Drei Regierungsräte im Abstimmungskampf

Mark Liebenberg | 
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Regierungsmitglieder Stamm Hurter, Landolt und Kessler (v. l.) am Mittwoch im Haus der Wirtschaft. Bild: Luisa Kehl

Gleich drei Regierungsmitglieder werben in einer Informationstour an vier Orten im Kanton für ein Ja bei der 105-Millionen-Abstimmung. Das passt nicht allen.

Wie schon vor rund drei Jahren bei der Abstimmung über die Spitalliegenschaften, tingeln auch vor der Abstimmung über die Kredite für das Polizei- und Sicherheitszentrum (93,3 Mio. Franken) und das Stras­senverkehrsamt (11,9 Mio. Franken) Mitglieder der Kantonsregierung durchs Land, um für die Abstimmungsvorlagen zu werben. Die Informationsveranstaltungen führten Regierungsrätin und Polizeichefin Cornelia Stamm Hurter und die Regierungsräte Ernst Landolt (Justiz) und Martin Kessler (Baudirektor) diese Woche nach Neunkirch und in die Stadt. Nächste Woche reist das Trio samt Chefbeamten nach Thayngen und nach Stein am Rhein.

Was für die einen eine legitime Informationsoffensive ist, ist für den anderen Stimmenfang. Für Kantonsratspräsident Walter Hotz (SVP) ist die Sache klar: «Das ist mangelnde Fairness im Abstimmungskampf!» Er finde es bedenklich, wenn «unsere bürgerlichen Regierungsmitglieder» ihre Stellung ausnutzten. «Ich erwarte von ihnen, dass sie auf diese billige Behördenpropa­ganda verzichten», so Hotz. Stossend sei ferner, dass man hier mit staatlichen Ressourcen im Abstimmungskampf interveniere. «Es zeigt sich wieder einmal: Die kantonale Verwaltung hat vorige Arbeitskapazitäten.» Der Leiter des Gegenkomitees, Grossstadtrat Michael Mundt (JSVP) echauffiert sich ebenfalls: «Das zeigt wieder einmal null Fingerspitzengefühl.» Er frage sich, wieso die Regierung gezielt in den ­Abstimmungskampf eingreift. «Haben sie doch Angst, dass die Vorlage Schiffbruch erleiden wird?»

Die Meinungen gehen auseinander

Heikel findet die Auftritte auch Polit­sekretär Claudio Kuster. «Und noch heikler ist, dass dafür Inserate geschaltet werden.» In der Regel solle sich das zuständige Regierungsmitglied für die Vorlage einsetzen, diese Regel werde hier gebrochen. «Drei von fünf Regierungsräten ist doch ein ­völliger Overkill!» Die Willensbildung solle den politischen, gesellschaftlichen, privaten Kräften vorbehalten sein. Es komme aber auf den Charakter der Veranstaltung selber an, ob es zu einer reinen «Propaganda­veranstaltung» ausarte. «Ich werde das im Auge behalten und eine solche Veranstaltung besuchen.»

Es gibt aber auch andere Stimmen. «Jeder ist ja frei, an diese Veranstaltung zu gehen, auch um etwa kritische Fragen zu stellen», sagt Kantonsrat Kurt Zubler (SP). «Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Regierungsmitglieder bei einer Sachvorlage Red und Antwort stehen.» Was nicht sein dürfe, dass die Regierung eine eigentliche Kampagne mache und dafür Geld ausgebe. Ähnlich sieht es Ratskollegin Regula Widmer (GLP): «Ich halte es für legitim, dass die Regierung zeigt, dass ihr das Geschäft am Herzen liegt.» Besonders im aktuellen Abstimmungskampf: «Die Gegnerschaft operiert mit Begriffen und Zahlen, die polemisch und situativ eingesetzt werden.»

«Drei von fünf Regierungsräten – das ist doch ein totaler Overkill!»

Claudio Kuster, Politbeobachter

Auch AL-Kantonsrat Matthias Frick findet wenig Einwände. «Es handelt sich um ein von der Regierung beantragtes und vom Kantonsrat beschlossenes Geschäft.» Stossend fände er es dann, wenn ein Regierungsrat sich übermässig für etwas einsetzen würde, wogegen sich eine Mehrheit seiner Partei stellt. «Ansonsten ist persönliches Engagement ja nichts Schlechtes …» Die Alternative Liste war 2015 als einzige Partei gegen die Spitalvorlage angetreten, als Regierungsrätin Ursula Hafner Wipf mit dem Spitaldirektor in einer «Informationstour» durch den Kanton gereist war.

Wenig Verständnis bringt Mariano Fioretti (SVP) entgegen. In einer kleinen Anfrage wirft er den Regierungsrat vor, er greife «direkt und mehr oder weniger unverblümt in das Abstimmungsgeschehen ein.»

Die Regierung verteidigt ihr Vorgehen. Staatsschreiber Stefan Bilger erklärt, diese dürfe nach allen geltenden Regeln sachlich und objektiv über eine Vorlage informieren, auch im Rahmen von Informationsveranstaltungen, wenn es die Bedeutung der Vorlage rechtfertige. «In der Dimension geht es hier um historische Vorlagen von grosser baulicher Komplexität. Noch nie zuvor hatten die Stimmberechtigten über so hohe Kreditvorlagen abzustimmen», sagt Bilger. Vor diesem Hintergrund rechtfertige es sich, dass die Regierung aus erster Hand im Rahmen einer Veranstaltung informiere. «Und auch kritische Fragen beantworten muss.»

Und noch mehr legitimiert sieht sich die Regierung angesichts der Gegenkampagne. Bilger: «Der Abstimmungskampf wird teilweise mit objektiv falschen, be­ziehungsweise irreführenden Plakaten und Behauptungen geführt. Es geht beim Kredit für das PSZ nicht nur um ein Gefängnis, und zweitens ist die Kredithöhe nicht 100 Mio. Franken, sondern 93,35 Mio. Franken.» Genau rechnet die Regierung auch bei den Kosten für ihre «Roadshow». Die externen Kosten aller vier Veranstaltungen, inklusive Inserate, belaufen sich laut Staatskanzlei auf knapp 5600 Franken.

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