«Ich bin jetzt sehr gerne Rektorin»

Jurga Wüger | 
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Gerda Buhl ist seit August 2021 als Rektorin der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen im Amt. Bild: Selwyn Hoffmann

Gerda Buhl ist die neue Rektorin der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen. Sie trat im August die Nachfolge von Thomas Meinen an. Ein Gespräch über Buhls Vision, über die aktuellen Herausforderungen in den Schulen und darüber, was sie für diese Aufgabe prädestiniert.

Die Freude über die neue Aufgabe steht der Rektorin der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen (PHSH), Gerda Buhl, ins ­Gesicht geschrieben. Gleich zu Beginn des Gesprächs sagt sie: «Ich habe mich um diese Stelle beworben, weil ich es toll finde, die Zukunft der Lehrerausbildung aktiv zu gestalten.» – «Und warum glauben Sie, Frau Buhl, dass Sie die Richtige für das Amt sind?» Gerda Buhl schmunzelt leicht und überlegt nicht lange. «Meine langjährige Praxiserfahrung, meine Freude an Organisatorischem», sagt sie. Zudem arbeite sie gerne mit Menschen und habe eine pragmatische Herangehensweise.

Von ihrer Vision lässt sich Gerda Buhl nicht so leicht abbringen. Nur wenn die Dinge nicht schnell genug gehen, könne sie die Geduld verlieren. Aber: «Mein Humor und meine Gelassenheit retten mich oft.» Wie gross war also Ihre Freude, als Sie den Zuschlag bekommen haben? «Die Freude war riesig. Ich habe es mir sehr gewünscht, dass es klappt, und habe diese Entscheidung zu keinem Zeitpunkt bereut», sagt sie und fügt hinzu: «Diese Aufgabe begeistert mich.» Für ausufernde Hobbys oder lange Streifzüge durch die Natur bleibt der Rektorin allerdings nicht viel Zeit. «Um den Bezug zur Alltagswelt von Kindern zu behalten, verbringe ich gerne Zeit mit meinen Nichten und Neffen. Ich habe auch schon Unterrichtsmaterialien mit ihnen erprobt und sie nach ihren Erfahrungen gefragt», sagt sie und lacht. Wenn sie dann aber eines Tages pensioniert wird, spielt Gerda Buhl mit dem Gedanken, wieder mit dem Malen zu beginnen. Auch Wolle habe sie gekauft. Nur, zum Stricken kam sie noch nicht oft.

Lehrerin zu werden war nicht der erste Berufswunsch. Gerda Buhl ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und wollte ursprünglich Bäuerin werden. Diesen Gedanken habe sie dann aber zugunsten des Lehrerberufes verworfen. «Und das ist gut so», sagt sie. «Ich war gerne Lehrerin und bin jetzt sehr gerne Rektorin.»

Gesamthochschulleitung ist neu

Die PHSH ist kein Neuland für die gelernte Sekundarschullehrerin. Sie ist seit 2018 als Prorektorin für Weiterbildung und Dienstleistungen an der PHSH tätig. Davor konnte sie an verschiedenen Schulen Unterrichtserfahrungen sammeln, darun‑ ter auch an der Waldorfschule Überlingen und an der Rudolf-Steiner-Schule in Wil. Über zehn Jahre war sie zudem Klassenlehrerin an der Sekundarschule Romanshorn und unterrichtete die Fächer Mathematik, Physik, Biologie, Deutsch sowie das Freifach Theater.

«Schule dient nicht nur dem Wissenserwerb. Kinder müssen auch auf das Leben vorbereitet werden. Das Potenzial von unseren Kindern ist das kostbarste Gut.»

Mit Gerda Buhls Stellenantritt gab es weitere personelle Änderungen im Kader der PHSH. Die Hochschulleitung ist seit September neu besetzt. Gerda Buhl dazu: «Es war ein Stück weit eine Herausforderung und zugleich eine Chance. Jetzt sind wir ein gutes Team geworden.» Das neue Team nimmt gestalterische Herausforderungen gerne an. «Was hat sich bewährt?» und «Was muss anders werden?» sind ­Fragen, die sich täglich neu stellen. Als konkretes Beispiel nennt Gerda Buhl die momentane Ablösung der PHSH von der Pädagogischen Hochschule Zürich im IT-Bereich. Zudem wird das neue Campus-Management-System die Geschäftsprozesse und organisatorischen Abläufe des Studiums und der Weiterbildung (Studierenden-, Kurs- und Prüfungsverwaltung sowie weitere Aufgabenfelder der Hochschulverwaltung) abbilden. Administrative Abläufe werden vereinfacht. «Unser Studium mit seinen vielen Modulen ist recht komplex. Gemeinsam mit den Dozierenden sind immer wieder Neuerungen zu besprechen.» Es gehe aber nicht darum, inhaltlich viel Neues zu implementieren, sondern in einem ersten Schritt vor allem darum, das Organisatorische zu verein­fachen.

Die Coronapandemie stellt eine besondere Herausforderung dar. In den zurückliegenden Semestern wurde, so Buhl, oft im Online-Modus unterrichtet. Derzeit finden die Lehrveranstaltungen wieder in Präsenz statt, und die Studierenden und die Dozierenden schätzen das sehr. Es stelle sich aber die berechtigte Frage, welches Wissen sich Studierende in Selbstlerneinheiten aneignen können.

Präsenzzeit sinnvoll nutzen

Auch im Hinblick auf die Gestaltung der neuen Räumlichkeiten in der Kammgarn wurden auswärtige Schulen wie die Bilingual School Wollerau und die Alemannenschule in Wutöschingen besucht. «Es kann nicht sein, dass die Volksschulen uns überholen. Wir müssen selber unser Lehr- und Lernverständnis auf dem Laufenden halten und im Kontext der Coronapandemie ein Stück weit hinterfragen.» Eine der Hauptfragen dabei: Was kann nur in Präsenzphasen gelernt werden und was zeit- und ortsunabhängig? Im direkten und persönlichen Dialog könne nicht nur der wissenschaftliche Diskurs stattfinden, sondern auch zwischenmenschliche Interaktion und Begegnung. «Nach drei Jahren Studium stehen unsere Studierenden vor der Klasse und müssen reagieren können. Praxiserfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse sind dabei gleichermassen von Bedeutung.» Denn es gehe dabei nicht nur um reines Erfahrungswissen, so Buhl. Das Erfahrungswissen muss ständig durch Impulse aus der Forschung erweitert und aktualisiert werden. Ohne das gäbe es keine Weiterentwicklung.

Offenheit für neue Entwicklungen

Gerda Buhl führt aus: «Wir bilden heute die Lehrpersonen aus, welche die Kinder in der Zukunft unterrichten werden.» Und das nicht nur für die kommenden zwei, drei Jahre, sondern für die kommenden drei Jahrzehnte. Man lerne zwar auch im Beruf weiter, aber es brauche gute Fähigkeiten und Offenheit für neue Entwicklungen, um die Herausforderungen wie Digitalisierung oder Migration zu meistern.

Zur Person

Die 55-Jährige ist seit Februar 2018 als Prorektorin und als Dozentin für Fachdidaktik Mathematik für die PHSH tätig. Davor lehrte sie an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen Fach-didaktik Mathematik für angehende Primar- und Kindergartenlehrpersonen. Sie studierte an der Pädagogischen Hochschule Weingarten (D) und schloss mit dem Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen ab. 2007 promovierte sie an der Pädagogischen Hochschule Weingarten zum Thema «Weiterentwicklung der Unterrichtskultur im Mathematikunterricht».

Im Rahmen der Einführung des Lehrplanes 21 leitete sie viele Lehrerweiterbildungen in Mathematikdidaktik.

In der heutigen Zeit, so Buhl, sei es schwierig vorauszusagen, wie die Welt in 50 Jahren aussehen wird. Früher sei das ein wenig einfacher gewesen. Als Beispiel für einen ähnlichen Wandel nennt sie die Zeit vor und während der Industrialisierung. Alles, was heute auf der Welt los ist, widerspiegelt sich im Klassenzimmer. Die künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch. Was müssen also Kinder lernen, damit sie in dieser Welt zurechtkommen, um selbstbestimmt und erfüllt leben zu können? Diese Frage sei massgebend für die Studierenden.

Kinder auf das Leben vorbereiten

In die pädagogische Arbeit fliessen Haltungen und Wertvorstellungen ein, damit die Kinder später weniger empfänglich für Manipulation oder extremistische Ideen sind und sich auf ihr eigenes Denken verlassen können. Kinder verbringen viel Zeit in der Schule. «Und wenn sie dort lernen und erleben: Das, was ich denke und verstehe und wie ich mit anderen umgehe, hat einen hohen Stellenwert, dann können sie vermutlich auch mit neuen Medien an­gemessener umgehen und beispielsweise Fake News erkennen», so Buhl.

Lehrerpersonen haben eine Vorbildfunktion, und die Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden ist für die gelingenden Lernprozesse bedeutsam. Wenn Kinder in der Schule lernen, Konflikte zu lösen, werden sie später ausserhalb des geschützten Rahmens ähnliche Situationen besser bewältigen können. Schule müsse zudem auch Kinder fördern, die keine guten Startbedingungen haben, damit sie ihr Potenzial entfalten können. «Schule dient nicht nur dem Wissenserwerb. Kinder müssen auch auf das Leben vorbereitet werden. Das Potenzial von unseren Kindern ist das kostbarste Gut», sagt Gerda Buhl, die neue Rektorin der PHSH.

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