Der Weg vom lebendigen Tier zur Essware

Alfred Wüger | 
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Eine Metzgete zu essen, ist hierzulande Tradition. Was es braucht, bis dieser Genuss möglich wird, macht ein Besuch im Schlachthüüsli Bibern hautnah erfahrbar.

Geschlachtet wird in der Früh. Kurz vor sechs Uhr am Montagmorgen fährt Kantonstierarzt Peter Uehlinger beim Schlachthüüsli Bibern vor. Kurz darauf kommen die Thaynger Metzger Sebastian Steinemann und Ralph Steinemann und beginnen mit den Vorbereitungen. Heute sollen vier Schweine geschlachtet werden. Die Tiere sind noch nicht da, doch jetzt hört man einen Traktor. Er schiebt den Anhänger rückwärts an die Tür zum Schlachthaus. Raffael Hübscher bringt vier Schweine. Er hat sie bei vier Bauern abgeholt. Nun öffnet er den Anhänger, und die Männer treiben die Tiere ins Schlachthaus, wo sie in einen Verschlag gesperrt werden. Es klingt hart und metallisch, als die Tür geschlossen wird.

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Drei der vier Schweine, die an diesem Morgen im Schlachthüüsli gemetzgt werden.

Der Kantonstierarzt hat die Tiere untersucht. Sie sind gesund, etwa dreieinhalb Monate alt und jedes um die 140 Kilogramm schwer. Lebend. Wenn sie geschlachtet sind, wiegen sie um die 86 Kilogramm.

Im Schlachthaus Bibern wird häufig gemetzgt. Jeden Montag vier Schweine und jeden Freitag ein Rind, einen Muni, Schafe, je nachdem. Das ganze Jahr. Allerdings wird nur jetzt, zur Metzgete-Zeit, das Blut aufgefangen. Um daraus, später dann, in der Wursterei im Dorfzentrum von Thayngen Blutwürste herzustellen.

Betäuben und dann stechen

Die beiden Metzger prüfen die Elektroschockgeräte, die von der Decke herunterhängen. Sie haben die Messer geschliffen und parat gelegt. Die Stimmung unter den Menschen ist locker. Es wird konzentriert und sehr flink gearbeitet. Jeder Handgriff sitzt.

Nun ist das erste Schwein aus dem Verschlag geholt worden, und es werden ihm die beiden Bügel des Elektroschockgerätes wie ein Stethoskop an den Kopf gehalten. Schon fällt das Tier um und wird sofort an einem Hinterbein in die Höhe gezogen. Ralph Steinemann sticht das Tier, und das Blut fliesst heraus. «Wichtig ist, dass das Herz noch schlägt, wenn das Tier gestochen wird», sagt Peter Uehlinger, «so kann das Herz das Blut he­rauspumpen.» Das Blut wird aufgefangen, in einen Nebenraum getragen und in einen Bottich geleert.

«Wichtig ist, dass das Herz noch schlägt, wenn das Tier gestochen wird. So kann es das Blut herauspumpen.»

Peter Uehlinger, Kantonstierarzt

Das zweite Schwein wird betäubt und auf dieselbe Weise getötet, während das erste Tier noch auf dem honiggelben und blutigen Boden liegt. Dann kommt das erste Schwein in die Brühwanne. Hier werden ihm bei 65 Grad die Borsten und Haare entfernt, danach werden dem Tier – das jetzt längst kein Lebewesen mehr, sondern ein Objekt ist – die letzten Härchen abgesengt, und es wird rasiert. «Damit es so glatt ist wie wir nach der Rasur am Morgen», sagt Sebastian Steinemann.

Nach diesem Arbeitsschritt kann das Schwein zerlegt werden. Noch auf dem Tisch vor der Brühwanne trennt Ralph Steinemann den Kopf ab. Dann wird der Körper wieder aufgehängt, die Eingeweide werden herausgenommen und auf einen Tisch gelegt. Inzwischen hat Sebastian Steinemann den Kopf im Nebenraum in ein Wasserbad getaucht und macht sich daran, die Augen herauszuschneiden und die Gehörgänge zu entfernen. Dann wird der Kopf an einen Haken gehängt.

Ralph Steinemann hat derweil die Nieren von den Eingeweiden getrennt und Herz, Lunge, Leber, die sogenannten Siegel, herauspräpariert. Auch die Siegel werden im Nebenraum bei den Köpfen aufgehängt.

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Ralph Steinemann trennt gerade eine Schulter vom Schwein ab.

Alle vier Tiere sind nun tot. Seit der Anlieferung ist etwa eine Viertelstunde vergangen. Ralph Steinemann macht sich nun daran, das erste Schwein, das am Haken hängt, zu zerteilen. Mit der Säge. Und dann mit einem grossen Hackmesser, dem sogenannten Spalter. «Das ist alte Schule», sagt Sebastian Steinemann. «Wir haben es von unserem Lehrmeister so gelernt und haben diese Methode beibehalten.» Nur bei grossen Tieren, Rindern etwa, wird auf die Elektrosäge ausgewichen.

Jetzt, wo die einen Tiere bereits zerteilt sind, die andern zerteilt werden, tritt der Waagmeister auf den Plan. Es ist Heini Bührer. In Bibern ist es so geregelt, dass er die Fleischkon­trolle vornehmen darf. Eigentlich ist das die Aufgabe des Kantonstierarztes. Dieser kontrolliert in Bibern aber nur Grossvieh. «Die Schweine sind gesund, das Fleisch ist gut», sagt Heini Bührer und bringt einen Stempel auf der glatt rasierten Haut des Körpers an.

Blitzschnell wird ausgebeinelt

Die Fortsetzung der Geschichte spielt in der Metzgerei Steinemann in Thayngen. Hier riecht es nicht nach Blut, Fleisch und heissem Dampf, sondern würzig: nach der Bölleschweissi, die im Ofen vor sich hin gart und bald fertig ist. Und es riecht nach dem Blutwurstgewürz, das Sebastian Steinemann nun zum Kochsalz, das bereits auf der Waagschale liegt, schüttet. In der Blutwurstmischung hat es Nelken, Pfeffer, Kardamom. Sie riecht fast weihnachtlich. Ralph Steinemann ist am Ausbeineln eines Kopfes. Blitzschnell geht das. «Die Schnörrli kommen ins Salz für die Metzgete. Auch die Zungen kommen in die Lake.» Die Bäggli werden he­rausgeschnitten und landen in einer Schale. «Wurstfleisch», sagt Ralph Steinemann. Es wird später durch den Wolf gedreht.

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Ralph Steinemann beim Ausbeineln eines Schweinekopfs. 

Inzwischen hat Sebastian Steinemann die Vorbereitungen für die Blutwürste abgeschlossen. In eine Tanse mit Milch und Rahm wird nun das Blut geleert. Alles wird verrührt. Die Zwiebelschweisse kommt hinzu, und dann wird abgeschmeckt. Der Reporter glaubt dem Metzger, dass es gut ist. Blutwürste werden übrigens nur aus Schweineblut hergestellt.

Blutwürste frisch geniessen

«Rinderblut ist zu kräftig», sagt Ralph Steinemann. «Man sagt, wer Rinderblut trinkt, wird zum Muni. Ich hab’s schon gemacht, deshalb bin ich so stark.» Es wird gelacht, und auf die Tanse mit Milch und Blut, Gewürz und Zwiebeln kommt ein Rührwerk. Und dann werden die Därme – die Metzgerei kauft sie und stellt sie wegen des grossen Aufwandes nicht selbst her – über den Stutzen gezogen. Der Darm füllt sich, die Wurst wird abgebunden und in eine silberne Wanne gelegt. Eine um die andere. Rinderdünndärme, Schweinedickdärme. Und zu guter Letzt werden die Blutwürste, die an diesem Montagmorgen herstellt worden sind – das Herstellen von Leberwürsten ist sehr viel aufwendiger –, während 50 Minuten bei 80 Grad gesimmert. Danach sind sie verkaufsbereit. «Bis zum Freitag sollten sie dann verzehrt sein», sagt Sebastian Steinemann.

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