Die Nagra beginnt mit Tiefbohrungen

Zeno Geisseler | 
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In allen drei Gebieten, die in der Auswahl für radioaktive Abfälle stehen, hat es genügend Platz im Untergrund für ein Lager. Dies haben detaillierte seismische Untersuchungen der Nagra ergeben.

Die Endlagersuche steht kurz vor der dritten und letzten Etappe. Bereits um 2022 will die Nagra bekannt geben, für welche Standorte sie um eine Rahmenbewilligung ersuchen wird. Bis es so weit ist, müssen aber noch weitere Daten gewonnen und ausgewertet werden. Gestern haben die Verantwortlichen der Nagra in Bülach über den aktuellen Stand und die nächsten Arbeiten informiert.

200 Millionen Jahre Erdgeschichte

Die Nagra ist in drei Gebieten der Nordschweiz unterwegs: erstens in Jura Ost (im Kanton Aargau westlich von Brugg), zweitens in Nördlich Lägern (auf Zürcher und Aargauer Gebiet und ganz in der Nähe der Schaffhauser Gemeinden Rüdlingen und Buchberg) und drittens in Zürich Nordost (im Zürcher Weinland, gleich südlich der Stadt Schaffhausen). In einem oder zweien dieser Gebiete dürfte der radioaktive Abfall der Schweiz dereinst gelagert werden.

Alle drei Gebiete sind in den letzten Jahren untersucht worden. Mit der 3-D-Seismik, vergleichbar mit einer Ultraschalluntersuchung beim Menschen, konnten die Geologen der Nagra ein ziemlich genaues dreidimensionales Bild des Untergrunds gewinnen. Deren wichtigste Erkenntnis: In allen drei Gebieten gibt es grundsätzlich genügend Platz für die ­Abfälle. Die Resultate der 3-D-Seismik sollen nun durch Tiefbohrungen ergänzt werden. Neben dem Opalinuston, in den das Lager gebaut werden soll, geht es dabei auch um die darüber- und darunterliegenden Gesteinsschichten.

«Wir durchbohren 200 Millionen Jahre Erdgeschichte», sagte Nagra-Projektleiter Maurus Alig gestern in Bülach. Dabei wolle man unter anderem herausfinden, wie hoch der Tongehalt der Schichten sei, wie wasserdurchlässig die Gesteine seien oder wie sie chemisch aufgebaut seien – ­alles Faktoren, die mit reinen seismischen Untersuchungen nicht messbar seien, die für die Lagerung von radioaktiven Abfällen aber zentral sind.

Für die Analysen sollen etwa handtellergrosse Bohrkerne und Gesteinsstücke entnommen und vor Ort von Geologen untersucht werden, zudem sollen in den Bohrlöchern auch Sonden platziert werden, welche während Jahrzehnten Daten liefern können.

Die Nagra hat für die Bohrungen 22 Gesuche beim Bund eingereicht, ein 23. Gesuch soll noch folgen. Tatsächlich werde aber voraussichtlich nicht so oft gebohrt werden, sagt die Nagra. Je nach Erkenntnisstand reichen auch weniger Bohrungen aus. Eine Bohrung kostet rund 15 Millionen Franken. Grundlegend neue Erkenntnisse, die dazu führen könnten, dass ein Standort aus der Auswahl fliegt, erwarten die Nagra-Experten nicht. «Wir erwarten keine Überraschungen», sagt Alig.

Eingesetzt werden zwei Bohrgeräte, ­eines ist 20 Meter hoch, das andere 30 Meter. Gestartet wird die Bohrkampagne in Bülach, ganz im Osten des Standortgebiets Nördlich Lägern. Dort wird in den Herbstferien der Bauplatz eingerichtet, Bohrbeginn ist Anfang 2019. Die Bohrung ist bewilligt für eine Tiefe bis maximal 2000 Meter unter Terrain, vorgesehen sind aber nur rund 1350 Meter. Der Opalinuston liegt dort auf etwa 865 bis 970 Metern.

Das zweite Bohrgerät kommt in Trüllikon im Standortgebiet Zürich Nordost zu stehen. Dort geht es auf etwa 1360 Meter.

Bülach «Gastgeber der Vernunft»

Die Bohrung selbst dauert etwa sechs bis neun Monate. Aus technischen Gründen wird im 24-Stunden-Betrieb gearbeitet, mit entsprechenden Lärmimmissionen. Allerdings liegen die Bohrplätze in Bülach und Trüllikon nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft von Wohngebieten. Um die Belastung gering zu halten, sollen besonders lärmintensive Arbeiten tagsüber ausgeführt werden, bei Bedarf sollen Lärmschutzwände aufgestellt und Wälle aufgeschüttet werden. Die Nagra sagt, sie werde freiwillig die strengeren Lärmvorschriften einhalten, welche für ortsfeste Anlagen gelten. Tatsächlich erlaubt wären die weniger restriktiven Auflagen für Baustellen.

Hanspeter Lienhart, Stadtrat von Bülach und Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern, reagierte zurückhaltend auf die Arbeiten. «Wenn man die grösstmögliche Sicherheit erreichen will, dann sind die Tiefbohrungen ein Schritt dazu.» Bülach sei ein «Gastgeber der Vernunft». Es könne allerdings nicht verheimlicht werden, dass niemand Freude habe an einem Tiefenlager vor der eigenen Tür.

Laut Nagra endet die Standortsuche voraussichtlich 2029 mit einem Entscheid des Bundesrats. Dieser Entscheid muss vom Parlament genehmigt werden und unterliegt dem fakultativen Referendum. Eine Volksabstimmung wäre 2031 möglich.

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