Herkunft erschwert die Wohnungssuche

Miriam Barner | 
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Laut dem Immobilienvergleichsportal Comparis gibt es im 15-Kilometer-Umkreis von Schaffhausen rund 50 leere Wohnungen, die Fatima Gasemis Kriterien erfüllen. Trotzdem verläuft die Suche seit drei Monaten erfolglos. Bild: Julia Leppin

Eine in Schleitheim wohnhafte Afghanin sucht seit drei Monaten für ihre Familie ein neues Zuhause, wird aber von potenziellen Vermietern immer wieder abgewiesen.

Sie ist erst 25 Jahre alt, aber Fatima Gasemi* hat schon tiefe Sorgenfalten im Gesicht. Seit drei Jahren lebt die Afghanin mit ihrem Mann und ihrem Kind in der Schweiz. Die Familie teilt sich momentan eine kleine Zweizimmerwohnung in Schleitheim. ­Mietpreis: 680 Franken. «Die Miete zahlt das Sozialamt, da mein Mann noch in der Lehre ist und ich in der Schule bin», sagt die junge Frau.

Sozialamt zahlt 1300 Franken an Miete

Sie esse momentan sehr viel, sagt Gasemi lächelnd, denn das zweite Kind sei auf dem Weg. «Dem Baby geht es gut.» Da die Zweizimmerwohnung zu klein für eine vierköpfige Familie ist, sucht Gasemi eine neue Wohnung im Kanton Schaffhausen. «Am liebsten hätten wir eine kleine Vierzimmerwohnung», sagt die Frau. Das Budget des Sozialamts verspricht 1300 Franken. Laut dem Immobilienvergleichsportal Comparis gibt es in 15 Kilometern Umkreis von Schaff­hausen rund 50 leere Wohnungen, die auf Gasemis gewünschte Kriterien zutreffen. Trotzdem verläuft die Suche seit drei Monaten ­erfolglos.

«Ich habe zwölf Wohnungen angeschaut», sagt die junge Mutter. Vier Firmen haben ihr telefonisch dieselbe Absage erteilt: «Sie sagten, sie vermieten keine Wohnungen an Ausländer», sagt die Afghanin, die im Iran aufgewachsen ist. Und die restlichen Wohnungen seien in der Zwischenzeit schon vermietet worden. Gasemi versucht, den Vermietern zu erklären, dass sie finanzielle Unterstützung bekomme und die Miete so bezahlt werde. «Doch das interessiert die Vermieter nicht.»

«Die Problematik ist nicht neu»

Ein Mietobjekt, bei der die Familie eine Absage bekam, befindet sich im Dorfkern von Neunkirch. Der Vermieter, welcher der Familie Gasemi die Wohnungsmiete nur aufgrund ihrer Herkunft verweigert hat, bestätigt seinen Entschluss am Telefon gegenüber den SN. «Ich vermiete nicht an Ausländer, und ich muss mich dafür nicht rechtfertigen», sagt der ältere Herr, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. «Wenn ich an Ausländer vermiete, dann habe ich danach die Probleme», fügt er an. Die wären auch für die anderen Familien in dem Haus eine Belastung. Die Problematik der Wohnungssuche für Ausländer sei laut Ruedi Vögele, Sozialreferent von Neunkirch, nicht neu, könne aber nicht von der öffentlichen Hand gelöst werden, wenn nicht gemeindeeigene Wohnungen angeboten werden. «Dies ist in Neunkirch nicht der Fall», sagt er. Das Misstrauen beruhe wohl auf schlechten Erfahrungen, die der Liegenschaftsbesitzer mit Flüchtlingen gemacht hätte. Es gibt aber auch gegenteilige Beispiele, sagt der Sozialreferent: «Ich kenne auch Vermieter, die ihre Wohnungen an Ausländer vermieten und zufrieden sind.» Gemäss Michael Messerli, Leiter der Immobilienbewirtschaftung und Mitglied der Geschäftsleitung der IT3 Treuhand + Immobilien AG, wurden unterschiedliche Erfahrungen bei der Wohnungsvergabe an Flüchtlinge gemacht. «Wichtig ist für alle Vermieter, dass die Flüchtlinge von den Behörden begleitet und bei allfälligen Problemen unterstützt werden», sagt Messerli. Zudem sei es wichtig, dass eine ausgeglichene Mischung von Nationalitäten bestehe, fügt er an.

Ein Geschäftsleiter einer regionalen Immobilienfirma, der lieber anonym bleiben möchte, glaubt, die Abweisungen habe mit dem Aufenthaltsstatus der Bewerber zu tun – und nicht mit den Menschen selbst. Denn wenn das Sozialamt für die Miete aufkommt, bringen Bewerber häufig ein Schreiben mit, auf dem stehe, dass für die Miete aufgekommen werde, solange der Bewerber vom Sozialamt betreut wird. Diese Formulierung verunsichere die Vermieter, da die Mietzinsgarantie sofort erlöscht, wenn sich der Aufenthaltsstatus ändert. Tauche die Person dann ab, komme zusätzlich ein grosser Aufwand auf die Vermieter zu, so der Geschäftsleiter. Er vermutet, dass grössere, überregionale Vermieter sogar die Anweisung hätten, solche Mieter grundsätzlich zu vermeiden. «Es wird immer private Vermieter mit einem grossen Herzen geben, die Wohnungen an Flüchtlinge vermieten», sagt er.

Eine Angestellte einer weiteren regionalen Immobilienfirma möchte ebenfalls anonym bleiben. Sie sagt, sie wisse nichts von dieser Problematik.

Begleitung bei Besichtigungstermin

Andi Kunz, Leiter der Asyl- und Flüchtlingsbetreuung, ist die Problematik der erfolglosen Wohnungssuche bekannt: «Wir kämpfen mit der Abhängigkeit von Verwaltungen.» Diese seien gegenüber Menschen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich teilweise zurückhaltend, «wohl aufgrund schlechter Erfahrungen oder Vorurteile.» Mittels Mietzinsgarantie und persönlichem Kontakt mit dem Sozialarbeiter versuche man, die Chancen auf eine Wohnungszusage zu vergrössern. «Die Flüchtlinge selbst sind aber verantwortlich für die Wohnungssuche, wir bieten nur Unterstützung», sagt Kunz.

«Sie sagten, sie vermieteten keine Wohnungen an Ausländer.»

Fatima Gasemi*, Wohnungssuchende

Neben den Sozialarbeitern würden Freiwillige, Praktikanten oder Zivilschutzleistende die Bewerber bei den Besichtigungsterminen begleiten und auch nach der ­Besichtigung telefonisch nachfragen, wie es um die Wohnungsvergabe steht. Es gebe aber Verwaltungen, bei denen die Kontaktaufnahme durch die Sozialarbeiter nicht gut ankomme. «Die fragen sich dann, ob der Bewerber nicht fit genug sei, sich selbst darum zu bemühen», so Kunz. Durch positive Beispiele, in denen die Vermietung reibungslos verläuft, versuche man die Verwaltungen auf zukünftige Wohnungsvergaben an Flüchtlinge zu sensibilisieren. Das Wichtigste sei jedoch die Beziehungspflege mit den Verwaltungen. Laut Kunz sei es für Vermieter entscheidend, dass sie mit dem Sozialamt bei Fragen und Problemen einen verlässlichen Ansprechpartner hätten. Zurzeit baue man interne Ressourcen für Wohnbegleitungen nach dem Bezug auf: «Damit sich die Mieter in den ersten Monaten vor Ort zurechtfinden», sagt Kunz. Sehen die Vermieter, dass das Mietverhältnis problemlos verlaufe, könne dies in einem nächsten Fall zu einem Vertrauensvorschuss führen.

Gasemi will niemanden belasten

Inzwischen ist für Fatima Gasemi eine Absage aufgrund ihrer Herkunft keine Überraschung mehr. «Oft bin ich traurig», sagt sie. Probleme mache sie keine, und sie sei eine saubere Mieterin. In der Schule will Gasemi niemandem mit ihren Problemen belasten. Die Hoffnung gibt sie dennoch nicht auf. Sie glaubt fest daran, auch allein eine Wohnung zu finden. Nur sei es derzeit schwierig.
* Name geändert.

 

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