Bedingte Freiheitsstrafe für häusliche Gewalt

Isabel Heusser | 
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Das Obergericht bestätigte die Strafe des Kantonsgerichts.

Ein heute 24-jähriger Kosovare soll seine Frau mehrmals angegriffen und dabei verletzt haben. Gestern verurteilte ihn das Schaffhauser Obergericht deshalb zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten.

Zur Verhandlung am Obergericht erschien der Beschuldigte in Begleitung seiner Frau. Sie hatte einen Kinderwagen bei sich, in dem das gemeinsame, drei Monate alte Baby lag. Der Mann war angeklagt wegen mehrfacher schwerer Körperverletzung, Gefährdung des Lebens, einfacher Körperverletzung, mehrfacher Tätlichkeit, mehrfacher Drohung und mehrfacher, zum Teil versuchter, Nötigung. Das Opfer: seine Frau. Dennoch sind die beiden auch heute noch ein Paar.

In erster Instanz hatte das Kantonsgericht den Mann wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer 16-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, mit einer Probezeit von drei Jahren. Der Beschuldigte zog das Urteil weiter; sein amtlicher Verteidiger Roger Gebhard verlangte gestern einen vollumfänglichen Freispruch. Staatsanwalt Thomas Rapold hatte für den Beschuldigten ursprünglich eine unbedingte Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert. Gestern forderte er eine bedingte Freiheitsstrafe von 17 Monaten bei einer dreijährigen Probezeit.

Der 24-jährige Kosovare, der mittlerweile wieder im Kosovo lebt und arbeitslos ist, soll seine Frau zwischen Ende September 2015 und Februar 2016 in der gemeinsamen Wohnung im Kanton Schaffhausen wiederholt angegriffen haben. Gemäss Anklage hat er sie unter anderem geschlagen, ihr ein Messer angeworfen, sie mit einem Rüstmesser in den Oberschenkel gestochen und gewürgt. Zudem wollte er sie im Juli 2016 mit einem Schreiben, das er aus seinem Zellenfenster des Schaffhauser Gefängnisses geworfen hatte, zu einer Falsch­aussage nötigen.

Beschuldigter bestreitet Vorwürfe

Vom Beschuldigten war gestern nicht viel zu erfahren. Er liebe seine Frau und führe eine sehr gute Beziehung mit ihr, sagte er bei der Befragung durch Oberrichterin Eva Bengtsson. Auf Fragen zu den einzelnen Punkten der Anklage antwortete er via Dolmetscher mit dem stets gleichen Satz: «Ich verweise auf meine früheren Aussagen.» Es sei schon merkwürdig, dass seine Frau in den ersten drei Monaten der Ehe dreimal ins Spital musste, sagte Bengtsson. Auch dazu wollte der Beschuldigte nichts sagen.

«Er gab sich ­seiner Aggression und Eifersucht hin.»

Thomas Rapold, Staatsanwalt

Vor Kantonsgericht hatte der Mann seine Schuld jeweils bestritten. Auf den Vorwurf des Staatsanwalts etwa, er habe seine Frau so stark ins Gesicht geschlagen, dass sie aus dem Mund blutete, hatte er gegenüber der Polizei entgegnet, er und seine Frau hätten sich lediglich geschubst; es könne sein, dass er sie im Gesicht berührt habe. Die aufgeplatzte Lippe seiner Frau hatte er mit den Worten kommentiert, es könne sein, dass sie sich auf ihre Lippe gebissen habe.

Seine Frau, die als Zeugin vorgeladen wurde, verweigerte ihre Aussage. Stattdessen gab sie dem Gericht ein Schreiben ab, dazu ein Foto, das die dreiköpfige Familie zeigt.

In seinem Plädoyer hielt Verteidiger Gebhard fest, die Aussagen der Frau seien nicht verwertbar. So habe man sie vor einer Befragung nicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht. Auch das sogenannte Konfrontationsrecht sei nicht gewährt worden: Weil die Frau nach der polizeilichen Einvernahme ihre Aussage verweigerte, seien nur Aussagen verwertbar, die durch Beweise gestützt würden. Die Frau habe nicht unter den angeblichen Folgen der Angriffe gelitten, sondern weil ihr Mann in Untersuchungshaft genommen wurde, so Gebhard. Strafmildernd würden sich ausserdem seine damalige Unreife sowie die in einem Gutachten festgehaltene unterdurchschnittliche Intelligenz auswirken.

«Hohe kriminelle Energie»

Staatsanwalt Rapold sagte hingegen, dem Beschuldigten sei durchaus bewusst gewesen, dass er seine Frau hätte schwer verletzen können. Sein Verhalten zeuge von einer hohen kriminellen Energie: «Er gab sich seiner Aggression und Eifersucht hin.»Das Obergericht folgte schliesslich der Vorinstanz und verurteilte den jungen Mann wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren. Bengtsson anerkannte zwar, dass die Frau während einer Befragung offenbar nur vage auf das Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht worden sei, insgesamt sei das Verfahren für den Beschuldigten aber fair verlaufen.

 

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