das Schaffhausen von morgen aus?», stand im Sommer 2020 ganz am Anfang dieses Projekts. Nun, am Ende davon, präsentieren die Verantwortlichen «next.». Unter diesem Titel sind sämtliche Resultate des Prozesses nun online für ­jeden und jede einsehbar.

«Wir wollen ein prosperierender Standort bleiben», sagt Regierungsrat Dino Tamagni gestern bei der Präsentation der Resultate. Deshalb gelte das Motto «Füf Joor vorus statt zeh hinnedrii». Über 60 Projekte, mit jeweils unterschiedlich vielen Massnahmen zur Zielrealisierung, sind insgesamt mittels Beteiligung von rund 200 Schaffhauserinnen und Schaffhausern entstanden. Dies ist nun die Auslegeordnung für eine mögliche Zukunft Schaffhausens. «Der spannendste Teil kommt jetzt erst noch: die Umsetzung», sagt Luca Slanzi, der das Projekt geleitet hatte.

«Es geht um Aufbruch und Dynamik auf der einen und um den Erhalt des Vertrauten auf der anderen Seite.»

Walter Vogelsanger, Regierungsrat

Die Projektverantwortlichen wagen mit «next.» den Spagat. Regierungsrat Walter Vogelsanger, der im obersten Projektgremium (Lenkungsausschuss) gesessen ist, sagt: «Es geht um Aufbruch und Dynamik auf der einen und um den Erhalt des Vertrauten auf der ­anderen Seite.» Oder wie es die Projektverantwortlichen nennen: um Schaffhausen als eine Schwarm- und Nestregion. Eine Region also, in der man verankert ist und sich heimelig fühlt, aber die sich auch durch eine hohe Lebendigkeit, Vielfalt und Urbanität auszeichnet.

Die einen Projekte umfassen Anliegen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie, andere den Aufbau regionaler Tauschbörsen oder die Durchführung von E-Sports-Events.

Mit der Publikation der Webseite und der Berichterstattung an den Regierungsrat endet dieses Projekt. In einem nächsten Schritt wird der Regierungsrat den Projektbericht in einer Klausurtagung diskutieren. Daraus entstehen soll bis im Frühjahr 2023 eine Orientierungsvorlage an den Kantonsrat.

21 zentrale Schlüsselprojekte im Fokus

Kantonalbank-Chef Martin Vogel, Mitglied Wirtschaftsvertreter im Lenkungsausschuss, macht am Montag keinen Hehl daraus: Unter den über 60 Projekten seien viele Ideen, die nicht neu seien. Und gewisse Projektvorschläge seien auch nicht mit anderen zu vergleichen. «Einzelne Themen sind von so grosser Tragweite, dass sie nicht isoliert umsetzbar sind», sagt er. Und hier stellt sich die Frage: Welche Projekte sind wichtig und welche nicht? Diese Priorisierung wird Gegenstand politischer und gesellschaftlicher Diskussionen. Die Projektgruppe hat bereits eine Priorisierung vorgenommen. Sie sind unterteilt in Projekte zugunsten des Wirtschaftsstandorts, des Innovationsumfelds und zugunsten des Lebensraums. «Die direktdemokratischen Spielregeln werden nicht ausgehebelt», betont Peter Neukomm, Stadtpräsident und Mitglied des Lenkungsausschusses.

1. Attraktiv für global tätige Unternehmen

Das Ziel des Projekts ist es, Kostenvorteile für global tätige Unternehmen gegenüber anderen Kantonen und dem Ausland zu erhalten. Dazu soll es gezielte Fördermassnahmen zugunsten von Investitionen in Forschung und Entwicklung, der Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Engagement in der Ausbildung von Lernenden geben.

2. Flächendeckende Tagesstrukturen

Flächendeckende Tagesstrukturen, also eine ganztägige Betreuung an Schulen in allen Gemeinden, seien der Schlüssel zur Erschliessung ungenutzten Fachkräftepotenzials. «So können mehr Personen wieder ins Berufsleben zurückkehren», sagt Vogel.

3. Hochschulstandort Schaffhausen

Mit der Überlegung, dass Hochschulen Menschen und Unternehmen anziehen, soll der Kanton für den Aufbau und die Etablierung einer Hochschule in Schaffhausen sorgen. Dies ist ein Projekt, bei dem sich Massnahmen bereits in der Umsetzung befinden.

4. Lokale Fachkräfteausbildung

Dem Fachkräftemangel soll mittels Flexibilisierung der Ausbildung und der stär­keren Nutzung von Synergien zwischen unterschiedlichen Berufen entgegengewirkt werden, heisst es im Projektbericht. «Die Ausbildungsstätten müssen schneller und flexibler werden», sagt Vogel.

5. Platz zum Produzieren

Die bestehenden Flächen für Ausbauprojekte von produzierenden Unternehmen oder für Ansiedlungen werden knapp im Kanton Schaffhausen. Das Projekt will Ins­trumente schaffen, damit überkommunale Arbeitszonen sowie das Zonen von kantonaler Bedeutung geschaffen werden können.

6. Infrastruktureller Digitalisierungsschub

Im Kanton Schaffhausen soll ein Förderplan zur Schaffung von Datenautobahnen und der Erschliessung sämtlicher Gemeinden mit Netzwerkinfrastruktur entstehen. Denn diese gehören heute zur Grundversorgung, so der Projektbericht.

7. Kurze Wege, schnelle Prozesse

Ein Vorteil des Kantons ist, dass seine Strukturen überschaubar sind. Doch die Wege müssen nicht nur kurz sein, sondern die Prozesse auch hürdenfrei und schnell, heisst es. Für Verwaltungsgeschäfte soll ein Controlling eingeführt werden.

8. Campus für Innovation und Technologie

Aufgrund aktueller Erhebungen zu Standortqualitätsfaktoren widmen sich acht Projektideen dem Innovationsumfeld. Eines davon ist die Schaffung eines Zen­trums für unternehmensübergreifende Forschung und Entwicklung, aber auch die Ansiedlung einer Hochschule.

9. Novel-Food Hub «Knorri»

Schaffhausen verfügt in der Lebensmittelproduktion über lange Erfahrung. Diese Kompetenz soll als Grundlage für ein Zentrum rund um Ernährung und Lebensmittelproduktion genutzt werden, um den Megatrend neue Ernährungsformen aufzufangen.

10. «Smart Region» Reallabor

Prototypen sollen unter realen Bedingungen getestet werden: Im Kanton Schaffhausen sollen dafür Quartiere, Dörfer oder Teilgebiete als Spezialzonen definiert werden, in denen neue Technologie überwacht sowie ausprobiert werden kann.

11. Swiss Mobility Hub

Ein selbst fahrender Bus verkehrte in Neuhausen bereits einmal. In Zukunft sollen nicht nur hiesige, sondern auch internationale Unternehmen am Verkehr der Zukunft forschen. Auch in der Luft: Drohnenunternehmen sollen auf den Neunkircher Flughafen Schmerlat kommen.

12. Innovationsnetzwerk Ostschweiz

Der Kanton Schaffhausen hat das ITS Industrie- und Technozentrum, das KMUs in Innovationsfragen berät. Nun soll der Kanton Teil des Ostschweizer Innovationsnetzwerks werden.

13. Civic Tech Hub

Der Civic Tech Hub soll partizipative Prozesse weiterentwickeln. Die digitale Identität des Kantons Schaffhausen, die eID+, soll dazu etwa als Basis für digitale Mitbestimmungsmöglichkeiten genutzt werden.

14. Ökosystem für moderne Kunststoffe

Gemäss einer Studie, die der Regierungsrat in Auftrag gegeben hat, ist die Schaffhauser Kunststoffbranche eine der stärksten der Schweiz. Diese Kompetenzen sollen erhalten werden, wozu unter anderem gemeinsame Strukturen für Forschungszwecke geschaffen werden könnten.

15. Kraftwerk für soziale Energie

Kulturelle Hotspots und wirtschaftliche Tätigkeiten sollen künftig besser verknüpft werden, will dieses Projekt. Alte Industrieareale sollen deshalb wie das SIG-Areal entwickelt werden.

16. In 30 Minuten von A nach B

Sogenannt weiche Standortfaktoren werden für die Wahl des eigenen Wohnorts immer wichtiger, wie diverse Analysen aufzeigen. Deshalb widmen sich sechs Projekte dem Thema Lebensraum. Ein wichtiger Punkt dabei: der öffentliche Verkehr. Dieser soll insbesondere auf dem Land hohe Qualität beibehalten, wozu Massnahmen zur Erhöhung der Pünktlichkeit erarbeitet werden sollen.

17. Wohnqualität in jedem Alter

Viele ältere Leute blieben in ihren Häusern, weil es keinen geeigneten Wohnraum für ältere Menschen gebe – obwohl sie gerne ausziehen würden. Dadurch seien Häuser für Familien blockiert. Unter anderem soll der steuerliche Abzug für Mindernutzen abgeschafft werden, um einen Anreiz zu haben, dass ungenutzter Wohnraum jungen Familien zugutekommt.

18. Willkommenskultur für Ankommende

Gemeinden bieten schon heute Willkommensangebote für Neuzuzüger. Diese sollen beibehalten werden, aber es sollen zudem Götti-Programme geschaffen werden.

19. Digitalisierte Verwaltung

Die Verwaltung muss digitaler werden, lautet das Fazit dieses Projekts. «Somit werden in der Verwaltung Ressourcen für Komplexeres freigespielt», sagt Vogel.

20. Fortschritt und Forschung am Kantonsspital

Zu diesem Projekt gehört unter anderem die Fertigstellung des Neubaus, um eine medizinische Grundversorgung sicherstellen zu können. Es sollen aber auch Potenziale in der Zusammenarbeit mit Unternehmen der Medizinaltechnik besser genutzt werden.

21. Energieautarke Region

Lokale Energieproduktion soll verstärkt in den Fokus rücken. Die Massnahmen beinhalten etwa die Wasserkraftnutzung des Rheins oder Investitionsförderung von Solarstromkraftwerken, aber auch die Förderung von Wassserstoff-Produktionsanlagen wird vorgeschlagen.

Nun beugen sich Regierung, Verbände wie die Industrievereinigung über die Massnahmen und markieren sich ihre Favoriten, um damit in die Diskussionen einzusteigen. Diese würden hart werden, sind sich die Verantwortlichen einig. Schliesslich geht es um nichts weniger als die Zukunft des Kantons. (dmu)

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