Wer hat das Hornissennest zerstört?

Zeno Geisseler | 
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Das wunderbare Hornissennest in Hemmental, das die SN letzte Woche abbildeten, ist vernichtet worden. Dionys Mannhart besitzt gleich neben dem Standort ein Randenhaus. Ihn macht die Zerstörung traurig – und er hofft, dass eine Hornissenkönigin überlebt hat.

Dionys Mannhart ist keiner, der Angst hat vor Insekten. Der 89-jährige Schaffhauser ist Hobbyimker. Gleich neben seinem Randenhaus in Hemmental leben fünf Bienenvölker. Als vor einem halben Jahr ein Hornissenvolk in einem Nistkasten für Vögel wenige Meter vom Haus entfernt ein Nest baute, war das für ihn ein Grund zur Freude. Vom Fenster aus konnten er und seine Frau Margrit dem Treiben der Hornissen zusehen. In Hemmental sprach sich die Kunde vom Nest herum, schliesslich fotografierte Andreas Lukàcsi den eindrücklichen Bau. Am 14. Oktober publizierten die SN das Bild.

«Ein Laie war das aber nicht»

Doch was weiter geschah, ist für Dionys Mannhart eine Tragödie. Denn das Nest ist weg. Einfach verschwunden. Fachmännisch abgeschnitten. Von wem, wann genau und warum, das weiss Mannhart nicht. «Ein Laie war das aber nicht», sagt er. Denn Hornissen sind zwar friedfertige Insekten, aber wer ihr Haus angreift, muss damit rechnen, attackiert zu werden. Zudem befindet sich das Nest etwa dreieinhalb Meter über Boden, man braucht also schon eine Leiter, einen Schutz und Spezialausrüstung, um an das Nest heranzukommen. Vielleicht war es ja ein anderer Imker? Dieser Gedanke ist Mannhart natürlich auch durch den Kopf gegangen. «Aber das ist schwierig zu sagen», sagt er. «Und es macht auch keinen Sinn, irgendwelche Vermutungen anzustellen. Ich kann nur eines sagen: es ist einfach bedauerlich, dass das Nest nicht mehr da ist.»

Bei unserem Besuch im Randenhäuschen erzählt Mannhart mit Blick auf das Vogelhäuschen, was passiert ist: «Wir kamen vor etwa zehn Tagen in unser Randenhaus und sahen, dass das Nest abgeschlagen wurde», sagt Mannhart. «Das schmerzt mich sehr. Insekten sind für mich wichtig, auch Hornissen. Sie haben einen Zweck, sie fressen Wespen und kleinere Insekten.»

Hartermann
«Insekten zu vernichten, ist das Dümmste, was man in der heutigen Zeit tun kann.»
Dionys Mannhart, Hornissenfreund

Dass sich Hornissen in Behausungen niederlassen, die eigentlich für Vögel gedacht sind, ist keine Seltenheit. Im Schaffhauser Waldfriedhof wurden diesen Sommer extra zwei spezielle Hornissenkästen aufgehängt. Die Hornissen aber zogen wenige Meter weiter in einen Eulenkasten.

Auch Dionys Mannhart weiss nicht, ­warum die Hornissen ausgerechnet den Nistkasten bei ihnen ausgesucht haben. «Ihnen gefällt es einfach dort», sagt er und schmunzelt. Neben ihrem Randenhaus steht das Bienenhäuschen der Mannharts, inzwischen haben die Enkel das Imkern übernommen. Bienen und Hornissen, ist das nicht ein Konflikt? «In all den Jahren habe ich noch nie Hornissen an unseren Bienenstöcken gesehen», sagt Mannhart. Es sei zwar schon so, dass Hornissen auch Bienen töteten. «Aber wenn sie von den 35'000 bis 40'000 Bienen hier vielleicht zwei-, dreihundert fressen, dann ist das kein Problem. Nicht die Hornissen sind das grösste Problem für die Imker, sondern die Varroamilben.» Jene Schädlinge also, welche das Blut der Bienen saugen, und die mit Gift bekämpft werden müssen. «Das ist nicht gut, aber wir haben keine andere Wahl» sagt Mannhart.Aber zurück zu den Hornissen. Vielleicht war es gar kein Mensch, sondern einfach ein Tier, etwa ein Vogel? «Das glaube ich nicht», sagt Mannhart und erklärt, dass man dann auf dem Boden Spuren des Nests gefunden hätte. Doch dort war nichts. Das Nest war fein säuberlich abgetrennt und weggebracht worden. «Vor einem Jahr habe ich gesehen, wie ein Eichelhäher ein Hornissennest ausräumte, aber die Hornissen waren alle schon tot.»

Links: So sah das Nest bis vor wenigen Tagen aus. Bild: Andreas Lukácsi

Rechts: Jetzt hat es jemand heruntergeschlagen. Bild: Zeno Geisseler

Dieses Massensterben eines Hornissenvolks ist Teil des natürlichen Jahreszyklus. Im Herbst, wenn die Temperaturen kälter werden, stirbt das Volk bis auf die begatteten Königinnen aus. Nur die Königinnen überleben den Winter und gründen im neuen Jahr dann ein neues Volk. Genau das ist auch die Hoffnung mit dem abgeschlagenen Nest vor Mannharts Randenhaus. Vielleicht erstreckte sich das Hornissennest in das Vogelhäuschen hinein. Da dieses unbeschädigt geblieben ist, könnte es sein, dass dort noch Königinnen leben.

Eine gewisse Aktivität ist jedenfalls durchaus ersichtlich. Während erste Fotos des abgeschlagenen Nests noch einen kahlen Nistkasten zeigen, sieht man in der Zwischenzeit bereits wieder Ansätze eines neuen Nestbaus. Zudem sieht man Hornissen, die zum Nistkasten fliegen. Es ist also nicht einfach alles tot. Doch ob das reicht, dass nächstes Jahr ein neues Volk gedeihen kann, wird sich weisen müssen.

Dionys Mannhart blickt zum Nistkasten hoch und steckt sich seine Tabakpfeife in den Mund. «Ich hoffe», sagt er, «dass der, der das gemacht hat, sich gut überlegt, was er für einen Schaden angerichtet hat. Es ist kein materieller Schaden, aber ein immaterieller. Insekten zu vernichten, das ist das Dümmste, was man in der heutigen Zeit tun kann. Es heisst, dass es heute noch etwa 30 bis 40 Prozent der früheren Insektenbestände gibt. Wir müssen zu diesem Rest grosse Sorge halten.»

Hornissen: Invasive Art auf dem Vormarsch

Neben der einheimischen Hornisse macht sich seit einigen Jahren auch eine neue Art, die Asiatische Hornisse, in Europa breit. Gemäss dem landwirtschaftlichen Forschungszentrum Agroscope breitet sich die Asiatische Hornisse von Frankreich aus in Europa aus und hat mittlerweile auch die Schweiz erreicht, jedenfalls in einzelnen Exemplaren. Ganze Völker sind bis jetzt hierzulande noch nicht gesichtet worden. Sie ist gemäss Medienberichten in der Lage, Bienenvölker in kurzer Zeit zu dezimieren, unter anderem legt sie sich vor den Bienenstöcken auf die Lauer.

Die Art wird in Europa aggressiv bekämpft, Nester werden vernichtet. Dennoch kann laut Experten die Ausbreitung nicht verhindert, sondern nur verzögert werden. Für Menschen ist die Asiatische Hornisse so ungefährlich wie die einheimische Art. (zge)

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