«Aus ermittlungstaktischen Gründen können wir nichts sagen» - Mafia in der Region

Ralph Denzel | 
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Die Mafia, vor allem die 'Ndrangheta, ist auch in der Schweiz aktiv und gut vernetzt. Wie ist die Situation in der Region - und wie geht die Polizei bei der Spurensuche vor?

In Italien klickten die Handschellen.

Der 33-jährige Francesco A., Bauarbeiter aus Schaffhausen, wurde im Jahr 2014 in Kalabrien verhaftet. Der Vorwurf: Waffenschieberei für die dortige Mafia. Der Italiener, der seit 2001 in Schaffhausen lebte und in Mafiakreisen unter dem Spitznamen «Zikade» bekannt war, war anscheinend ein unscheinbarer Zeitgenosse. Einzige Auffälligkeit war, dass er laut «Blick» immer wieder mehrere Monate in Italien verbrachte.

Der Mann wurde verhaftet, nachdem der Polizei im Zuge einer grossangelegten Aktion in Italien 20 Mitglieder der kalabrischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta ins Netz gingen. Ihre Waffen sollen sie dabei aus der Schweiz bezogen haben – von Francesco A. Erneut zum grossen Thema wurde die Mafia in der Schweiz - und auch in der Region - im Jahr 2016 wegen der Verhaftungen in Frauenfeld.

Gibt es aktuelle Zellen in der Region?

Klar ist, dass die Mafia natürlich im Verborgenen agiert. So ist es auch fast unmöglich, deutlich nachzuweisen, welche Geschäfte sie wann, wie und wo abwickelt. Ob es aktuelle Ermittlungen oder Verdachtsfälle gibt, kann dabei nicht gesagt werden. Patrick Caprez, Mediensprecher der Polizei Schaffhausen sagt dazu:«Dazu können wir aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen.» Was er jedoch sagen kann, ist, dass es immer wieder «Anfragen von ausländischen Polizeien zu einzelnen Personen» gibt. Inwiefern diese mit Mafiaorganisationen zu tun haben, erfährt dabei aber sogar die Polizei in Schaffhausen nicht: «Oftmals werden uns keine Details zu den laufenden Verfahren gegeben. Wenn die Verfahren noch am Anfang sind, wäre das auch gar nicht möglich. Sofern kein direkter Bezug zu Schaffhausen hergestellt werden kann, erfahren wir auch nicht im Nachhinein, was aus einem Fall geworden ist.»

Mafiaorganisationen gehen vorsichtig und überlegt vor. Ein Schlag wie jener gegen die Zelle in Frauenfeld 2016 ist eine Besonderheit – und brachte damals auch ins Bewusstsein, dass es in der Schweiz Mafia-Ableger geben könnte. So sagt Florian Näf, Mediensprecher der Bundespolizei, auf Anfrage: «Eindeutig bestätigt sind in der Schweiz bislang einzig stabile Strukturen der ‘Ndrangheta: das sogenannte locale von Frauenfeld, dessen Existenz vom Berufungsgericht in Reggio Calabria bestätigt worden ist.» Aber: «Es ist davon auszugehen, dass weitere Ableger aktiv sind», sagt Näf. Vor allem beunruhigend: «Nach vorliegenden Erkenntnissen sind alle Regionen der Schweiz betroffen.»

Nicht nur Francesco A. war dabei ein Fall, der eine Verbindung zur Region hatte: 2016 kam es im deutschen Luftkurort Gailingen, Nachbargemeinde von Dörflingen, Buch, Ramsen und Diessenhofen, zu einem Grosseinsatz: Rund 200 Beamte, mit Mithilfe von italienischen Ermittlern, verhafteten dort acht hochrangige Mitglieder der ‘Ndrangheta. Polizei und Staatsanwaltschaft hielten sich damals über mögliche Verbindungen bedeckt. Auch, nachdem ein Bericht des SWR damals aufdeckte, dass es laut Ermittlungen Kenntnisse über Verbindungen auf die andere Seite der Grenze gab. Laut einer Karte der italienischen Polizei gab es damals auch Verdachtsfälle in Buch. Peter Sticher, erster Staatsanwalt des Kantons Schaffhausen, sagte damals allerdings: Der Staatsanwaltschaft sei darüber nichts bekannt. 

Szene aus dem Mafiatreffen bei Frauenfeld. Das Treffen wurde heimlich gefilmt. Bild: Screenshot Carabinieri di Reggio Calabria

Francesco A. war bei einem Bauunternehmen tätig. Und auch sonst gibt es, laut Florian Näf, unterschiedlichste Bereiche, in denen Mafia-Organisationen tätig sein können: «Die Deliktsbereiche, in denen kriminelle Organisationen wie die ‘Ndrangheta tätig sind, sind sehr vielfältig. Sie reichen von Betäubungsmittelhandel über Waffenhandel bis hin zu Geldwäscherei.» In einem Bericht über die Aktivität der Mafia im Ausland sagten die italienischen Behörden:«Die ’Ndrangheta hat im Ausland Strukturen aufgebaut, welche die für Kalabrien typischen ‹locali› imitieren; mit ihren lokalen Zellen ist es der Organisation gelungen, einige Länder regelrecht zu kolonialisieren.» Darunter auch die Schweiz. «Es handelt sich um eine leise, heimliche Infiltration, die oft auch über unverdächtige Strohmänner erfolgt», so der Bericht weiter.

Auffällig werden die Mitglieder dabei meistens nicht, was die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft besonders erschwert. Mafiosi verstecken sich oft hinter einer gutbürgerlichen Fassade und treten als unauffällige Geschäftsleute mit Anzug und Krawatte auf, als Kleinunternehmer, Taxifahrer oder Pizzabäcker. So gab sich auch einer der damals in Frauenfeld verhaftete Mafiosi Raffaele A.: eher der nette Nachbar von nebenan denn der Mafioso, der derzeit eine Haftstrafe von zwölf Jahren absitzen muss.

Das Gleiche galt auch für Francesco A. Auffällig wurde er nie – bis er aufgrund einer weitreichenden Ermittlung ins Visier der italienischen Fahnder geraten war.

Kooperation mit den italienischen Behörden

Die Fahndung nach potentiellen Mitgliedern von Mafia-Angehörigen läuft meistens sehr eng mit den Kollegen in den jeweiligen Ländern ab. Florian Näf: «Die polizeiliche Kooperation mit Italien ist besonders wichtig und wurde im Kampf gegen die Mafia intensiviert.» So konnte 2017 ein Geldwäscher der ‘Ndrangheta im Tessin verhaftet werden. «Auch allgemein ist die internationale Zusammenarbeit die Grundlage für die Strafverfolgung von mafiösen Organisationen, deren Strukturen über Landesgrenzen hinweg existieren.»

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