Der Datenschützer versinkt in Arbeit
Das Pensum des kantonalen Datenschützers ist seit 1994 unverändert geblieben. Die Anforderungen und die Datenmenge sind aber stark gewachsen. Jetzt wird eine Aufstockung des Pensums diskutiert. Oder eine Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen.
Die Computerwelt im Jahr 1994: Commodore geht bankrott. IBM bringt den ersten Laptop mit CD-Laufwerk heraus. Netscape hat gerade seinen ersten Internetbrowser veröffentlicht, Google steht noch vier Jahre vor dem Launch, und Mark Zuckerberg feiert seinen zehnten Geburtstag.
Schaffhausen im Jahr 1994: Das Stimmvolk hat das erste kantonale Datenschutzgesetz angenommen. Und der damals 31-jährige Rechtsanwalt Christoph Storrer ist zum ersten kantonalen Datenschutzbeauftragten ernannt worden. Zum ersten und zum bisher einzigen: Storrer ist bis heute im Amt. Er müsse «die Interessen abwägen zwischen den Informationsbedürfnissen der Verwaltung und den Geheimhaltungsansprüchen der Bürgerinnen und Bürger», sagte Storrer damals den SN.
Datenschutz ist Grundrechtsschutz und soll Private vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates in ihren Privatbereich schützen: An dieser Grundlage hat sich bis heute nichts geändert. Am Umfeld aber schon. Und am Datenvolumen auch. Die «Digitalisierung der Verwaltung» ist das Modewort derzeit.
Zustände wie noch vor dem Internet
Vor einem Vierteljahrhundert war der Datenverkehr zwischen Bürger und Staat noch sehr analog – die Stadt Schaffhausen hat erst seit 1998 überhaupt eine Website, der Kanton seit 1999. «Seit damals hat sich der IT-Bereich enorm weiterentwickelt», sagt Storrer. «Und diese Entwicklung soll jetzt noch forciert werden.» Aus Kostengründen sei dies zwar sicher sinnvoll, «aber mit jeder technischen Möglichkeit, Daten zu kombinieren und auszuwerten, steigt das Missbrauchspotenzial».
Dies hat wiederum Folgen für die Arbeit der kantonalen Datenschutzbeauftragten. Im Juni haben sie in einer gemeinsamen Erklärung deutlich mehr Mittel gefordert (die SN berichteten). In allen Kantonen zusammen gebe es derzeit nur 50 Stellen, nötig seien aber rund 250. Viele kantonale Datenschutzbehörden seien fachlich und finanziell so schwach dotiert, dass sie ihre Aufgaben kaum wahrnehmen könnten.
Das Kleinpensum reicht nicht mehr
Und im Kanton Schaffhausen? «Der Arbeitsanfall ist massiv gestiegen, das Pensum aber nicht», sagt Storrer. 1994 war der Datenschützer ein Job mit einem 20-Prozent-Pensum, ein Tag pro Woche Arbeit also für einen Anwalt. Heute seien es eher 30 oder 40 Prozent, sagt Storrer, und das auch nur, weil er mit seiner jahrelangen Erfahrung sehr effizient arbeite und auch nicht jede Minute gleich verrechne.
Und trotzdem bleibe viel Wünschenswertes auf der Strecke. «Ich kann zum Beispiel keine Schulungen in der Verwaltung durchführen», sagt er. Zwar sei das Bewusstsein für den Datenschutz heute auch in der Verwaltung viel grösser als früher, Lücken aber gebe es sehr wohl noch. Als etwa Thayngen jüngst beschloss, wegen Abfallsündern eine Videoüberwachung bei einer Entsorgungsstelle zu installieren, kam die Gemeinde nicht auf die Idee, die Angelegenheit vorgängig mit dem Datenschützer zu besprechen. «Dabei ist es besser, präventiv einzugreifen, als der Sache hinterherzurennen», sagt Storrer.
Doch auch dann, wenn er von Anfang an dabei ist, gibt es Limiten. Als etwa die Schaffhauser Polizei ihre Datenverarbeitung auslagerte, begleitete er den Prozess von Beginn an. «Aber das betrifft vor allem die rechtliche Seite. Idealerweise müssten die Datenschützer in so einem Fall auch ein technisches Audit durchführen, etwa um die Sicherheit der Datenverschlüsselung unter die Lupe zu nehmen. Das kann ich als Jurist nicht allein und muss nun dafür einen externen IT-Sachverständigen zur Unterstützung beiziehen.»
Beim Kanton, der das Datenschützermandat mit rund 80 000 Franken pro Jahr finanziert, hat man erkannt, dass der Datenschutz 2018 anders aussehen muss als 1994: «Wir sehen die fortschreitende Digitalisierung und die technische Entwicklung in der Datenverarbeitung als grosse Herausforderungen für den Datenschutz», sagt Volkswirtschaftsdirektor Ernst Landolt. «Die Arbeit der Datenschützer wird dadurch in erster Linie komplexer.»
150 bis 200 Stellenprozent ideal
In anderen Kantonen gebe es einen Hauptdatenschutzbeauftragten und zwei bis drei Mitarbeitende, sagt Storrer. «Ideal für Schaffhausen wären 150 bis 200 Stellenprozent, inklusive Juristen, IT-Abdeckung und Sekretariat.»
Wäre auch eine Zusammenarbeit mit Thurgau oder Zürich denkbar? Immerhin arbeitet Schaffhausen zum Beispiel beim Weinbau und bei der Energiefachstelle oder beim Labor seit Jahren erfolgreich mit anderen Kantonen zusammen. Beim Kanton überlege man sich genau diesen Schritt, sagt Regierungsrat Landolt: «Es ist zu klären, ob Schaffhausen die Ressourcen der eigenen Datenschutzstelle stärken oder vermehrt auf Kooperationen mit anderen Kantonen setzen will.»
Datenschützer Storrer sieht solche Kooperationen skeptisch. Die Zürcher Ansätze etwa seien deutlich höher als die Schaffhauser. «Und es ist ein grosser Vorteil, wenn man mit den lokalen Begebenheiten vertraut ist. Ich weiss nicht, ob es gut käme, wenn ein junger Jurist, der in Zürich sitzt, mit dem Sozialreferenten einer kleinen Schaffhauser Gemeinde eine Abklärung treffen müsste.»
Und was passiert, wenn die Kapazitäten nicht erhöht werden? «Der Staat muss glaubwürdig nachweisen können, dass er einen Missbrauch von Daten verhindern kann», sagt Storrer. «Wenn man den Datenschützern aber nur Feuerwehrkapazitäten zur Verfügung stellt, dann kann es zum Knall kommen.»
Ob der Kanton mehr Mittel für den Datenschutz zur Verfügung stellen wird, muss sich weisen. Klar ist: Der Druck ist da, und zwar auch von ausserhalb. Wenn die Schweiz weiterhin als datenschutzkonform gelten will, muss sie gewisse Bestimmungen der EU übernehmen. Dies ist für die internationale Tätigkeit der Schweizer Privatwirtschaft essenziell. Die Schweiz arbeitet derzeit an einer Revision des Datenschutzgesetzes, und auch in Schaffhausen soll bald eine Vorlage beim Kantonsrat liegen, in der dann eben unter anderem die Frage der Zusammenarbeit mit anderen Kantonen geklärt werden soll.