Schweizer Pfadi-Lager in XXL

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Rhea Meier, Carmen Leu und Gian Lenherr (v. l.) haben grossen Spass beim Kochen.

Eine drei Kilometer lange Zeltstadt, Pfadi-Lieder und Kinderlachen: Nach 14 Jahren haben Pfadis aus der ganzen Schweiz das Bundeslager eröffnet.

Text und Bilder Louise Ann Roos

Schon Ortschaften vorher sind Kinder mit bunten Krawatten auf sonst wenig frequentierten, naturbelassenen Wanderwegen zu sehen. Im Tal zwischen Geschinen und Obergesteln schlängelt sich dann eine Zeltstadt kilometerweit hin: Das Bundeslager der Pfadibewegung Schweiz (BuLa) findet derzeit im Obergoms im Wallis statt.

Auf dem Weg durch die Zeltstadt tummeln sich viele Velofahrer und Fussgänger.

Es ist 14 Jahre her, dass Pfadis der ganzen Schweiz und einige internationale Gäste gemeinsam ihr Lager aufgeschlagen haben. Dieses Jahr dreht sich im BuLa alles um Bewegung. Das Motto lautet «mova». Die SN war am Montag vor Ort.

Ganze Pfadi-Familien mit dabei

Sie sind eine wahre Pfadi-Familie. Die in Thayngen lebende Nicole Uehlinger, ihr Mann Peter und die gemeinsamen Kinder Sarah, Laura und Simon nehmen alle am BuLa 2022 teil – mit ganz unterschiedlichen Aufgaben.

Nicole Uehlinger im Helfer-T-Shirt.

«Für so viele Personen war der Ort nicht eingerichtet», sagt Peter Uehlinger. Während an den Berghängen vereinzelt Chalets und Wohnhäuser gruppiert sind, zählt das BuLa stolze 30'000 Pfadis und 5000 Helfende. Transportmöglichkeiten mussten geschaffen und Nahrungsmittel sowie Material für den Bau der Zeltstadt herangeschafft werden. Für die Pfadis sind rund 200 Sonderzüge und Busse gefahren. «Ein nicht gerade leicht erreichbarer Ort», sagt Peter Uehlinger.

Peter Uehlinger befestigt Schilder für den korrekten Umgang mit Wasser.

Sein erstes BuLa hat er im Jahr 1980 als Teilnehmer miterlebt. Dieses Jahr ist Peter Uehlinger, Schaffhauser Kantonstierarzt, Helfer des Teams Trinkwasserhygiene. Rund neun Kilometer Wasserleitungen wurden im Boden verlegt – extra für das BuLa. In regelmässigen Abständen stehen Reihen von WC-Anlagen auf dem Lagerplatz, davor sind grosse Wasserhähne installiert.

Die Leiter packen die tägliche Brotration ein.

Hier füllen die Pfadis ihre Kanister, Wasserflaschen und Töpfe zum Kochen auf. Mitten im BuLa befindet sich ein breites Zelt mit Massenduschen. Grundsätzlich habe es genügend frisches Wasser für das ganze Lager, sagt Peter Uehlinger, fügt aber hinzu: «Sparsamkeit wird hier grossgeschrieben.» Respektvoller Umgang mit der Umwelt ist von zentraler Bedeutung in der Pfadi. Man müsse sich jedoch keiner Illusion hingeben: «Natürlich wird das BuLa Spuren in der Natur hinterlassen», sagt Peter Uehlinger, «aber durch strikte Regeln werden diese so gering wie möglich gehalten.» So laufen die Pfadis meist nicht direkt auf dem Rasen, sondern auf Holzplatten und Fortbewegungsmittel Nummer eins ist das Velo. Ausserdem dürfen die Teilnehmenden nur einmal pro Woche zu klar geregelten Zeiten duschen. «Kurz und selten, dafür besonders schön», sagt Lynn Meier, Teilnehmerin der Pfadiabteilung Seewadel aus Buchthalen, zu ihrem ersten Duscherlebnis im BuLa.

Leyla Schiecker erfrischt sich, indem sie ihren Hut mit Wasser füllt.

Laut Peter Uehlinger ist nicht das Frischwasser, sondern vor allem die Kapazität der Kläranlage ein limitierender Faktor beim Wasserverbrauch. Für das BuLa wurde eine zweite Klärstrasse in Betrieb genommen. Jeden Morgen radelt Peter Uehlinger die Wasserhähne im Lager ab und nimmt Proben. Anfangs funktionierte nicht alles einwandfrei, mittlerweile ist Peter Uehlinger aber grundsätzlich zufrieden mit der Wasserqualität. Am meisten Sorgen bereitet ihm die Wassertemperatur. «Warmes Wasser bedeutet Nährstoffe für Keime», sagt er. Daher kontrolliert er regelmässig die Wassertemperatur an unterschiedlichen Standorten im Lager. In seiner Freizeit half Peter Uehlinger am Check-in-Schalter aus. Denn trotz mehr als 5 000 Unterstützenden besteht ein Helfermangel im BuLa. Diejenigen, die sich engagieren würden, seien dafür umso tatkräftiger am Werk, sagt Peter Uehlinger – und das unentgeltlich. «Hier funktioniert es einfach, wenn auch nicht immer wie geplant.» Neben der Unterstützung zahlreicher Freiwilliger finanziert sich das BuLa durch Lagerbeiträge, Sponsoring, Spenden und dem Verkauf von Merchandiseartikeln.

Beeindruckende Dimensionen

Töchter Laura und Sarah Uehlinger sind beide Leiterinnen der Pfadi Thayngen.

Sarah Uehlinger geniesst den Schatten.

Laura Uehlinger ist zudem Kantonsleiterin und war Fahnenträgerin bei der Eröffnungsfeier des BuLa. Kurz vor dem Mittag sitzt sie mit einer anderen Leiterin auf dem ausnahmsweise kinderleeren Lagerplatz und geniesst die Ruhe. Die Sonne brennt bereits intensiv vom Himmel. Auch wenn das Leiten im BuLa teilweise stressig ist, erfreut sich Sarah Uehlinger besonders daran, dass die Teilnehmenden so viel Spass am Lager hätten.

Beim Ballspiel zeigen die Pfadi-Kinder vollen Einsatz.

«Zu sehen, wie alle für das Gleiche brennen, beeindruckt mich», sagt Sarah Uehlinger. Als mitorganisierende Kantonsleiterin habe sie die Dimensionen des BuLa zwar erahnen können, vor Ort war sie aber trotzdem überwältigt. «Es ist heftig», sagt sie. Im BuLa können neue Kontakte zu anderen Pfadis, auch aus dem Welschen oder der italienischen Schweiz, geknüpft werden. Das Programm ist pfaditypisch: Auf dem Plan stehen etwa Wandern, Basteln und Geländespiele. Im Gegensatz zu anderen Pfadilagern müssen die Leiter aber mehr Zeit für die langen Wege einrechnen. «Es dauert, bis man mit den Kindern die drei Kilometer bis ans andere Ende des Lagers gelaufen ist», sagt Sarah Uehlinger.

Der Weg durch die Zeltstadt ist ein Erlebnis für sich. Neben kleineren Zelten ragen meterhohe Sarasani, aufwendige Holztürme und mit Fahnen geschmückte Bauten in den Himmel. Zwischendurch radelt ein Helfer, eine Helferin oder die Polizei durch das Lager und sorgt für die Sicherheit der Teilnehmenden. Neben der grössten improvisierten Notfallstation der Schweiz hat das BuLa auch eine eigene Feuerwehr: Die mova-Feuerwehr ist rund um die Uhr einsatzbereit.

Die mova-Feuerwehr ist rund um die Uhr einsatzbereit.

Unter ihnen ist Severin Hafner aus Thayngen. Bisher sei alles ruhig verlaufen, sagt er. Wegen Brandgefahr besteht ein striktes Feuerverbot im BuLa. «Auch wenn Pfadis ohne Lagerfeuer fast nicht denkbar sind, ist das Verbot dringend notwendig», sagt Hafner. Bei so vielen Mitwirkenden braucht es nicht nur Köche für die Pfadis – wie etwa Simon Uehlinger für die Pfadi Thayngen –, sondern auch eine eigene Küche für die Helfenden. In einem Festzelt stehen reihenweise Holztische und Bänke. Seit fünf Uhr morgens ist Nicole Uehlinger bereits auf den Beinen. Die ehemalige Präsidentin des Pfadikantonalverbandes Schaffhausen bereitet jeweils das Helferfrühstück vor. Am Montagmorgen sind allein von den Helfenden rund 120 Kilogramm Brot verdrückt worden. «Es ist schwer abzuschätzen, wie viel gegessen wird», sagt Nicole Uehlinger. Mit Schockgefrieren und Restebuffets können Fehleinschätzungen aber kompensiert werden.

Teilnehmer der Pfadi Seewadel haben es auch im Regen gemütlich.

Auch bei der Pfadi Seewadel wird am Montag fleissig gekocht. Abends duftet es im Kochzelt nach Kräutern und gebratenen Kartoffeln. Drei Leiter rühren eifrig in riesigen Töpfen. «Wir kochen für knapp 60 Leute», sagt Carmen Leu stolz, die Hauptlagerleiterin der ältesten Teilnehmenden von Pfadi Seewadel ist. Nach einem Tag voller Spiel und Sport auf einer Wiese rund zwei Kilometer vom Lagerplatz entfernt sind die Teilnehmenden hungrig zu ihren Zelten zurückgekehrt. Sie haben sich auf Campingstühlen versammelt und warten auf das Essen. Der plötzliche Regen stört sie nicht. Im Kreis der ältesten Teilnehmenden der Abteilung Seewadel sitzen auch Pfader aus den USA: Aus Kalifornien und Indiana sind zwei Leiter und fünf Teilnehmende extra für das BuLa angereist. «Wirklich ein besonderes Lager», findet Leu. Die Planung sei nicht immer leicht gefallen, aber das Lager bisher ein grosser Erfolg. Sie sagt: «Das BuLa ist der Höhepunkt einer Pfadi-Karriere.»

Das BuLa 2022

Das BuLa 2022 findet dieses Mal im Goms im Wallis statt. Es wird alle 14 Jahre einmal durchgeführt, dieses Jahr vom 23. Juli bis zum 6. August. Im BuLa sind 30 000 Pfadis und 5000 Helfende mit dabei. Die Kosten für das Lager betragen 25 Millionen Franken.

«Es dauert, bis man mit den Kindern die drei Kilometer bis ans andere Ende des Lagers gelaufen ist.»

Sarah Uehlinger Leiterinnen der Pfadi Thayngen, Kantonsleiterin und Fahnenträgerin im BuLa

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