Hallen-Pleite: Der Kanton steht vor Gericht

Zeno Geisseler | 
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Die Hallen für Neue Kunst 2014. Im selben Jahr ging die Trägerstiftung wegen Überschuldung in Konkurs. Bild: S. Hoffmann

Hat der Staat seine Aufsichtspflicht bei den Hallen für Neue Kunst verletzt? Darüber müssen die Richter urteilen. Es geht um viel Geld.

Die Hallen für Neue Kunst sind tot. Die Kunstwerke sind weg, die Trägerstiftung ist bankrott. Doch an einem Ort leben die Hallen wieder auf: vor dem Richter. Derzeit läuft vor Kantonsgericht ein Verfahren, das zwei Kunstsammler angestrengt haben.

Die Kunstsammler hatten sich vor gut vier Jahren mit den Hallen darum gestritten, wem das Werk «Das Kapital Raum 1970–1977» von Joseph Beuys gehört (die SN berichteten). Ende Dezember 2013 kam das Obergericht wie zuvor bereits das Kantonsgericht zum Schluss, dass das Werk den Sammlern gehöre und nicht der Stiftung. Die Hallen mussten den Beuys herausrücken und auch die Verfahrenskosten tragen, darunter Anwaltskosten der Kläger in Höhe von 216'000 Franken. Leisten konnte sich die Stiftung dies nicht, sie ging in Konkurs. Die Kunstsammler blieben auf ihren Anwaltskosten sitzen.

Forderung: 216'000 Franken

Einfach so abschreiben wollten die Sammler dieses Geld nicht. Seit 2016 ist beim Kantonsgericht eine Klage hängig, wonach vier Parteien die 216'000 Franken plus Zins bezahlen sollen: erstens der Kanton Schaffhausen, zweitens eine Wirtschaftsprüfungsfirma, beide als ehemalige Revisionsstellen, drittens der damalige Präsident der Stiftung für neue Kunst und viertens ein ehemaliger Vertreter der Stadt Schaffhausen im Stiftungsrat. Normalerweise sind laufende Verfahren keine Angelegenheit für die Öffentlichkeit. Weil aber das Obergericht in einem Teilentscheid bereits aktiv geworden ist, ist die Sache publik geworden.

Was war passiert? Das Kantonsgericht hatte die Klage der Sammler zwar zugelassen, aber nur gegen drei der vier Parteien: gegen den früheren Stiftungspräsidenten, gegen die Wirtschaftsprüfungsfirma und gegen den Vertreter der Stadt. Auf die Klage gegen den Kanton Schaffhausen aber trat das Gericht nicht ein. Die beiden Kunstsammler wurden sogar verpflichtet, dem Kanton 30'000 Franken zu überweisen. Das aber wollten diese nicht akzeptieren. Sie erhoben gegen diese Verfügung des Kantonsgerichts Berufung an das Obergericht. Diese Instanz hatte also zu entscheiden, ob auch auf die Klage gegen den Kanton einzutreten sei.

Doch wieso gab es eigentlich eine Unklarheit darüber, ob gegen den Kanton überhaupt geklagt werden darf? Die Kernfrage ist laut Entscheid des Obergerichts, welche Rolle die Finanzkontrolle von Stadt und Kanton Schaffhausen einnahm: eine öffentlich-rechtliche oder eine gewerb­liche?

Wenn der Staat als Privater handelt

Die Finanzkontrolle war 2007 bis 2009 als Revisionsstelle der Stiftung einge­tragen. Danach übernahm die eingangs erwähnte und ebenfalls eingeklagte Wirtschaftsprüfungsfirma. Die Gegner führten nun ins Feld, die Finanzkontrolle habe als Revisionsstelle die Buchhaltung und die Jahresrechnung geprüft, und zwar im Sinne einer privatrechtlichen Tätigkeit.

Der Kanton hingegen argumentierte, diese Rolle sei eine amtliche gewesen. Und das heisse, dass es gemäss Gesetz zuerst ein Vorverfahren gebraucht hätte. Da dies nicht geschehen sei, sei auf die Klage nicht einzutreten. Im kantonalen Haftungsgesetz steht dazu in Art. 16: «Ansprüche gegen den Staat sind zunächst in einem Vorverfahren geltend zu machen.»

Für das Obergericht war aber klar: Wenn die Finanzkontrolle als Revisionsstelle ­einer privatrechtlichen Stiftung handelt, dann ist sie selbst auch in die privatrechtliche Ordnung des Stiftungsrechts eingebunden. Es sei auch kein Unterschied ersichtlich zwischen der Tätigkeit der Finanzkontrolle und jener der Wirtschaftsprüfungsfirma.

Fazit: Das Obergericht gibt den beiden Kunstsammlern recht. Sie dürfen also gegen den Kanton klagen. Dieser wiederum muss den beiden Klägern schon mal 10'000 Franken für das Berufungsverfahren überweisen.

Doch was heisst das nun für den eigentlichen Rechtsstreit? Wer bezahlt die 216'000 Franken? Darüber zu befinden, war nicht Sache des Obergerichts. Aber der Weg ist nun frei für das Kantonsgericht, um diese Frage zu klären. Sicher ist: Sollte sich zeigen, dass beim Staat grobe Fehler begangen wurden, dürfte das Urteil hohe politische Wellen schlagen.

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