Belgische Hummeln auf heimischen Blüten

Maria Gerhard | 
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Diese Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) wurde aus Belgien importiert, damit sie auf hiesigen Plantagen die Apfelblüten bestäubt. Bilder: Michael Kessler

Bienen- und Hummelimporte haben in den letzten Jahren zugenommen. Auch der Uhwieser Obstbauer Erik Eichenberger bezieht seine Hummeln aus Belgien. Pro Natura warnt jedoch vor Krankheiten.

Erik Eichenberger klopft mit der flachen Hand sachte auf eine weisse Kiste, die mitten in seiner Apfelplantage bei Uhwiesen steht: Sofort dringt ein feines Brummen aus dem Inneren, das lauter und lauter wird. Aus einer kleinen Öffnung an der Längsseite der Kiste krabbeln ein paar dicke Hummeln ins Freie. Dabei handelt es sich um Dunkle Erdhummeln, die in Europa am häufigsten vorkommende und auch grösste Art der Hummeln. Wobei diese Tiere aus Belgien stammen, wo sie vor allem auf den grossen Tomatenkulturen eingesetzt werden. Die Insekten werden dafür in grossem Stil gezüchtet. Ein Teil wird jeweils im Schwarm in Kisten verpackt und mit etwas Reiseproviant versorgt in diverse Länder verschickt. «Wir stellen die Kisten dann auf und warten ein paar Tage, bis sich die Hummeln akklimatisiert haben», sagt Eichenberger. «Dann öffnen wir die Klappen und stoppen die Futterzufuhr – eine Pollenlösung – in den Kästen, damit sie gezwungen sind, hinaus auf die Blüten zu fliegen.»

Nieselregen ist kein Problem

Warum er Hummeln nimmt und keine Bienen? «Weil sie einfach ein grösseres Flugfenster haben», sagt Eichenberger. Sie würden schon ab 10 Grad zu arbeiten beginnen, Bienen hingegen erst bei 12 bis 13 Grad. Was soviel bedeutet wie: Hummeln stehen früher auf und gehen später zu Bett. Und auch Nieselregen würde ihnen weniger ausmachen. Ideale Arbeiter also. Seit etwa sieben Jahren werden daher Hummeln auf dem Obstbaubetrieb der ­Familie Eichenberger eingesetzt, um ­Millionen von Blüten, hauptsächlich von Strauchbeeren und Apfel- wie Birnbäumen, zu bestäuben. Günstig sei das nicht, sagt der Obstbauer: «Wir brauchen 16 bis 17 Kisten, eine davon kostet um die 500 Franken.»

Alle bereits ausgeflogen: Erik Eichenberger inspiziert eine der Hummelkisten.

Vom Ertrag her würde es sich aber letztlich auszahlen. Anderen Obstbauern würden mit heimischen Imkern kooperieren, damit diese ihre Kästen in der Nähe ihrer Felder aufstellen. Letztlich seien deren Völker aber oft zu klein, um alles abdecken zu können. Und sich ­allein auf Bienen und Hummeln in der freien Natur zu verlassen, sei für ein Unternehmen das jährlich auf gute Ernte angewiesen ist, etwas unsicher. «In diesem Jahr zum Beispiel waren die Bestäuber mit den vielen Blüten regelrecht überfordert», sagt Eichenberger. Die Rapsblüte kam zur selben Zeit wie die Obstblüte, dementsprechend haben sich die heimischen Bienen und Hummeln verteilt.

Eingeschleppte Krankheiten

Ausländische Bestäuber zu importieren wird jedoch teils sehr kritisch gesehen. So warnt die Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte davor, vor allem sogenannte «Paketbienen» aus dem Ausland zu bestellen. Parasiten könnten dabei eingeschleppt werden und hiesige Völker befallen. Auch Pro Natura Schaffhausen warnt davor: So sei laut Benjamin Waibel der Kleine Beutenkäfer, der, wenn er in Massen auftritt, ein ganzes Bienenvolk innerhalb kürzester Zeit vernichten kann, zwar noch nicht in der Schweiz aufgetreten, aber dafür stellenweise in Italien. Auch von dort würden Bienen und Hummeln importiert. «Bei vielen Imkern ist die Vorgehensweise geächtet», sagt er. Tatsächlich haben Imkerverbände vereinbart, dass in Bienenzeitungen keine Insterate für Paketbienen aus dem Ausland publiziert werden.

Eichenberger kennt die Bedenken, auch bei Hummelvölkern, doch er verlässt sich darauf, dass die Firma Andermatt Biocontrol, von der er seine Insekten bezieht, die entsprechenden Kontrollmechanismen durchlaufen muss. Das Unternehmen, es vertreibt hauptsächlich biologische Pflanzenschutzlösungen, bekommt, was die Hummlen betrifft, Anfragen aus der ganzen Schweiz. Es hat seinen Sitz im Kanton Luzern. Auf Anfrage dort erklärt Bereichsleiter Martin Günter: «Jede Lieferung aus Belgien muss von einem Zertifikat begleitet werden, welches die Gesundheit der Völker bestätigt.» Letzteres würde vom Veterinärdienst in Belgien ausgestellt. «Ist das nicht gegeben, können wir sie nicht einführen», sagt Günter.

Problematisch wird es vor allem jedoch dann, wenn Geschäfte gemacht werden, die an den Behörden vorbeilaufen. So hat der Zoll vor einigen Jahren im Raum Rafz einen Mann aufgegriffen, der eine ungewöhnliche Fracht geladen hatte: einen ­Bienenschwarm. Was er nicht dabei hatte, waren entsprechende Dokumente, die belegten, dass der Schwarm gesund war. Der Mann gab an, er hätte die Bienen von einem Händler auf der deutschen Seite gekauft. Die Zollbeamten landeten daraufhin weitere Treffer und entdeckten rund 80 Bienenvölker, die von einem halben Dutzend Imkern ins Land geschmuggelt worden waren. Sie hatten sich alle beim gleichen Imker bedient. Dieser hatte die Bienen in die Nähe der Grenze gekarrt. Per SMS lotste er die Käufer zu seinem Standort.

Letztlich mussten alle 80 Völker von der Grenzwacht vernichtet werden. Die Gefahr, dass die Bienen Krankheitskeime einschleppen würden, sei zu gross. Die Tiere kamen wahrscheinlich aus Sizilien.

Von der Tellerwäscherin zur Sammelbiene

Das Museum zu Allerheiligen hat wieder einen Bienenschaukasten aufgestellt. Dort erfährt man auch, warum man in Anwesenheit von Bienen nicht fluchen sollte und warum die Bienen unentbehrlich sind.

Ein Blick in den Schaukasten, wo die Arbeitsbienen fleissig am Werk sind. Bild: Urs Weibel

Von Kim Lenherr

Seit Anfang Mai ist das Museum zu Allerheiligen um einige Tausend Exponate reicher: Die Abteilung Natur bietet einem Bienenvolk aus Uhwiesen ein temporäres Zuhause. Die Bienen gelangen aus dem Schaukasten über ein Kunststoffrohr mit einem Einflugloch in die Baumgartenstrasse und sammeln unter anderem im ­Mosergarten, auf Dachgärten oder im Kräutergarten des Museums ihren Nektar und Pollen. Vollgepackt kehren sie wieder zurück in den Bienenstock und signalisieren dort ihren Artgenossen mit einem Rund- oder Schwänzeltanz, wo sie die betreffenden Blüten vorfinden.

Die Königin sorgt für Nachwuchs

Zurzeit krabbeln in dem Schaukasten etwa 5000 Bienen rum, das ist nur ein Zehntel eines herkömmlichen ­Bienenvolkes. Doch im Sommer werden es immer mehr, die Bienenkönigin legt zwischen Mai und Juni bis zu 2000 Eier am Tag. Eine Arbeitsbiene lebt im Sommer kaum sechs Wochen. Nur jene Bienen, die im Spätsommer schlüpfen, leben ein halbes Jahr, nämlich bis zum Frühling des darauffolgenden Jahres. Die männlichen Bienen, die sogenannten Drohen, leben etwa 20 bis 50 Tage. Sie werden im Bienenstaat nur für kurze Zeit benötigt, nämlich zur Begattung der Jungköniginnen. Unmittelbar danach, noch im sogenannten Hochzeitsflug, sterben sie. Wenn alle Jungköniginnen versorgt sind, also spätestens im August, findet die sogenannte Drohnenschlacht statt: Die Drohnen werden gnadenlos aus dem Stock vertrieben. «Das Bienenvolk duldet im Winter keine unnützen Fresser», erzählt Urs Weibel, Kurator der Abteilung Natur und Umweltnaturwissenschafter. Die Königin selber wird drei bis fünf Jahre alt. Sie sorgt für Nachwuchs und ist die zentrale Instanz des Bienenvolkes.

Faszinierende Organisation

Wie der Name schon sagt, sind die Arbeitsbienen für alle Jobs zuständig: Sie regulieren die Temperatur im Bienenstock, sammeln Nektar und bauen Honigwaben. Das ist jedoch längst nicht alles. Nachdem eine Arbeitsbiene geschlüpft ist, beginnt normalerweise ihre «Tellerwäscherkarriere», sie arbeitet zuerst im Stock als Putzfrau, Wachsproduzentin, Baumeisterin, Klima- oder Tankstellenbiene. Die Tankstellenbiene füttert die Heizerbienen. Nachdem sie sozusagen alle Hausaufgaben erledigt hat, wird sie zur Wächterbiene, Pfadfinderbiene und Sammelbiene, alles in einer Person. Es braucht aber auch die «Stand-by»-Bienen, die stillen ­Reserven, die je nach Bedarf Funktionen übernehmen können. «Es ist jedes Mal wieder faszinierend, zu beobachten und sich zu vergegenwärtigen, wie sich das Bienenvolk selber organisiert», so Weibel.

Eine grosse Bedrohung der Bienen sind Pestizide, Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Neonikotinoide, die etwa auf Rapssaat und beim Anbau von Kirschen, Äpfeln oder Gurken angewendet wurden. Seit Ende April aber hat ein ­EU-Ausschuss den Einsatz von drei Pflanzenschutzmittel auf Neonikoti­noid­-Basis verboten. Bereits bei einer niedrigen Dosierung können die Giftstoffe Insekten lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit der Bienen beeinträchtigen. Ausserdem zeigten Schweizer Forscher, dass bestimmte ­Sorten dieser synthetisch hergestellten Wirkstoffe die Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen verringern und deren Lebensspanne senken. Neben Krankheiten und Parasiten wie der Varroamilbe ist der Verlust an naturnahen Lebensräumen eine weitere Bedrohung.

Wichtig fürs Gleichgewicht

«In unserer immer mehr zersiedelten und intensiv genutzten Landschaft fehlt das Blütenangebot. Dies betrifft vor ­allem auch die Wildbienen, die ebenfalls wichtig für die Bestäubung sind», sagt Weibel. Die Gesundheit der Bienen ist unentbehrlich, denn sie betrifft Artenvielfalt, Lebensmittelproduktion und Umwelt. Nur wenn es gelingt, die Vielfalt unserer Flora zu erhalten, ist für viele Lebewesen die Nahrungsgrundlage gesichert.

Die Imker leisten also einen Beitrag zur Wahrung des Gleichgewichts von Flora und Fauna. Weibel selbst spielt immer mal wieder mit dem Gedanken, als Imker tätig zu werden. «Aber die Zeit hält mich davon ab. Wenn man imkert, muss man es engagiert und verantwortungsvoll machen und sich bewusst sein, dass einem oft das Bienenvolk die anfallenden Aufgaben diktiert, egal welche Termine sonst in der Agenda ­stehen», sagt Weibel. Die Tiere sind also recht anspruchsvoll. So heisse es auch, man solle in Anwesenheit der Bienen nicht fluchen, denn sie würden die Aggression spüren. Ausserdem mag das Bienenvolk auch keine ­unerwünschten Gäste. Weibel berichtete von einem Ausflug zu einer Imkerei. Bevor er das Bienenhaus betreten hatte, roch die Wächterbiene das fremde Blut und flog genau auf Weibel zu, der einen schmerzhaften Stich davontrug.

Aktiv mithelfen

Der Schaukasten wurde auch schon in den letzten Jahren installiert. Damit trägt das Museum zu ­Allerheiligen seinen Teil dazu bei, das Bewusstsein für das faszinierende Leben der Honigbienen, und damit natürlich auch der Wildbienen, ihre Bedeutung und ihre Bedrohungen, zu vermitteln. So wird dort auch Honig von einheimischen Imkern verkauft. Weibel nennt aber auch noch andere Möglichkeiten, wie man aktiv Honig- und Wildbienen unterstützen kann: etwa auf Balkonen und in Gärten ein genügend grosses Blütenangebot schaffen, bienenfreundliche Lebensmittel bevorzugen, auf Pestizide verzichten und Nistmöglichkeiten für Wildbienen bieten.

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