In der Kasematte sitzt ein grünes Monster

Maria Gerhard | 
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Beim zweiten Anlauf hat es geklappt: Gestern fand das Munot-Kinderfest statt. Rund 750 Knaben und Mädchen konnten sich als die Herrinnen und Herren der Festung fühlen.

Es stimmt schon, die Fantasie von Kindern scheint grenzenlos und läuft auch dann noch auf Hochtouren, wenn die Knaben und Mädchen ein bisschen Angst haben: Während die Gruppe «Igeli» durch die düstere Kasematte des Munot läuft, bekommen manche der Kinder grosse Augen, die Schultern ziehen sie nach oben, den Kopf ein. Da, plötzlich, aus einem der Seitenschachte dringt ein dumpfes Geräusch herüber.

«Puh, das war ganz schön heiss da drin, und es wurde immer schwerer.»

Fabio Pletscher, durfte in diesem Jahr das , Bölle-Kostüm tragen

«Uh, was war das?», fragt Elena, einem Erwachsenen reicht sie gerade bis zum Bauch, und bleibt kurz stehen: «vielleicht eine kleine Fledermaus?» Ihr Freund Niklas weiss die Lösung: «Bestimmt ein grünes Monster.» Jan vermutet eher einen Drachen. «Wir müssen seinen Mund mit Steinen füllen, damit er nicht Feuer speien kann.» Und nun diskutieren sie so eifrig, dass die Angst vor der Dunkelheit und dem festen Mauerwerk bald vergessen ist. Im Hirschgraben wartet schon die Märchenerzählerin Jolanda Steiner auf die Kinder.

 

Vor einer Stunde haben sich die rund 750 Knaben und Mädchen auf dem Pausenhof des Schulhauses Emmersberg versammelt, um gemeinsam zum Munot zu ziehen. Der Treffpunkt war bei so viel Tumult kaum zu verfehlen: Während die Helfer die Schilder der jeweiligen Gruppe nach oben reckten, sprangen die Kinder teilweise umher, johlten aus Vorfreude, und in der Menge bewegten sich Eltern, die sich gleich verabschieden mussten. Für den Nachmittag galt nämlich: Elternfrei! Und schon ging es los. Bölle und Bock, zwei Jugendliche im Kostüm, liefen vorneweg, die Gruppen hinterher. Der Präsident des Munotvereins, Peter Uehlinger, half der Bölle auf ihrem Weg. Das Kostüm hat zwar Schlitze bei den Augen, aber sehr viel scheint man dadurch nicht sehen zu können. Schliesslich wurde die Festung «eingenommen». Bei ihrem Einzug hallten die lauten Rufe der Kinder vom Gewölbe wider. Auf der Zinne wurden sie zu ihrer ersten Station des umfangreichen Programms entsandt.

«Es ist ganz schön heiss da drin»

Zwei, die dann erst einmal Pause hatten, waren Bölle und Bock: In einem der Nebenräume befreiten sich mit etwas Hilfe Fabio Pletscher, 14 Jahre alt, und Janis Ott, 12 Jahre alt, aus ihren Kostümen. «Puh, das war ganz schön heiss da drin, und es wurde immer schwerer», sagt Pletscher, seine Stirn glänzt vom Schweiss. Draussen vor der Tür rief gerade der Beatboxer Camero in sein Mikro: «Seid ihr bereit für Rock ’n’ Roll?» Die Kinder antworteten noch lauter: «Jaaaa!» Pletscher und Ott waren früher auch unter ihnen. «Ich weiss noch, ich habe mich immer darüber gefreut, den Bölle und den Bock zu sehen», sagt Pletscher. Er habe bei Peter Uehlinger angefragt, ob er auch einmal in eines der Kostüme schlüpfen dürfe – mit Erfolg. Bei Ott war es die Mutter, sie ist im Helferteam, die ihn gefragt hat. Für seinen Auftritt als Bock hat er sich sogar eine Art Choreografie überlegt: «Mal hab ich gewunken, mal mit dem Fuss, also dem Huf, gescharrt.» Für ihren Einsatz haben die beiden einen kleinen Obolus bekommen, verdientermassen bei so viel Einsatz. «Super habt ihr das gemacht», Uehlinger klopfte den beiden anerkennend auf die Schultern.

Zum 43. Mal Helfer

Die rund 750 Knaben und Mädchen haben indes ganz anderes im Kopf: Entweder fahren sie mit dem Rhyfall-Express durch das Emmersbergquartier, tanzen auf der Munotwiese Zumba oder schauen im Inneren der Festung, geschützt hinter Vorhängen aus dünner Jute, dem Zauberer zu. Immer dabei: eine Wasserflasche.

Marie-Theres Hunziker hilft gerade einem Mädchen auf der Zinne beim Nachfüllen. Die 69-Jährige ist zum 37. Mal Helferin. «Und früher war ich natürlich auch als Kind dabei», sagt sie, «es war immer etwas Besonderes für mich.» Es hätte damals Heidelbeer- und Himbeereis vom Rohr gegeben. Das sei nichts Alltägliches gewesen. «Ausserdem hat man sich fein gemacht, Schmuck im Haar oder Tracht getragen.» Das sei in den letzten Jahren auch wieder mehr Mode. Tatsächlich tragen ein paar der Mädchen Kränze und Trachtenkleider. Hunziker wird an Dienstjahren noch übertroffen, von Rolf Buck. Er hat nun zum 43. Mal mitgeholfen. Und auch er war früher als Kind dabei: «Mir hat vor allem das Kasperlitheater gefallen.» Warum er jedes Jahr wieder mitmacht? Die Antwort: «Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn man Kinder glücklich machen kann.»

Schaute man den gut gelaunten Grüppchen so nach, die eifrig Schildern mit der Aufschrift «Güggel», «Rössli», «Häsli» oder «Papagei» folgten, schien das in Erfüllung gegangen zu sein. Daran konnte wohl auch der Regen nichts ändern, der am Abend einsetzte. «Wir haben das gut meistern können», sagte Kinderfest-Obmann Stefan Balduzzi, «ehrlich gesagt, hatten wir Angst, dass es schlimmer kommt.» Das Fest sei wegen der Wetterprognosen ja schon einmal verschoben worden. «Aber diesmal haben wir es durchgeführt, sonst wäre es das erste Mal seit 1940 gewesen, dass es komplett hätte abgesagt werden müssen.»

Einzig mit der Anzahl der Teilnehmer habe man mit mehr gerechnet: Die Erwartungen lagen bei 800 bis 900 Kindern. «Aber so war es für unsere rund 120 Helfer noch etwas leichter, sich um die Kinder zu kümmern», sagt Balduzzi.

 

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