Eine Viertagesfliege bringt die Mühlenstrasse zum Brummen

Der Pop-up-Club Quartier empfing am Eröffnungswochenende Hunderte von Besuchern. Lange bleiben seine Pforten nicht geöffnet.
Sechs wichtige Fragen zum Phänomen Pop-up-Gastronomie in Schaffhausen
Zu den Rahmenbedingungen der Pop-up-Clubs (im Fachjargon «Gelegenheitsanlass mit Gelegenheitsbewilligung») gaben Romeo Bettini von der Stadtpolizei und Christian Wagner von der Gewerbepolizei Auskunft.
1) Ist das Lokal Quartier ein Einzelfall, oder gibt es in Schaffhausen ähnliche Pop-up-Lokale?
Die «Bockalp» ist ein Beispiel, welche auch mit einer Gelegenheitsbewilligung arbeitete. Die «Chupiteria» in der Safrangasse ist zwar ebenfalls ein Pop-up-Lokal, wegen der längeren Laufzeit erhielt es jedoch eine Dauerbewilligung. Zudem gibt es noch das Restaurant Volta oder Veranstaltungen in den ehemaligen Hallen für Neue Kunst.
2) Ist das Pop-up-Konzept ein neues Phänomen?
Pop-up-Konzepte sind relativ neu und momentan offensichtlich sehr hip und angesagt. Sie sind für Veranstalter vermutlich deshalb so attraktiv, da keine langfristigen Mietverträge eingegangen werden müssen.
3) Welche Anforderungen muss ein Lokal erfüllen, um einen Pop-up-Club zu eröffnen?
Prinzipiell muss ein Pop-up die gleichen Bestimmungen wie jeder normale Gastgewerbebetrieb einhalten. Weitere Stellen, wie etwa die Feuerpolizei, stellen ihrerseits zusätzliche Bedingungen. Der Anlass muss zeitlich eng begrenzt sein und darf sich während eines Jahres nicht regelmässig wiederholen.
4) Wird bei der Vergabe auch darauf geachtet, dass umliegende Bars, Restaurants und Clubs nicht konkurrenziert werden?
Wir achten darauf, dass die Veranstalter sich nach Möglichkeit mit den angrenzenden Nutzern absprechen. Es ist jedoch nicht unsere Aufgabe, die freie Marktwirtschaft zu regulieren.
5) Gibt es Reklamationen wegen aktueller oder ehemaliger Pop-ups?
Gegen die «Bockalp» auf öffentlichem Grund sowie gegen die in privaten Liegenschaften organisierten Pop-up-Lokale gab es bei uns keine Beschwerden. Pop-up-Lokale auf privatem Grund sind mit dem Liegenschaftsbesitzer beziehungsweise dem Vermieter abgesprochen. Ob hier eine Einsprache möglich ist, ist eine rechtliche Frage.
6) Sind Pop-ups für die Behörden eine positive Erscheinung?
Die Stadtpolizei achtet in erster Linie auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die korrekte Umsetzung der Rahmenbedingungen. Wir freuen uns über alle Bemühungen, die Stadt attraktiver zu machen. Uns ist es ein Anliegen, dass in der Altstadt ein guter Mix zwischen attraktivem Nachtleben, Wohnen und Einkaufen besteht. Interview: Hermann-Luc Hardmeier
von Hermann-Luc Hardmeier
«Heute brennt es am Rhein», freut sich ein Besucher in der Schlange vor dem Club. Es ist halb zwei Uhr morgens an der Mühlenstrasse 26, und die Party im neuen Lokal ist in vollem Gange. Die Scheinwerfer blinken, der Gerstensaft sprudelt, und die Füsse tanzen um die Wette. Der Münchner DJ Remake hat soeben das Mischpult erobert und heizt die Hip-Hop-Bässe durch die Boxen. Normalerweise ist an dieser Adresse vis-à-vis des Kraftwerks nicht viel los. Doch für vier Wochen ist im ehemaligen Bürogebäude Rambazamba angesagt. Tobias Hunziker und Sebastian «Seba» Waldmeier von Eventmodus haben ein Pop-up-Lokal eröffnet.
Der Traum vom eigenen Club
Jeder kennt im Internetbrowser die Pop-up-Werbefenster, die kurz erscheinen und im Bruchteil einer Sekunde weggeklickt werden können. Ganz ähnlich funktioniert das kulturelle Pop-up-Konzept. Auf dem Herrenacker gab es zur Weihnachtszeit das Restaurant Bockalp und in den ehemaligen Hallen für Neue Kunst eine Indoor-Minigolfanlage. Beides war knapp einen Monat lang geöffnet – und dann wieder weg. Nun gibt es in den Hallen am Rhein das Lokal Quartier. Auch hier ist die Lebensdauer auf vier Veranstaltungen beschränkt.
«Es war schon immer unser Traum, einen eigenen Club zu haben.»
Sebastian «Seba» Waldmeier, Organisator «Quartier»
«Uns fasziniert dieses Konzept», sagt Sebastian Waldmeier. Zusammen mit seinem Geschäftspartner hat er das Lindlifest, den Summerdream, das Schaffhauser Streetfoodfestival und weitere Events auf die Beine gestellt. Sie haben sich auf kreative Konzepte an untypischen Orten, sogenannten «Off-Locations», spezialisiert. Und somit war das aktuelle Pop-up-Projekt der nächste logische Schritt: «Es war schon immer unser Traum, einen eigenen Club zu haben.»
Konkurrenz belebt das Geschäft
An der «Bockalp» hatten nicht alle «regulären» Restaurants Freude. Und was im kulinarischen Sektor gilt, könnte auch bei den Tanztempelbesitzern für Missmut sorgen. Ein neuer Club, der den gestandenen Lokalen Konkurrenz macht, ist das nicht ein Problem? Vor allem darum, weil die Besucherzahlen im Schaffhauser Ausgangsleben rückläufig sind? «Ja, Pop-up scheint das Modewort des Jahres zu sein», meint Metin Demiral vom «Orient». «Grundsätzlich entscheidet das Publikum, welche Veranstaltungen erfolgreich sind.» Er erzählt, dass er mit den Initianten des Quartiers in Kontakt stand und die musikalische Nähe der Events zum «Orient»-Programm eher als Kompliment statt als Konkurrenz sehe. Und: Mit dem Intersity-Festival hat das Orient seit 12 Jahren für einen Tag im Jahr eigentlich selber ein kleines erfolgreiches Pop-up. Dort «beliefert» Metin Demiral mit seinem Team die Clubs mit DJs und einem einheitlichen Konzept. Auch Sebastian Waldmeier bestätigt, dass er sich mit Lokalen wie der Kammgarn und dem «Orient» abgestimmt habe. «Es waren freundschaftliche Gespräche, und sie nahmen es sportlich.» Die Macher des Pop-up-Clubs sind der Meinung, dass ihre Viertagesfliege keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung für das Schaffhauser Kulturleben darstellt. «Wenn viel läuft in der Stadt, zieht das viele Partygäste an. Davon profitieren alle Lokale», führt er weiter aus.
Finanzielles Risiko, lange To-do-Liste
Trotz der positiven Grundeinstellung ist für die Initianten das Pop-up nicht einfach alles Spass und Klamauk. «Mit einem so grossen Projekt gehen wir ein finanzielles Risiko ein», erklärt Sebastian Waldmeier. Die zwei Organisatoren leben seit mehreren Jahren vom Eventbusiness und haben lange kalkuliert, ob sie das Projekt realisieren wollen. «Viele Leute haben falsche Vorstellungen von einem Pop-up. Wir mieten nicht einfach einen Raum, eine Soundanlage und drucken 200 Flyer», erklärt Tobias Hunziker. «Wir planen für das ‹Quartier› seit einem halben Jahr, sind seit einem Monat jeden Tag vor Ort am Umbauen und haben zehnseitige Check- und To-do-Listen, welche wir abarbeiten.» Natürlich gilt es auch, die Lärmschutzbedürfnisse der Nachbarn und die Anforderungen der Feuerpolizei einzuhalten (siehe nebenan). Nach diesem Stress freuten sich die zwei umso mehr über den gelungenen Start am Samstagabend. Hunderte von Gästen feierten ausgelassen. «Das ist grossartig und motiviert uns, auch unsere weiteren 1000 Ideen umzusetzen», schwärmte Sebastian Waldmeier am Eröffnungsabend. Aber eines stellte Tobias Hunziker klar: «Einen permanenten Club betreiben möchten wir eher nicht. Das Neuartige einer Pop-up-Location reizt uns einfach mehr.»