Like mich! Wie Schaffhauser Parteien auf «Social Media» werben

Ralph Denzel | 
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Der Wahlkampf auf Social Media wird immer wichtiger. Symbolbild: Shutterstock/Montage OPP

Der Wahlkampf geht in die heisse Phase und die Parteien kämpfen um Stimmen – auch in den sozialen Medien. In Schaffhausen ticken die Uhren jedoch noch etwas anders.

Die sozialen Medien sind aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest, Snapchat, Youtube – wir teilen, liken, kommentieren, abonnieren, favorisieren. Karrieren können dort geformt, Meinungen gebildet und sogar Hass geschürt werden. Kein Wunder, dass auch in der Politik die sozialen Medien immer mehr an Gewicht gewinnen. Wie viel, das lässt das grösste soziale Medium der Welt, Facebook, Interessierte jetzt direkt nachverfolgen. So kann man mit der sogenannten Facebook Ad Library sehen, wer wie viel für soziale Medien ausgegeben hat. Seit Mitte August kann man dieses Tool auch in der Schweiz nutzen. Es ist eine Reaktion auf die US-Wahlen 2016, bei der gezielt Falschinformationen gestreut und so die Wahl nachhaltig beeinflusst wurden.

Wir haben das Tool ausgiebig genutzt und einige interessante Informationen rund um die Werbung vor den nationalen Wahlen im Oktober 2019 zusammengetragen.

Schaffhausen ist Kandidatensache

Schaffhausen spielt, zumindest beim Wahlkampf auf Facebook, kaum eine Rolle. Der Reach, also die erreichten Personen bei einer geschalteten Werbung, liegt bei Personen in Schaffhausen meist bei 1-2 Prozent. Mit anderen Worten: Nur 1-2 Prozent der Leute, die eine Werbeanzeige gesehen haben, kommen aus Schaffhausen. Für die Parteien bedeutet das jedoch nicht zwingend, dass es ein Nachteil ist: Thomas Weber von der Schaffhauser SP erklärt: «Ein Reach von 1 Prozent ist für Schaffhausen ordentlich.» Das läge auch an der Grösse des Kantons. Für die SP läge es auf kantonaler Ebene an den Kandidaten, dass sie für sich auf den sozialen Medien Werbung zu machen.

Manche tun das und investieren selbst sogar Geld - allerdings nicht bei der SP. So erklärt Regierungsrat Christian Amsler, der für die FDP in den Ständerat möchte: «Ich setze in diesem Ständeratswahlkampf erstmals auf bezahlte Werbung im Social Media-Bereich, die ich mit meinem Team von der kompass GmbH zusammen erarbeite.» Dafür würde er je 250 Franken investieren. Insgesamt wolle er 750 Franken in den sozialen Medien ausgeben. «Die Idee ist, dass wir so Unterstützer gewinnen», so Amsler. Die Werbung gehe gezielt an Facebook-Nutzer im wahlfähigen Alter, die im Kanton Schaffhausen wohnen und stimmberechtigt sind. Sein Parteikollege Marcel Fringer hält davon nicht viel: «Ich denke, dass die sozialen Medien teilweise überschätzt werden. Sie werden meist sehr oberflächlich gelesen und können nur wenig Inhalt transportieren und vermitteln.» Sie seien zwar ein gutes Mittel um «die Bekanntheit zu steigern» und «in einem Wahlkampf nicht mehr wegzudenken», aber wenn man professionelle, gute und gezielte Werbungen einbauen wollte, könne das «dann auch schnell ins Geld gehen».

Einen Lösungsansatz gegen dieses Problem verfolgt die GLP Schaffhausen. So erklärt uns der GLP-Nationalratskandidat Manfred Thoma, dass die Schaffhauser GLP sogenannte «dezentralisierte Social Media-Strategie» verfolge. Das bedeutet: «Lediglich eine kleine Anzahl von Posts der diesjährigen Wahlkampagne werden direkt durch das Generalsekretariat in Bern generiert und auf den kantonalen Seiten gepostet.» Eine kleine Anzahl ist dabei allerdings leicht untertrieben: 20 Werbeanzeigen hat die Bundespartei seit dem Start der Facebook Ad Library lanciert. Für die Schaffhauser Kandidaten hat das allerdings kaum Auswirkungen, wie Thoma erklärt: «Wir sehen, dass unsere eigenen Posts, welche auf Schaffhausen abgestimmt sind, eine immer grössere Verbreitung finden.» Für diese zahlt die Partei laut Ad Library allerdings nichts.

Facebook verliert an Wichtigkeit – und ist nicht «alternativlos»

Anna Naeff möchte für die Alternative Liste (AL) Schaffhausen in den Nationalrat einziehen. Ihre Partei nutze die sozialen Medien sehr ausgiebig. Mit knapp 1000 Fans auf Facebook ist die AL von der Reichweite her die stärkste Kraft im Kanton. Allerdings erkenne man, dass «die Werbemöglichkeiten nicht auf kleinräumige Gebiete wie den Kanton Schaffhausen ausgelegt» seien. Das hätte Folgen, auch für die Werbeausgaben, die laut Naeff ungefähr bei höchstens 250 Franken für eine Werbeanzeige bei Facebook lägen. «Die AL setzt deshalb vermehrt auf aktuellere Kanäle wie etwa Instagram, das den grössten Nutzerzuwachs verzeichnet», so Anna Naeff.

Ein weiteres Problem, was auch die anderen Parteien spüren: «Facebook ist nicht mehr so beliebt wie auch schon, was die Wirkung der Werbung natürlich einschränkt», schätzt Naeff. Ähnlich sieht es auch der CVP-Nationalratskandidat Gregor Schweri: «Die sozialen Medien sind hinblicklich Wahlkampf ein Faktor, allerdings mit einem geringen Effekt.» Er glaube, dass «Werbung auf Social Media» kaum wahrgenommen werde.

Das sieht die Schweizer CVP allerdings anders: Laut Tagesanzeiger will sie ungefähr 260‘000 Franken für Social-Media-Wahlkampf ausgeben. Das bedeutet 13 Prozent des gesamten Wahlkampfbudgets von 2 Millionen Franken.

Denn auch wenn Facebook eventuell an Wichtigkeit verliert: Der Wahlkampf auf den sozialen Medien bleibt relevant für die Parteien. Roland Müller von den Grünen: «So oder so müssen wir unseren Social Media-Auftritt verstärken und ausbauen, ist dies doch eine günstige Möglichkeit Wähler anzuschreiben, gerade für Parteien mit kleinem Budget ist das sehr wichtig.»

Soziale Medien sind «oberflächlich und nicht nachhaltig»

Andere Kandidaten in der Region kennen die Probleme rund um Reichweiten und zielgruppengerichtete Werbungen auf den sozialen Medien nicht. So kann Nationalrat Thomas Hurter sozialen Medien zum Beispiel gar nichts abgewinnen: «Ich habe kein Facebook- oder einen aktiven Twitteraccount. Für mich ist diese Art der Kommunikation eher eine Zeitverschwendung, zu oberflächlich und nicht nachhaltig.» Die sozialen Medien seien demnach nur eine Möglichkeit «möglichst schnell in den Medien genannt» zu werden. «Zum heutigen Zeitpunkt würde ich diese Art von Werbung als nicht notwendig bezeichnen», so Hurter.

Eventuell ist auch das ein Grund, warum die Bundes SVP sich bisher als einzige Partei weigert, ihre Ausgaben für Werbung auf Social Media bei Facebook Ads offenzulegen. Kantonale Verbände, wie zum Beispiel in Zürich, sind da offener: So hat die Zürcher SVP zum Beispiel veröffentlicht, was für Ausgaben sie auf Social Media haben.

Zürcher werden umworben – auch von Schaffhausern

Die meisten der von uns untersuchten Werbungen zeigen auch: Am häufigsten klicken Personen in Zürich auf Werbungen von nationalen Parteien. Das hat laut Grünen-Nationalratskandidat Roland Müller System: «Es ziehen immer wieder jüngere Mitglieder nach dem Studium nach Zürich, darum suchen wir Mitglieder in diesem Segment und älter um den Abgang in Schaffhausen zu kompensieren.»

Aber nicht nur die Grünen erreichen meistens Zürcher: Fast alle Parteien erzielen in Zürich die grösste Reichweite. Vor allem, wenn man junge Wähler ansprechen will, werden laut der Facebook Ad Library Personen in der Limmatstadt umworben. Überhaupt: Im Vergleich zu den Schaffhauser kantonalen Parteien haben fast alle Parteien in Zürich regelmässig Werbungen auf Facebook geschaltet.

In Schaffhausen ist hingegen alles noch etwas kleiner, auch bei den Werbungen: Viele Parteien zeigen sich demnach überzeugt, dass eine geringe Social Media-Präsenz nicht unbedingt nachteilig ist. So sagt Marcel Fringer, Nationalratskandidat der FDP: «In Schaffhausen ticken die Uhren aus meiner Sicht noch etwas anders: Es geht hier nichts über persönliche Kontakt und Netzwerk.» Aber, auch dort sind sich fast alle Parteien einig: «Die Werbung auf den sozialen Medien wird immer wichtiger.»

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