Schulzahnklinik: Der Fall liegt bei der Staatsanwaltschaft

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Das Parlament soll mögliche Abwerbungen in der Schulzahnklinik untersuchen. Bild: zge

Die GPK des Kantonsrats verlangt eine parlamentarische Untersuchung zu den Vorfällen an der Schulzahnklinik. Auch die Staatsanwaltschaft wird aktiv: Sie ermittelt gegen Klinikmitarbeiter.

von Isabel Heusser und Zeno Geisseler

Wende in Sachen Schulzahnklinik: Ende August hatte das Schaffhauser Erziehungsdepartement bekannt gegeben, dass sich die Vorwürfe gegen einen Kieferorthopäden der Klinik, er habe Patienten in seine Privatpraxis abgeworben, nicht erhärten liessen. Die entsprechende Untersuchung dazu sei abgeschlossen. Viele Vorwürfe seien vage gewesen, sagte Erziehungsdirektor Christian Amsler damals. Nicht abgeschlossen ist die Sache für die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Kantonsrats: Sie wird dem Parlament beantragen, eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einzusetzen. Die GPK verfüge über Informationen zu mehreren Hundert Fällen von angeblicher Patientenabwerbung aus der Schulzahnklinik in Privatpraxen. Der entsprechende Antrag der GPK wurde gestern versandt. «Die Befugnisse der GPK sind nicht ausreichend, um die für eine umfassende Beurteilung vorzunehmenden Abklärungen durchführen zu können», heisst es darin. Dazu gehören die Befragung von Zeugen sowie die Akteneinsicht. Woher die Informationen zu den angeblichen Abwerbungen stammen, sagt GPK-Präsident Marcel Montanari (Jungfreisinnige) auf Anfrage der SN nicht.

Aktiv werden soll die PUK auch wegen «fahrlässiger Körperverletzung infolge medizinisch nicht notwendiger Röntgenbelastung bei Schulkindern in der Schulzahnklinik». Damit dürften auch die Röntgenbilder gemeint sein, welche bei einer Therapie mit der weichen Spange Myobrace erstellt werden. Die Anwendung von Myobrace ist in Fachkreisen umstritten, weil keine wissenschaftlichen Studien zu ihrem Nutzen vorliegen.

Verfahren gegen Klinikmitarbeiter

Kantonsratspräsident Walter Hotz (SVP, Schaffhausen) bestätigt auf Anfrage der SN den Eingang des GPK-Gesuchs zur Einsetzung einer PUK. Für die Kantonsratssitzung vom kommenden Montag werde das Geschäft noch nicht traktandiert werden, sagt Hotz, aber möglicherweise für die übernächste Sitzung am 5. November.

Wie die «Weltwoche» in ihrer heutigen Ausgabe schreibt, hat die Schaffhauser Staatsanwaltschaft zudem gegen mehrere Personen der Schulzahnklinik Strafverfahren wegen mehrerer Delikte eröffnet. Dies bestätigt der Erste Staats­anwalt Peter Sticher gegenüber den SN.

«Vielleicht ist es nicht ganz zufällig, dass der Antrag zum aktuellen Zeitpunkt kommt.»

Christian Amsler, Erziehungsdirektor und, Bundesratskandidat

Erziehungsdirektor Christian Amsler (FDP) nimmt zum Antrag der GPK schriftlich Stellung. «Ich habe Kenntnis von dieser Absicht, halte aber fest, dass ein entsprechender möglicher Antrag der GPK bei mir noch gar nicht offiziell eingegangen ist.» Er könne und wolle nicht einen politischen Umstand ausführlich kommentieren, der noch gar nicht offizialisiert sei.

«Sehr befremdend»

Die Schulzahnklinik war schon mehrmals Thema in der Politik: SVP-Kantonsrat Mariano Fioretti hatte zwei Kleine Anfragen dazu eingereicht und die Klinik darin scharf kritisiert. «Teure Behandlungen, auch solche, welche durch die IV bezahlt werden, werden von der Schulzahnklinik abgezogen, damit die Fälle in privaten Praxen behandelt werden können», hielt Fioretti unter anderem fest. Amsler schreibt nun: «Ich bedaure es sehr, dass die von uns nach bestem Wissen und Gewissen seriös beantworteten Kleinen Anfragen sowie der Bericht zu den internen Abklärungen von Mitgliedern der GPK als ungenügend oder fehlerhaft betrachtet werden», so Amsler. Und weiter: Das Erziehungsdepartement habe nachweislich auf der Basis der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die notwendigen Abklärungen getroffen und entsprechende Schlüsse daraus gezogen.

Insbesondere als sehr befremdend werde der Umstand eingeschätzt, «dass offensichtlich Mitglieder der GPK uns trotz mehrmaliger Nachfrage Informationen oder Unterlagen zu allfälligen konkreten Anhaltspunkten vorenthalten haben».

«Unterschiedliche Meinungen»

Neben den Abwerbungsversuchen soll die von der Geschäftsprüfungskommission geforderte PUK ausserdem die «fahrlässige Körperverletzung infolge medizinisch nicht notwendiger Röntgenbelastung» untersuchen. In die Kritik geraten war die Schulzahnklinik auch, weil sie mit der weichen Spange Myobrace eine umstrittene Methode zur Behandlung von Kieferproblemen bei Kindern anbietet. Zahnärzte hatten gegenüber den SN moniert, dass dafür unnötige Röntgenbilder angefertigt würden. «Die myofunktionelle Therapie ist in der Fachwelt keine fragwürdige Methode, wie ein Kantonsrat und Mitglied der GPK sagt», erklärt Amsler. Es gebe aber unterschiedliche fachliche Meinungen über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Behandlungsmethode. Der Regierungsrat wolle nicht zu solchen Fachfragen Stellung nehmen. Amsler verweist darauf, dass aktuell eine Fachgruppe von Zahnärzten aus der Schaffhauser Zahnärztegesellschaft (SSO) und aus der Schulzahnklinik daran sei, die Frage nach den genauen Einsatzmöglichkeiten dieser Therapie zu klären. «Falls angezeigt, wird der zukünftige Klinikleiter Dr. Kurt Schnepper den Einsatz der Methode neu ausrichten.»

«Hinweise ignoriert»

In einem von Fiorettis Vorstössen seien tatsächlich kritische Fragen enthalten, so Amsler. «Diese standen jedoch ohne weitere Unterlagen und Informationen im Raum.» Belege habe er auf wiederholte Anfrage nicht zur Verfügung gestellt. «Somit hatten wir die Pflicht und die Aufgabe, den Sachverhalt soweit möglich mit den Beteiligten und Betroffenen zu klären», teilt Amsler mit. Das habe man getan. Die Erkenntnisse würden in den kommenden Tagen als Antwort des Regierungsrats auf die zweite Kleine Anfrage Fioretti an den Kantonsrat übermittelt.

«Christian Amsler hat alle Hinweise, die bei ihm persönlich eingegangen sind, ­ignoriert», sagt Fioretti dazu. Und: «Es ist an der Zeit, dass er als oberster Chef der Schulzahnklinik Führungsverantwortung übernimmt.»

Amsler hält an Bundesrats-Kandidatur fest

Der Antrag der GPK kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für Christian Amsler, hat er doch letzte Woche seine Kandidatur für den frei werdenden Bundesratssitz der FDP bekannt gegeben. Ist die Forderung nach einer PUK ein Versuch, dem Erziehungsdirektor zu schaden? Amsler sagt dazu nur so viel: «Vielleicht ist es nicht ganz zufällig, dass gerade zum aktuellen Zeitpunkt dieser Antrag auf Einsetzung einer PUK kommt.» An seiner Kandidatur werde er «selbstverständlich» festhalten.

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