Die Altersreform und das Cannabis

Alexa Scherrer | 
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Bundesrat Alain Berset zeigte gestern Abend auf, warum die Altersreform für ihn notwendig ist. Die Rathauslaube war bis auf den letzten Platz gefüllt. Bild: Michael Kessler

Alain Berset legte gestern in Schaffhausen dar, warum die anstehende Altersreform «absolut nötig» sei. Die Reihen in der Rathauslaube waren übervoll.

Noch nie hat Schaffhausen einen Bundesrat gestellt – und bei der anstehenden Ersatzwahl für den abtretenden Didier Burkhalter erhebt der Kanton auch keinen Anspruch. «Umso grösser ist die Freude, dass wir heute Abend einen Bundesrat bei uns begrüssen dürfen», sagte die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz gestern Abend in der Rathauslaube. SP-Bundesrat Alain Berset ist gestern nach Schaffhausen gekommen, um über die Altersvorsorge 2020 zu sprechen. Es ist wohl beiden Umständen geschuldet – einem Vertreter der Landesregierung in der eigenen Stadt und einer komplexen Vorlage, bei der es um das Portemonnaie eines jeden Bürgers geht –, dass der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war. Wobei das sogar noch untertrieben ist – fast erinnerte die Rathauslaube an einen Univorlesungssaal zu Beginn des Semesters, denn einige der Zuschauer mussten auf den Fensterbänken Platz nehmen.

«Bei der Schlussabstimmung im Parlament klopfte mein Herz so laut, dass es Herr Berset vorne im Saal wohl hörte», sagte Martina Munz während ihrer Begrüssung. Und nach der Erleichterung, dass die Ja-Stimmen zur Vorlage überwogen hatten, sei schnell die Einsicht gekommen: «Jetzt kommt die Arbeit, jetzt geht es darum, die Bevölkerung zu überzeugen.» Und ge- nau das versucht Bundesrat Berset derzeit mit grossem Effort – im ganzen Land weibelt er für ein doppeltes Ja zur Altersvorsorge 2020, über die am 24. September auf eidgenössischer Ebene abgestimmt wird.

Rentenniveau erhalten

Bundesrat Berset begann sein Referat mit einem Ausflug in die Vergangenheit. Am 6. Juli 1947 wurde die AHV mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 80 Prozent in der Schweiz angenommen – in Schaffhausen habe die Zustimmung sogar bei über 86 Prozent gelegen. «Schaffhausen gehörte zu den Spitzenreitern», so Berset. Später am Abend wird er mit einem Grinsen sagen, dass er 2017 nicht so hohe Erwartungen hat, dass er sich aber dennoch «eine schöne Mehrheit für ein schönes und soziales Werk» wünscht.

«Als die AHV 1947 angenommen wurde, gehörte Schaffhausen zu den Spitzenreitern.»

Alain Berset
, Bundesrat

Was bei der Gründung der AHV versprochen worden sei – ein Altern in Würde und materieller Sicherheit zu garantieren –, gelte auch heute noch. Um das jetzige Rentenniveau zu erhalten, sei eine Reform aber «absolut nötig». Drei Gründe seien dafür ausschlaggebend: An erster Stelle stehe die demografische Entwicklung. Die Babyboomer-Generation, die «ein Leben lang gearbeitet und viel zum Wohlstand der Schweiz beigetragen hat», geht zusehends in Pension. Auf der Einnahmenseite fallen also die Beiträge dieser geburtenstarken Jahrgänge weg – auf der Ausgabenseite kommen sie hinzu.

Zweitens steige die Lebenserwartung stetig, was durchaus «erfreulich» sei. Dennoch verlangen mehr Lebensjahre auch mehr Kapital, um diese zu finanzieren. Und drittens spielten auch die tieferen Renditen mit. «Und das war nicht voraussehbar», so Berset. «Wer hätte jemals gedacht, dass wir uns jetzt in einem Negativzinsumfeld bewegen.»

Berset strich besonders heraus, dass die vorliegende Reform eine «starke, gute Flexibilisierung» des Rentenalters ermögliche und dass die Reform auch für die Jungen – trotz gegenteiliger Kritik – fair sei. «Wenn jetzt nichts passiert, dann leert sich der AHV-Fonds zusehends – und wer muss dann für dessen Sanierung einspringen? Die Jungen.» Die Vorlage sei ein Kompromiss – für jeden habe es gewisse Punkte dabei, die er gerne anders gehabt hätte. «Aber die Leitlinien stimmen», so Berset. Wenn man die Forderungen der Parteien und Organisationen anschaue, noch bevor die Beratungen zur Altersreform angefangen hatten, sei jetzt ersichtlich, dass jeder einen Schritt auf den jeweils anderen habe zugehen müssen.

Cannabis als AHV-Finanzspritze?

Während seines Referats und der anschliessenden Publikumsdiskussion, die vom ehemaligen Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», dem Schaffhauser Peter Hartmeier, moderiert wurde, hatte Berset dank seines pointiert platzierten Humors die Sympathien im Saal immer wieder auf seiner Seite. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten lief die Diskussion rund, und auffällig viele junge Menschen stellten dem Bundesrat ihre Fragen. Ein 19-jähriger Schreinerlehrling hatte gar einen Vorschlag für eine künftige Reform: Cannabis legalisieren und die darauf erhobenen Steuern für die AHV-Finanzierung nutzen. Berset meinte, dass solche Ideen nicht ausreichen würden, um die Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen: «Man müsste schon sehr, sehr, sehr viel Cannabis konsumieren.»

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