Verspätungen wegen Stromknappheit

Dario Muffler | 
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n Backofenbesitzer sollten zurzeit nicht an ihren Uhren drehen. Bild: Pixabay

Backofenuhren benützen die Frequenz des Stromnetzes, um die richtige Zeit anzuzeigen. Weil zurzeit europaweit ein Stromengpass besteht, gehen auch in Schaffhausen zahlreiche Uhren nach.

Schaffhausen.Sie haben in letzter Zeit einmal den Bus verpasst, weil Ihr Radiowecker der Zeit hinterherlief? Dann können Sie die Schuld vielleicht der Energieknappheit im europäischen Stromnetz in die Schuhe schieben. Klingt weit hergeholt? Mag sein, aber ein Stromdefizit, das seit Mitte Januar besteht, ist tatsächlich der Grund dafür, dass zahlreiche Uhren an Backöfen und Mikrowellen gegenüber der offiziellen Zeit nachgehen.

Ursprung auf dem Balkan

Wie kommt das? Die elektrische Energieversorgung wird in Europa mittels Wechselstrom bei einer Frequenz von 50 Hertz, also 50 Schwingungen pro Sekunde, sichergestellt. Diese Frequenz bleibt immer etwa in diesem Bereich, sofern sich die Stromproduktion und der -verbrauch ausgleichen. Seit Mitte Januar besteht im europaweiten Netz aber eine Stromknappheit. Grund dafür ist, dass Serbien und Kosovo ihre Stromnetze nicht ausgleichen konnten, wie der europäische Verband der Übertragungsnetzbetreiber Entso-E am Dienstag mitteilte. Das führte zu einem Defizit auf dem ganzen Netzkontrollgebiet Serbien, Mazedonien und Montenegro. Das wirkt sich wiederum auf das gesamte europäische Netz aus.

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Minuten beträgt derzeit etwa das Defizit, das Backofenuhren aufgrund der Stromknappheit und der daraus resultierenden tieferen Spannung im europäischen Netz haben.

Wenn der Verbrauch nun höher ist als die Produktion, dann sinkt die Frequenz. Und seit Mitte Januar war sie oft unter den üblichen 50 Hertz. Die bereits genannten Radiowecker und Uhren an Backöfen nutzen diese Frequenz als Taktgeber. Sie gehen nach der sogenannten Netzzeit, wo 50 Schwingungen immer eine Netzsekunde sind. Da die Frequenz konstant tiefer war, kam es seit Mitte Januar zu einer Netzzeitabweichung von rund 345 Sekunden. Inzwischen gehen die Uhren also sechs Minuten nach – nicht nur in der Schweiz, sondern in zahlreichen Ländern. Markus Niedrist, Leiter der Sparte Netz beim EKS, sagt: «Das sind günstig gemachte Uhren, teurere Modelle sind über einen eigenen Quarzoszillator getaktet.»

«Nicht an der Uhr drehen»

Das EKS seinerseits kann nichts an der aktuellen Situation ändern. «Wir regeln nicht die Frequenz, sondern nur die Spannung in unserem Netz», sagt Niedrist. Aber auch alle betroffenen Backofenbesitzer sollten zurzeit nicht an ihren Uhren drehen. Auf ein Vorstellen kann verzichtet werden, erklärt Niedrist. «Das regelt sich mit der Zeit wieder selbst», sagt er. Wer seine Uhren jetzt also sechs Minuten vorstellt, muss sie irgendwann in der nächsten Zeit wieder zurückstellen.

Ausser, dass die frequenzgetakteten Uhren nachgehen, bemerkt man als Stromverbraucher nichts von der tieferen Frequenz. Marco Nart, Mediensprecher der Städtischen Werke, sagt: «Die Abweichungen der Frequenz bewegen sich im Promillebereich.» Bevor es zu stärkeren Abweichungen komme, würde etwa die Stromproduktion mittels Pumpspeicherwerken kurzfristig hochgefahren. Weder beim EKS noch bei SH Power kam es derweil zu Reaktionen von Unternehmen, die frequenzempfindliche Maschinen am Stromnetz haben.Aktuell ergreifen hingegen in ganz Europa Netzbetreiber wie Swissgrid verschiedene Massnahmen, um das herrschende Defizit wieder auszugleichen. Wie Entso-E mitteilte, ist es in der Geschichte des zentraleuropäischen Stromnetzes noch nie zu einer vergleichbaren Situation gekommen.

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