Hat Regierung Atom-Abstimmung verpasst?

Zeno Geisseler | 
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Der Kühlturm des Kernkraftwerks Gösgen. Aus diesem Kraftwerk kommt ein Teil der Abfälle. Bild: Key

Der Schaffhauser Regierungsrat hat im Namen des Kantons zu einem wichtigen Schritt bei der Endlagersuche Stellung genommen. Das aber, sagt Claudio Kuster, hätte er gar nicht dürfen.

Der Regierung ist möglicherweise ein Fehler passiert: Sie hat im Namen des Kantons Stellung genommen zu einem Zwischenresultat bei der Suche nach einem Lager für Atommüll, obwohl sie dazu gar nicht die Kompetenz hatte. Laut Verfassung muss sie eine solche Stellungnahme nämlich vorher dem Volk vorlegen. Dieser Ansicht ist jedenfalls der Schaffhauser Polit-Aktivist Claudio Kuster. Er hat eine entsprechende Beschwerde bei der Kantonsregierung eingereicht.

Staatskanzlei: «Kein Kommentar»

Kuster beruft sich in seiner Beschwerde auf Artikel 32 lit. f der Kantonsverfassung: «Die Stimmberechtigten entscheiden obligatorisch über die Stellungnahme des Kantons Schaffhausen zuhanden des Bundes bezüglich des Baus von Kernkraftwerken, Aufbereitungsanlagen für Kernbrennstoffe oder Lagerstätten für radioaktive Rückstände auf dem Gebiet des Kantons Schaffhausen und der angrenzenden Kantone.»

Um eine Lagerstätte geht es auch in der Vernehmlassung. Im Zentrum steht die Frage, wo ein Tiefenlager für die radioaktiven Abfälle gebaut werden soll, und da sind mit den Gebieten Zürich Nordost (beim Rheinfall) und Nördlich Lägern (westlich von Buchberg) zwei Standorte im Kanton Zürich in der engeren Auswahl.

Warum aber hat die Regierung ihre Stellungnahme nicht dem Volk vorgelegt? Die Staatskanzlei wollte sich gestern nicht zu dieser Frage äussern, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Sie bestätigte nur den Eingang der Beschwerde.

Klar ist, dass die Regierung auch in früheren ähnlichen Fällen nie das Volk befragte. Weder im Jahr 2008 («Stellungnahme des Regierungsrats zu den Standortvorschlägen der Nagra») noch im Jahr 2010 («Vernehmlassungsantwort der Regierung an das BFE zur 1. Etappe des Sachplanverfahrens») gab es Volksabstimmungen. Dabei war damals mit dem Südranden ein Standort im Kanton selbst im Gespräch.

Ein Urnengang wäre im Sinne des 1978 eingeführten Verfassungsartikels gewesen, wie aus der damaligen Abstimmungsempfehlung der SN hervorgeht: «Bislang formulierte der Regierungsrat seine Stellungnahmen in Atomsachen (...) im stillen Kämmerlein. Mit der Annahme des Gegenvorschlages erhält der Stimmbürger Kenntnis von den regierungsrätlichen Stellungnahmen (...) und er muss diesen Stellungnahmen auch zustimmen.»

Um leichte Kost handelt es sich bei der Vernehmlassung allerdings nicht. Forderung Nummer 16 etwa handelt von der «Identifikation der genauen Tiefenlage aller nachpaläozoischen Einheiten sowie deren Mächtigkeit und Qualität». Können die Stimmbürger da tatsächlich entscheiden, ob diese Einschätzung richtig ist?

Kuster findet, schon. Und er beruft sich dabei auf den Kanton Jura, der ein ähnliches Gesetz wie Schaffhausen kennt. Das jurassische Stimmvolk stimmte im März über die Vernehmlassungsantwort ab. Die Regierung legte allerdings nicht einfach die Vernehmlassungsantwort vor, sondern reduzierte sie auf zwei Kernfragen: 1. Akzeptieren Sie, dass das Standortgebiet Jura Ost weiter untersucht wird? 2. Akzeptieren Sie, dass das Standortgebiet Jura Südfuss nicht weiter untersucht wird? Das Volk sagte zur ersten Frage Nein, zur zweiten Ja. Auch der Kanton Nidwalden kennt einen ähnlichen Verfassungsartikel wie Schaffhausen und Jura. Dort stimmt das Volk am 10. Juni ab. Die Abstimmungsfrage lautet: «Wollen Sie dem Beschluss über die Verabschiedung der Vernehmlassung des Regierungsrats an den Bundesrat zur Etappe 2 des Sachplanverfahrens geologische Tiefenlager zustimmen?».

Auch wenn Kusters Beschwerde durchkommt, wird Schaffhausen nicht mehr über die gleiche Frage abstimmen können. Er hofft aber, dass das Volk wenigstens in künftigen Atom-Vernehmlassungen das letzte Wort haben wird.

 

 

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