Hannah Grüninger erhält Ernte-Kunstpreis

Mark Liebenberg | 
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17 regionale Kunstschaffende präsentieren Arbeiten im Rahmen der kuratierten Ausstellung Ernte 18 im Museum zu Allerheiligen. Den Ernte-Preis gewinnt die Jüngste im Bunde.

Ein technisches Malheur der gröberen Sorte steht am Ursprung der Arbeit «Artefakte» (Siebdrucke auf Utoplex-Pergamentpapier, je 21×28 cm) von Hannah Grüninger: Sie wollte sich während eines zweiwöchigen Aufenthalts im Unterengadin auf künstlerische Weise mit der Landschaft auseinandersetzen. Dazu fotografierte sie die Bergwelt. Als die in Zürich, Schaffhausen und Osterfingen lebende und arbeitende Künstlerin wieder im Unterland war, stellte sie fest, dass mehrere ihrer Filme aufgrund eines Fehlers ihrer analogen Fotokamera unbelichtet waren. Ein Jahr später hatte sie den Geistesblitz, der ihr nun den Kunstpreis der Jury der Ernte 18 einbrachte: Sie fasste ihre Erinnerung an die Landschaft in Worte, druckte diese kaum wahrnehmbar auf schwarzes Pergamentpapier, welches die verlustig gegangenen Fotografien symbolisiert. Damals half alles Ins-schwarze-Rechteck-Starren nichts – jetzt entstehen Landschaftsbilder mittels der Sprache.

Die Jury lobte gestern bei der Vernissage im Museum zu Allerheiligen Grüningers konsequente Umsetzung und «die gelungene Verschiebung des Mediums vom Bild auf die Sprache, vom Visuellen aufs Imaginäre, vom Schriftbild aufs vorgestellte Bild», wie Ausstellungskuratorin Isabelle Köpfli vor den zahlreichen Vernissagebesuchern sagte. «Dies zeugt von der Bereitschaft, sich selbst und sein Schaffen in ­einem grösseren, anspruchsvollen Kunstkontext zu hinterfragen; unabhängig davon, ob ähnliche Fragen schon Künstlergenerationen davor beschäftigt haben.»

102 Bewerbungen eingereicht

Keine technische Panne, sondern offenbar neue feuerpolizeiliche Vorschriften machten es gestern nötig, dass Begrüssung und Preisverleihung vor gut hundert frierenden Gästen im Pfalzhof statt im Vortragssaal des Museums abgehalten werden mussten. Bevor Philipp Früh von der Preisstifterin Mobiliar Versicherung den alle zwei Jahre verliehenen, mit 10 000 Franken dotierten Kunstpreis übergab, begrüssten Museumsdirektorin Katharina Epprecht, Regierungspräsident Christian Amsler und Kunstvereinspräsident Stephan Kuhn die Besucher. 102 Arbeiten waren dieses Jahr von regionalen Kunstschaffenden eingereicht worden – 17 schafften es in die Ausstellung, also nur jeder Sechste. Christian Amsler, der zwei Tage zuvor als Bundesratskandidat ausgeschieden war, sorgte für Schmunzeln, als er tröstend meinte: «Mitmachen ist das, was zählt, das ist in der Politik nicht anders.»

«Die Verschiebung des Mediums vom Bild auf die Sprache ist hier besonders schön gelungen.»

Isabelle Köpfli, Kuratorin Ernte 2018

Unter den Ausgestellten sind altbekannte Künstler aus mehreren Generationen (Alter 25 bis 70), aber eben auch neue Namen unter den acht Künstlerinnen und elf Künstlern der diesjährigen Ernte (je zwei treten als Duo auf). Eine wuchtige Hinterglasmalerei von Richard Tisserand in blau-roten Farbtönen begrüsst die Ausstellungsbesucher bereits vor dem Eingang zum Wechselsaal. Martin Volmer stellt sich gleich im Eingangsbereich mit «Arbeit für einen Blinden» die Frage, was Sehen ist – und weicht auf den Tastsinn aus, indem er ein Holzrelief zum Ertasten an die Wand hängt. Eine Brailleskulptur, sozusagen.

Das Duo Eberli/Mantel überträgt imaginäre Bilder aus Sammlungen alter Meisterwerke in das Medium der Zeichnung, die ans kulturtechnisch obsolet gewordene Schwarz-Weiss von Fotonegativen erinnern. Obsolet gemacht durch die heute in den Museen dieser Welt omnipräsente Handyfotografiererei. Der Selfie-Museumsbesucher vor Rembrandts «Nachtwache» ist eines der Sujets. Mit einer Videoarbeit, die subtil auf das Thema Überwachung im öffentlichen Raum anspielt, ist Ernst Thoma, der Ernte-Preisträger von 2016, vertreten. Andrea Heller wiederum erweckt in zwei sehr grossformatigen Tuschebildern weite Assoziationsräume mit rätselhaften Figürlichkeiten. Spannungsreiche Momentaufnahmen aus dem Schweizer Agglo-Mittelland zeigt Reto Schlatter in einer Fotoserie. Im gleichen Genre zeigt Fabian Stamm surreal wirkende Fotos aus dem luxuriösen Palast des ukrainischen Präsidenten. Voller Augenzwinkern und Originalität sind die Malerei-Serien von Fritz Sauter und Se-reina Steinemann, während Nadja Kirschgarten zwei beeindruckende Exponate aus ihrer Frauengestalten-Serie zeigt, welche auf die klassische Moderne verweist.

Unter der jüngeren Generation macht vor allem Corina Rauer neugierig mit einer Serie von 21 Miniaturaquarellen, die so fantasievoll wie zeitkritisch auf Medienschlagzeilen Bezug nimmt. Und Andrin Winteler, der eine Videoarbeit zeigt, welcher die Drohnenaufnahme einer Gesteinsformation zugrunde liegt. «Woody», eine Arbeit von Fructuoso/Wipf, stellt schliesslich in aller Deutlichkeit die für die ganze Ausstellung leitmotivische Frage: Was sehe ich? Und was trage ich selber in das Kunstwerk hinein?

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