«Es fehlt ganz klar der politische Wille»

Tito Valchera | 
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Wenn es um das Thema Velo geht, kommt das Engagement von Simon Furter, Geschäftsführer von Pro Velo Schaffhausen, klar zum Vorschein. Bild: Selwyn Hoffmann

Kein gutes Zeugnis in Sachen Veloförderung stellt Simon Furter der Stadt Schaffhausen aus. In den letzten Jahren sei viel zu wenig für das Velo getan worden, und die Verkehrsteilnehmer seien nicht gleichberechtigt.

Die Ergebnisse des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2015, eine vom Bund realisierte Erhebung, hat die Stadt Schaffhausen letzte Woche präsentiert. Wieso dies ernüchternde Zahlen sind, erklärt Simon Furter, Geschäftsführer von Pro Velo Schaffhausen, im SN-Interview.

Die Mikrozensus-Studie besagt, dass in den letzten fünf Jahren der Anteil des Veloverkehrs am Gesamtverkehr in der Stadt Schaffhausen abgenommen hat. Wie beurteilen Sie diese Ergebnisse?

Simon Furter: Die Ergebnisse sind alarmierend. Der Anteil hat sich von vier auf zwei Prozent halbiert, viel weniger geht gar nicht mehr. Das ist für uns sehr ernüchternd. Es ist eine grosse Enttäuschung.

Was sind die Gründe für diesen Rückgang?

Velofahren in Schaffhausen ist derzeit vielen Leuten zu gefährlich und zu anstrengend. Dies liegt einerseits an der fehlenden Infrastruktur und andererseits an der hügeligen Landschaft.

Auf welche anderen Verkehrsträger sind die Velofahrer umgestiegen?

In erster Linie auf den Bus. Die Stadt baut ihre Buslinien aus, und vor Kurzem hat der Schaffhauser Stadtrat die neue E-Bus-Strategie vorgestellt. Da werden viel Herzblut und viele ­Mittel eingesetzt. Das ist beim Velo nicht der Fall. Wird der Bus attraktiver, wechseln die Schaffhauser logischerweise.

Kann das die einzige Erklärung sein?

Auch gesellschaftliche Aspekte spielen mit: In den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl Jugendlicher, die Velo fahren, halbiert. Sie fahren lieber mit dem öffentlichen Verkehr – dort können sie das Smartphone benützen und sich unterhalten. Auch viele ältere Leute fahren nicht mehr das Velo, da sie sich auf der Strasse nicht mehr ­sicher fühlen.

Setzen sich die Schaffhauser Politiker nicht genug für Fussgänger und ­Velofahrer ein?

Es fehlt ganz klar der politische Wille. Nehmen wir als Beispiel das Agglomerationsprogramm aus dem Jahr 2007. Es ist bislang keine einzige der ­sieben darin vorgesehenen Velofördermassnahmen umgesetzt worden. Das sind zehn verlorene Jahre. Der letzte grosse Wurf ist die Velostation am Bahnhof – und die wurde 2004 gebaut.

Was benötigen die Schaffhauser ­Velofahrer am dringendsten?

Die Velofahrer brauchen eine sichere Veloinfrastruktur, sprich se­parate Velowege, sowie genügend ­gedeckte Abstellplätze rund um den Bahnhof. Auf der Südseite des Bahnhofs bei der Ticketeria fehlt weiterhin ein Veloparkplatz.

Wie kann Versäumtes nachgeholt ­werden?

Nur mit überdurchschnitt­lichem Engagement und cleveren ­Lösungen wie beispielsweise dem ­Duraduct, das ebenfalls zum Agglo­merationsprogramm gehört. Es handelt sich dabei um eine Fussgänger- und Velobrücke über das Mühlental. Sie soll die Quartiere Breite und Geissberg verbinden. Mit einem Lift sollen die 80 Höhenmeter überbrückt werden und die Heimfahrt von der Altstadt ins Quartier ­vereinfacht werden. Das würde einen Schub in der Veloförderung geben.

Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass das Duraduct realisiert wird?

Als intakt. Wir sind froh, dass der grosse Stadtrat den Planungs­kredit bewilligt hat. Stadträtin und Baureferentin Katrin Bernath, seit ­Anfang Jahr im Amt, hat gesagt, dass ihr das Duraduct wichtig ist. Aber es braucht eine Gesamtstrategie mit ­klaren Zielen.

Wieso diese Erwartungshaltung?

Nehmen wir die Adlerstrasse-Unterführung. Es ist eine der gefährlichsten Stellen für die Velofahrer in der Stadt. Wir sagen dies seit Langem. Geschehen ist nichts. Auch beim Fahrradweg nach Herblingen über das Falkenareal erwarten wir, dass endlich vorwärtsgemacht wird.

Sind für die Adlerstrasse-Unter­führung im Budget nun Gelder ­vorgesehen?

Das wurde uns so gesagt. Wir gehen davon aus, dass es zumindest dort sicherer wird.

Welche weiteren Stellen sind gefährlich und müssten entschärft werden?

Beim Rheinufer, das umgebaut werden wird, könnte es gefährlich werden. Entwickelt es sich zur Flaniermeile, könnten sich Fussgänger und Velofahrer in die Quere kommen. Auch die Verbindung ins Breitequartier via Steigstrasse ist sehr unbefriedigend.

Es ist letztlich ein Kampf um Platz. Wie soll das Velo mehr davon erhalten?

Als Ausgangslage kann die Strasse im Prinzip neu aufgeteilt werden. Aber oft kommt das Velo bei der Planung erst an dritter Stelle der Prioritäten nach dem öffentlichen Verkehr und dem Auto. Die Ergebnisse sind dann frustrierend, und das Ganze ist ein Murks.

Pro Velo scheint also wenig erfolgreich gewesen zu sein. Wieso? Ist der Verein zu brav?

Wir haben in den letzten fünf Jahren stets lösungsorientiert mit den Behörden zusammengearbeitet. Ich muss zugeben, wir haben damit wenig erreicht.

Welche Konsequenzen ziehen Sie ­daraus?

Wenn es nicht auf diplomatischem Weg geht, dann braucht es andere Ansätze. Wir diskutieren derzeit, wie diese aussehen könnten.

Wie kann Velofahren in Schaffhausen wieder attraktiver werden?

Wir wollen die Autofahrer von den offensichtlichen Vorteilen des Velos überzeugen und sie zum Umsteigen bewegen. Denn die Hälfte der in der Schweiz mit dem Auto zurückgelegten Strecken beträgt weniger als fünf Kilometer und ist somit fürs Velofahren ideal.

Wie sehen Sie die Velozukunft?

Das Elektrovelo wird sich in Schaffhausen und anderswo durchsetzen. Auch wird der Verkehr zunehmen. Wenn alle im Stau stehen und sehen, wie der Velofahrer vorbeiflitzt, wird der eine oder andere zurück aufs Velo steigen.

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