Wie man ein kleines Paradies vermarktet

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«Schaffhausen. Das kleine Paradies». Der alte Slogan soll bereits 2019 einem neuen weichen. Bild: Selwyn Hoffmann

Der Kanton will eine neue Imagekampagne lancieren. Die Schaffhauser selber sehen auch Nachholbedarf: Sie wollen Spielplätze, Kinderbetreuung, Gratis-Parkplätze und Rheinanstoss.

von Alexa Scherrer und Kay Uehlinger

«Ganz z'usserscht usse und äne am Rhy», wo jeden Abend punkt neun Uhr das Munotglöggli läutet, wo selbst Johann Wolfgang von Goethe seinerzeit «nichts Schmachvolles und nichts Abgeschmacktes» entdeckt hatte, da liegt das Paradies - zumindest das «kleine Paradies». Diesen Slogan trug nämlich die kantonale Imagekampagne in den Jahren 2009 bis 2013. Ab nächstem Jahr und bis 2023 soll nun der Attraktivität des Kantons ein weiterer Schub verliehen und der Standort besser positioniert werden. Denn laut Wirtschaftsförderung wird Schaffhausen «von grossen Teilen der Restschweiz und den Medien fälschlicherweise als periphere Region am Rande der Schweiz mit wenig Zugkraft» wahrgenommen. Das soll sich mit einer neuen Kampagne ändern. Sie richtet sich insbesondere an Neuzuzüger aus anderen Kantonen, am liebsten Paare und junge Familien im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Die Ziele des Kantons sind also klar. Und wo sehen Schaffhauser Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur oder Sport Entwicklungspotential?

Nicht nur eine Zielgruppe ansprechen

Der ehemalige Stadtpräsident Marcel Wenger etwa findet, dass man sich darauf konzentrieren sollte, eine Kampagne über die Stärken Schaffhausens zu fahren. Junge Paare und Familien würde er hingegen nicht ausschliesslich in den Fokus stellen. «Was machen wir mit dem 50-jährigen Single, der 55-jährigen Bankerin oder dem 65-jährigen Vermögensverwalter? Lassen wir die weiterhin in Uhwiesen oder Dachsen wohnen und unsere Kulturaktivitäten geniessen oder wollen wir auch den gehobenen Mittelstand anziehen?» Letzteres gestalte sich allerdings schwierig, wenn weiterhin nur «mittelmässig gebaute Mehrfamilienhäuser wie Pilze aus dem Boden schiessen», so Wenger. Er würde Zuschüsse zu Zweitausbildungen begrüssen oder Risikokapital für Start-Ups steuerlich begünstigen, wenn sowohl Kapitalgeber als auch begünstigte natürliche Personen im Kanton wohnen. Auch steuerliche Anreize zur Schaffung von Mehr-Generationen-Häusern in Altliegenschaften würden ihm sinnvoll erscheinen. Als Slogan könnte er sich «Schaffhausen - überraschend» vorstellen.

Das Freizeitangebot stärken

Geht es nach Luciano Di Fabrizio, Geschäftsführer des Cuba Clubs, braucht Schaffhausen sowohl im Sommer als auch im Winter mehr Attraktionen für die ganze Bevölkerung. Für Autofahrer schweben ihm gebührenfreie Parkplätze am Samstag vor, für Familien mehr beschattete Spielplätze in der Innenstadt. Ein möglicher Slogan wäre für ihn «Aufbruch in die schönste Zukunft deines Lebensabschnittes». Damit das schönste Leben aber auch wirklich in Schaffhausen stattfinden würde, müsste für Di Fabrizio das Rheinufer vom Lindli bis zum Kraftwerk noch viel attraktiver werden. «Unsere Stadt grenzt an einen Fluss, der aber nicht wirklich zugänglich ist», sagt Di Fabrizio.

Zeitgemässes Wohnen und Leben

Der direkte Rheinanstoss ist Angelika Drehers grosser Traum. Die Präsidentin des Contempo-Vereins sieht aber auch grosses Potential in urbanen Wohn- und Arbeitsgebieten. Zeitgemässe Architektur, kurze Wege zwischen Arbeit und Wohnen, Gebäude, in denen nicht nur Büros sind, sondern aus deren offenen Fenstern auch mal Musik dringt. «Man stelle sich mal vor, es wäre plötzlich cool in Neuhausen oder Herblingen zu wohnen», sagt sie. Zudem vermisst sie eine Hochschule, welche es schaffen würde, Natur und Technik sowie Kunst und Geisteswissenschaften in die Stadt zu integrieren. «Ein Campus würde Leben bringen und Innovationspotential, welches die Wohn- und Standortqualität, das kulturelle Klima sowie das Image von Schaffhausen positiv beeinflusst», so Dreher. 

Zuzügler kommen irgendwann von selbst

Ständerat Thomas Minder würde den «Ein kleines Paradies»-Slogan für die neue Imagekampagne gleich beibehalten. Möglichst viele Bewohner im Kanton zu haben, hält er aber für keine nachhaltige Strategie. «Die Gleichung, je höher die Einwohnerzahl, desto grösser der individuelle Wohlstand, ist absurd», sagt er. Mit einer Imagekampagne habe er kein Problem. Er sei aber vehement dagegen, Steuergelder dafür zu verwenden. Wohnen in der Agglomeration Zürich sei jetzt schon sehr teuer. «Früher oder später stossen diese Bürger auch ohne Wohnkampagne auf unser Kleines Paradies mit teils fast unberührter Landschaft», ist sich der Politiker sicher.

Eine Mischung aus Abenteuer und Ruhe

2013 vermarktete sich Schaffhausen in einer Sonderausgabe der «Schweizer Illustrierten» mit der ehemaligen Vize-Miss-Schweiz Julia Flückiger. Fünf Jahre später sagt sie gegenüber den «Schaffhauser Nachrichten»: «Ich finde eine Imagekampagne wichtig. Junge Menschen wollen in der Regel in einer Stadt leben, welche die Balance zwischen pulsierendem Leben und entspannter Ruhe bieten kann.» Für sie seien Restaurants, Bars und Anlässe für Junge wie das Stars in Town oder der Munotball deshalb zentral.

Familien müssen mehr Unterstützung erhalten

Munotwächterin Karola Lüthi sieht eine der grossen Schaffhauser Stärken in der «irrsinnig schönen» Natur. Bei der Imagekampagne würde sie auf die vielen Naturschauplätze im Kanton setzen. Im kleinen Paradies brauche es aber dringend eine bessere Kinderbetreuung und flächendeckende Lösungen, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. «Dass Frauen zu Hause bleiben müssen, sollte mittlerweile wirklich überholt sein.»

Ehrliche Werbung beitreiben

BBZ-Direktor Ernst Schläpfer ist von der bisherigen Imagekampagne nicht überzeugt. Er findet: «Schaffhausen ist wirklich ein schöner Ort, aber mit Schaffhausen als Paradies zu werben, ist doch ein wenig zu weit hergeholt.» Die Stärke des Kantons sei ganz klar die Natur. Die Kampagne sollte sich insbesondere auf den Rhein konzentrieren. Nicht nur mit der schönen Natur und dem Rhein würde er werben, sondern auch mit anderen nennenswerten Flecken im Kanton, wie zum Beispiel der Schaffhauser Altstadt oder dem Städtchen Stein am Rhein. Sein Slogan hält sich kurz: «Wasser, Wein, Natur». 

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Kommentare (1)

Beat Rüedi-Külling Mo 30.07.2018 - 09:37

Wer eine Imagekampagne braucht, hat ein Imageproblem.

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