«Dieses Jahr war wirklich sehr anstrengend»

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Fünf Personen aus fünf verschiedenen Branchen blicken auf das Jahr 2021 zurück. Bilder: Sonja Dietschi/Andreas Kurz

Das zweite Pandemiejahr liegt beinahe hinter uns. Wir haben fünf Menschen aus verschiedenen Berufen gefragt, wie sie auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicken.

Aufgezeichnet von Sonja Dietschi und Andreas Kurz


«Es ist schwierig, mit diesem Jahr abzuschliessen»

Luciano Di Fabrizio, Inhaber Cuba Club und Eckhaus: Das Erste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an das vergangene Jahr zurückdenke, sind die unternehmerischen Einschränkungen. Man konnte sich nicht so entfalten, wie man das gerne getan hätte. Die dauernden Anpassungen waren anstrengend. Mittlerweile haben wir die 23. Version des Corona-Schutzkonzepts. Und die 24. Version wird sicher auch noch kommen.

Als Unternehmer versuche ich, die Mitarbeiter und das Geschäft zu schützen. Man setzt sich ständig mit den ­Corona-Massnahmen auseinander und sucht die besten Lösungen. Gerade in der Unterhaltungsbranche war das sehr schwierig. Eine 2G-Regel ist in einem Restaurant beispielsweise besser möglich als in einer Bar.

Mental und emotional war es ein schwieriges Jahr, eine Achterbahnfahrt. Besonders schwierig war der erneute Lockdown Anfang 2021. Lange Zeit wusste man nicht, in welche Richtung es geht. Man lernt es langsam zu ak­zeptieren: Jeder Tag ist ein neuer Tag. Man wird gelassener, nimmt Schritt für Schritt, gewöhnt sich an, nicht mehr ­retourzuschauen. Es bringt nichts.

Die gesellschaftlichen Spannungen blieben meistens ausserhalb der Bar. Man spürte es höchstens, wenn einzelne Gäste nicht informiert waren und meinten, dass die Gastronomen diese ganzen Regeln machen. Irgendwann war das ständige Hin und Her aber auch nicht mehr verständlich. Mit der Zeit löschte es vielen ab. Es ist schwierig, ­damit umzugehen.

Die ganze Gesellschaft hat sich im letzten Jahr verändert. Die Vorsicht und die Angst sind grösser geworden, gleichzeitig aber auch die Suche nach Freiheiten. Wenn es Möglichkeiten gab, versuchten die Leute, das Leben zu geniessen. Es wird einem stärker bewusst, was man eigentlich vermisst.

Denn es gab auch schöne Seiten. Im Sommer hat es allen gut getan, sich mal wieder frei bewegen zu können. Meine Highlights waren die Street Music Nights oder die Fussball-Europameisterschaft. Dazu die schönen Begegnungen. Oder dass der Freundeskreis und die Familie grosses Verständnis für die Situation hatten.

In normalen Zeiten würde man jetzt sagen, «es war ein schönes Jahr» und einen Strich darunter ziehen. Diesmal weiss man: Es geht im nächsten Jahr wieder genauso weiter. Man kann es ­irgendwie nicht abschliessen. Aber wer mich kennt, der weiss, dass ich ein Kämpfer bin. Ich versuche, die Gelegenheiten beim Schopf zu packen. Auch in einer Krise gibt es Chancen.

Ich schaue positiv ins 2022 und ver­suche, möglichst gut mit den jeweiligen Umständen umzugehen. Wir sind da, um die Menschen glücklich zu machen. Es gilt, Lösungen zu finden, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Die Hoffnung stirbt zuletzt. (aku)


«Man braucht eine gesunde Balance, um das alles zu überstehen»

Rahel Lochmüller, Leiterin Covid-Isola­tionsstation: Das vergangene Jahr war voller Höhen und Tiefen. Der Tiefpunkt des Jahres war der unerwartete Tod eines Familienangehörigen. Ich trenne Privates und Berufliches strikt, das ermöglichte mir, das Trauern und die Aus­wirkungen der Coronapandemie separat zu halten. Da sich in meiner Familie alle an die Schutzmassnahmen hielten, gab es bezüglich der Trauerfeier glück­licherweise keine besondern Hürden. Es gibt immer einen Lichtblick, daran muss man sich festhalten; dieses Licht am Horizont zu sehen, ist eine Stärke von mir, die hilft mir auch auf meiner Arbeit als Leiterin der Covid-Isolationsstation. Die Pandemie war für mich zwar privat wie auch beruflich präsent, aber meine Zuversicht und mein Durchhaltevermögen halfen mir auch hier, diese Höhen und Tiefen zu meistern. Man braucht aber eine gesunde Balance, um das alles zu überstehen. Deshalb fand ich es besonders schade, dass wir unseren Teamanlass nicht durchführen konnten. Ein Essen mit allen Mitar­beitenden der Station, wo man sich in einem anderen Umfeld begegnen könnte, wäre schön gewesen. Ich habe an dessen Stelle ein «Fress­päckli» für jedes Teammitglied bestellt. Klar ist es nicht das Gleiche, aber alle haben sich riesig darüber gefreut.

Ich plane meine Erholungszeit gezielt ein. Für mich bedeutete das, Zeit mit meiner eineinhalbjährigen Tochter zu verbringen, sie gibt mir am meisten Energie. So waren auch die schönsten Momente des letzten Jahres mit ihr: ihre Entwicklung beobachten, wie sie laufen lernte, ihre Mimik und ihr ansteckendes Lachen, und wie sie die Welt wahrnimmt. Ich schätze mich glücklich, dass sie noch so jung und noch nicht im Schulalter ist, das stelle ich mir in der aktuellen Situation um einiges schwieriger für die Eltern vor. Ich schaue bei ihr, dass der Alltag so normal wie möglich ist, sie besucht zum Beispiel die Kita für die sozialen Kontakte. Wir wünschen uns natürlich alle die Normalität zurück. Wir konnten sie zwischenzeitlich auch wieder geniessen, aber nur kurze Zeit.

Ich würde mir und den Kollegen der Spitäler Schaffhausen wünschen, dass wieder Normalität im Berufsalltag einkehrt. Ich denke aber, dass eine happige Zeit vor uns liegt. Aber auch für die ­gesamte Gesellschaft würde ich mir die Normalität zurückwünschen.

Trotz allem fühle ich mich wohl, da wo ich bin. Das habe ich auch meinem super Team zu verdanken. Es ist sehr professionell und lässt sich nicht so schnell die Stimmung verderben, egal was kommt. Die Offenheit der Teammitglieder und der Zusammenhalt stärken uns alle. Das nimmt man ins ganze ­Leben mit. Für mich persönlich wünsche ich einfach, dass ich die Energie, die ich jetzt habe, weiterhin haben werde und gesund bleibe. Krankheiten sind Einschränkungen – damit sind wir in unserem Beruf ständig konfrontiert; es wird einem erst bewusst, wenn einem etwas fehlt, wie sehr man das «Normale» schätzt und vermisst. (sdi)

 


«Es wäre schön, wenn es bald einmal wieder ruhiger wird»

Marco Torsello, Sekundarlehrer: Dieses Jahr war wirklich sehr anstrengend. Ich bin jetzt seit 15 Jahren im städtischen Dienst. Man sollte meinen, da habe man eine gewisse Routine. Eigentlich ist das auch so, aber das nützte nicht viel. In der Pandemie gibt es keine Planungs­sicherheit. Die Situation kann sich innerhalb von Stunden ändern. Man muss immer gleich funktionieren und sofort reagieren, sitzt wie auf Nadeln, ist ständig unter Strom. Immer hat man Covid im Kopf. Das kostet viel Energie. Phasenweise liefen wir im Lehrerkollegium auf dem Zahnfleisch. Dabei sind wir ein eingespieltes Team: Jeder kennt seine Aufgaben, wir können schnell reagieren. Doch die ewigen Änderungen und die ständige Ungewissheit hängen wie ein Damoklesschwert über uns.

Die Stimmung ist angespannter als sonst. Wir sind zehn Lehrpersonen im Kollegium. Wenn drei auf einmal wegen Erkrankung oder Quarantäne ausfallen, dann spürt man das einfach. Da sind dann alle gefordert. In solchen Situationen sagt man sich dann um sechs Uhr abends: «Gott sei Dank ist der Tag vorbei.» Aber am nächsten Tag geht es ­genauso weiter. Andererseits ist es abwechslungsreich. Ich habe für einen ausgefallenen Kollegen zum Beispiel auch mal Englisch unterrichtet. Man wächst mit seinen Aufgaben. Das versuche ich mir immer ins Gedächtnis zu rufen. Ich sehe die Pandemie als eine Herausforderung. Das ist meine Strategie. Anders würde ich es nicht schaffen.

Die Situation beschäftigt auch die Schüler. Sie sind nachdenklicher geworden. Die einen waren wirklich nieder­geschlagen. Natürlich kennen sie noch das Leben von vorher. Das Vereinsleben, Freizeitlager, Pfadi: Vieles ist wegge­brochen. Lernen müssen sie noch, aber beim Rest sind sie eingeschränkt. Wir hatten Schüler, die weinten, als das Skilager dieses Mal wieder abgesagt wurde. Sie waren richtig enttäuscht. Noch nie gab es so viele Anmeldungen wie dieses Jahr. Die Leute wollen wieder leben und erleben. Das ist zu kurz gekommen in den letzten Monaten.

Ich hoffe, dass die Maske nächstes Jahr nicht mehr lange obligatorisch ist. Im Schulbetrieb ist das sehr mühsam. Ich habe eine Mathematikklasse, die ich bisher erst eine Woche ohne Maske gesehen habe. Das ist befremdlich. Ich würde die Kinder gerne ansehen, ihre Mimik sehen. Das gehört zur Kommunikation dazu.

Früher habe ich am Morgen den Schülerinnen und Schülern zur Begrüssung die Hand gegeben und ihnen ins Gesicht geschaut. Ich sah, wie sie drauf sind, konnte auch mal jemanden auf die Seite nehmen, wenn ich merkte, dass es ihm nicht gut ging. Das sehe ich jetzt nicht mehr. Ich kann die Gefühlslage nur noch beschränkt wahrnehmen.

Wahrscheinlich dauert es noch eine Weile, bis wir die Pandemie richtig im Griff haben. Ich rechne noch mit drei bis vier Jahren. Wenn man sich auf das Schlimmste einstellt, freut man sich ­dafür, wenn es besser herauskommt. Das mache ich immer so. Deshalb bin ich so ausgeglichen und gut gelaunt. Und trotzdem: Es wäre schön, wenn es bald einmal wieder ruhiger wird. (aku)


«Für nächstes Jahr plane ich nichts, da habe ich meine Lektion gelernt»

Ronja Barbosa, Geschäftsführerin Quality Coiffure Schaffhausen: Das vergangene Jahr fühlte sich an, als ob die Zeit stehen blieb, und trotzdem ging es schnell vorbei. Wir gingen nicht in die Ferien, waren einfach da. Es ist nichts Spezielles passiert. Das Weihnachtsessen mit dem Team war schön, und dass wir es überhaupt machen konnten, war toll. Unsere Inhaberin lässt sich immer tolle Sachen für uns einfallen: Wir hatten eine Motto-Party, «Red Carpet». Wir wurden mit Stretch-Limos abgeholt, durften darin eine Runde fahren. Sie hat das ganze Restaurant nur für uns reserviert. Alle Corona-Regeln wurden eingehalten; so sassen zum Beispiel immer nur die Teams, die auch sonst zusammenarbeiten, an einem Tisch oder zusammen in einer Limo. Beim Stehen oder Rumlaufen wurden Masken getragen. Dafür gab es extra solche mit Glitzersteinchen. Dieses Erlebnis war super. Das war das einzige Highlight dieses Jahr, es ist einfach nichts Spektakuläres passiert. Meine Geburtstagsfeier war schön, die konnten wir im Sommer draussen bei uns im Garten feiern.

Nach Corona wird sich für mich nichts gross ändern; die Masken werden bei uns wohl sowieso lange bleiben. Seit dem ersten Lockdown arbeiten wir wieder normal. Abgesehen von den Massnahmen wie Maskenpflicht und Desinfizieren hat sich nichts geändert. Corona hat in meinem Leben eigentlich nur mein Reiseverhalten verändert. Ich habe genug von allem, diesem Hin und Her der Regeln und Empfehlungen der Regierung oder des BAG. Diese Ungewissheit macht mich fertig.

Ich habe aufgrund meines Berufs, durch den Kundenkontakt, eine gewisse Verpflichtung, keine unnötigen Risiken einzugehen. Deshalb sind wir – mein Mann ist auch Coiffeur – nicht ins Ausland in die Ferien. Wir können nicht einfach sagen, «wenn ich in Quarantäne muss, mache ich halt Homeoffice», das geht nicht. Also blieben wir hier. Alles andere wäre unverantwortlich und unfair meinen Kunden gegenüber. Aber ich bin froh, dass ich kein Homeoffice habe. Mein Team ist wie eine zweite ­Familie für mich und ich gehe gerne arbeiten. Von den Kunden hört man auch immer Neues und kann sich austauschen. Ich will einfach, dass das Ganze einfach mal vorbei ist.

Für nächstes Jahr plane ich einfach nichts, da habe ich meine Lektion gelernt. Ich will einfach an den Strand von Portugal und Crevetten essen mit Knoblauch, Brot und Olivenöl. Mehr wünsche ich mir nicht. (sdi)

 


«Privat waren die Einschränkungen stark zu spüren»

Jean-Claude Eberhart, Leiter Soziales Wohnen Geissberg: Thema Nummer eins war natürlich diese ganze Covid-Geschichte. Hier schauen wir immer, dass wir die Weisungen, welche wir vom Gesundheitsamt bekommen, umsetzen können. Leute aufmerksam machen, sensibilisieren. Unsere Bewohner haben keine wirklichen Einschränkungen hier im Haus, sie können kommen und gehen, wie sie wollen. Sie müssen bloss Maske tragen und Hände desinfizieren. Ansonsten sensibilisieren wir einfach bezüglich der Kontakte. Wir hatten nur im Mai zwei Bewohner, die positiv testeten. Ansonsten hatten wir Glück bis jetzt. Aber auch bei uns ist natürlich das Impfthema präsent und wird diskutiert. Privat waren die Einschränkungen stark zu spüren. Mit den Kindern nichts mehr machen zu können, das schlägt aufs Gemüt. Meine 12- und 14-jährigen Kinder können ihre Kontakte nicht so pflegen wie vor Corona. Das finden sie natürlich nicht lässig. Wir verbringen mehr Zeit in der Natur. Ich habe noch drei erwachsene Kinder, zwei davon haben bereits selber Kinder. Wir haben mit der grösseren Familie mehr Zeit verbracht, das ist sicher ­etwas Positives, man sieht einander mehr.

Aber diese Ausgrenzung, die jetzt stattfindet, das gegeneinander Ausspielen, diese Gräben in der Gesellschaft, das gibt mir zu denken. Diese Gräben sind so tief, keine Ahnung, wie das weitergehen soll. Was alles in den Medien geschrieben wird, da hat es Aussagen darunter, die erschreckend sind. Wie die Leute da aufeinander losgehen, das ist nicht gut. Ich hoffe, dass das ­irgendwann wieder in die Normalität zurückkommt. Ich weiss nicht, ob diese Gräben wieder aufgehoben werden können oder nicht.

Wir vom Sozialen Wohnen Geissberg befinden uns gerade in der Übergangsphase, wir ziehen nächstes Jahr um. Es wird also nicht einfacher bezüglich Corona. Im jetzigen Gebäude können wir gut separieren, falls es einen Vorfall gibt, gerade bei Isolation oder Quarantäne. Das wird am neuen Ort nicht mehr so sein. Auch für die Bewohner ist die Situation angespannt. Gewisse leben seit über zehn Jahren hier, es ist ihr Zuhause. Man muss ­immer vor Augen haben: Die Dinge in ihren Zimmern sind ihr ganzes Hab und Gut, das darf man nicht vergessen. Diese Ungewissheit, wo sie dann wohnen, mit neuen Menschen, die sie nicht kennen, das belastet. Die Notschlafstelle wird dann keine Einzelzimmer mehr haben zum Beispiel. Wir hoffen, dass wir das Ganze gut aufgleisen können.

Privat wünsche ich mir, dass sich alles wieder normalisiert. Die kleinen, normalen Dinge: Ins Hallenbad gehen ohne Testen, Zertifikat und so weiter. Ohne sich fragen zu müssen: Darf ich das, darf ich das nicht? Meine Familie campiert gerne. Ich freue mich darauf, wenn ich auf dem Campingplatz einfach wieder ins Lädeli gehen kann, um Milch zu kaufen, ohne beim Weg vom Wohnwagen zum Lädeli an eine Maske denken zu müssen. (sdi)

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