Arbeiten für Zigaretten und Fernsehen

Tito Valchera | 
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Die Arbeit ist recht monoton, doch der Zusatzverdienst und das Zusammensein machen sie für die Insassen attraktiv. Bild: Eric Bührer

Die Zeit geht schneller vorbei: Laut den Häftlingen des ­kantonalen Schaffhauser ­Gefängnisses ist das einer der Hauptgründe, weshalb sie ­täglich bis zu sechs Stunden einfache Arbeiten erledigen. Dafür bezahlte ihnen der ­Kanton im Jahr 2016 115 000 Franken.

Die schwere Metalltür des kantonalen Schaffhauser Gefängnisses öffnet sich, Gefängnisleiter ­Lorenz Ammann bittet direkt in die ­Sicherheitsschleuse herein. Das heisst: Erst wenn die Eingangstür geschlossen ist, kann diejenige zum Innenbereich hin geöffnet werden. Auf der anderen Seite des Spazierhofs befindet sich der Arbeitstrakt. Das ist ein wichtiger Ort für die Insassen. Denn rund ein Drittel hat hier die Möglichkeit, tagsüber aus der Zelle rauszukommen. Im Arbeitstrakt und je nach Auftragslage auch auf den Zellen verdienen sie sich jeweils von Montag bis Freitag ein «Taschengeld» dazu. Laut dem Geschäftsbericht des Kantons Schaffhausen erhielten sie im Jahr 2016 rund 115 000 Franken, sogenannte Arbeitsentschädigungen und Leistungsprämien. Das Gefängnis selber erwirtschaftete mit diesen Arbeiten einen Erlös von rund 33 000 Franken.

15 bis 20 Franken täglich

Auf der Rampe vor der Eingangstür des Arbeitstraktes stapeln sich verschiedene Waren: weisse lange Sicherheitsschnüre, grüne Bastelschnüre, mehrfarbige Bändel, Kartonkisten und Verschiedenes mehr. Es handelt sich um das Lager für die zu bearbeitenden, aber auch für die fertiggestellten Produkte. Ammann öffnet die Aussentür des Arbeitsbereiches. Auch im Gang ­lagert Material. Weiter befindet sich der Arbeitsplatz des Aufsehers dort. Auf Monitoren und mithilfe von je zwei Kameras kann dieser die Arbeitsräume einsehen. In einem sitzt ein 32-jähriger Mann. Neben ihm liegt ein Haufen von grauen Dichtungsringen. Mit zwei weiteren Insassen zusammen schraubt er wasserdichte Kabelhalterungen zusammen. Diese werden in der Industrie für Starkstromleitungen verwendet. Geübt nimmt er jeweils einen Dichtungsring und setzt ihn in die Halterung ein, anschliessend montiert er einen Verschluss darauf. «Ich bin über jegliche Arbeit froh», sagt er lächelnd. Am liebsten würde er auch am Wochenende arbeiten. Seit 15 Monaten sitzt er nach einem Einbruch in eine Hanfplantage im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess. Er und seine Kollegen erhalten für ihren Einsatz zwischen 15 und 20 Franken pro Tag, «je nach Arbeit und Leistung», erklärt Gefängnisleiter Lorenz Ammann. Die Arbeitsentschädigung sei so im Ostschweizer Strafvollzugskonkordat geregelt.

Die Arbeitszeiten sind von 7.30 bis 10.30 Uhr mit anschliessender Freigangstunde sowie am Nachmittag von 13.30 bis 16.30 Uhr. Über Nacht sind alle Insassen in der Zelle. Der Zusatzverdienst wird grösstenteils im Gefängnis selber ausgegeben. «Mit dem Geld kann ich mir die wöchentlichen Telefonate und meinen Fernsehapparat in der Zelle – 1.50 Franken täglich – sowie Zigaretten und Getränke bezahlen», sagt der Insasse weiter. Dazu steht für die Insassen ein Kiosk mit Artikeln des täglichen Gebrauches bereit.

Gemeinschaft und Geld

Auch im zweiten von drei Arbeitsräumen wird gearbeitet. Hier bringen drei Gefängnisinsassen an den Enden von Schnüren Schlaufen an. Neben ihnen stapeln sich aufgeschüttete Schnüre. Diese Männer sind schon seit längerer Zeit in Haft. Teilweise warten sie auf eine Verlegung oder auf die Freilassung. Die täglich ungefähr sechs Stunden Arbeit bedeuten allen dreien viel. Einer von ihnen, ein 48-jähriger Serbe, sitzt seit über 10 Monaten in Haft. «Die schlimmsten Tage sind Samstag und Sonntag, denn da können wir nicht arbeiten», sagt er. Der grosse Vorteil dieser Beschäftigung sei, dass die Zeit schneller vorbeigehe. «Das ist vor allem für die, die länger da sind, ­etwas vom Wichtigsten», sagt er weiter. Auch Ammann betont: «Die Arbeit ist viel wert, denn sie erlaubt es den Insassen, zusammen zu sein und zusätzliches Geld zu verdienen.» Sie gebe eine Tagesstruktur und leiste einen Beitrag zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft. «Unser Auftrag ist es, den Insassen im Gefängnis ein möglichst gleiches Leben wie draussen zu ermöglichen», fügt er an.

Im dritten Arbeitsraum lagern derzeit unter anderem Schneepflugpfosten, die bemalt werden müssen und für den Kanton Schaffhausen bestimmt sind. Auch Kisten mit Metallteilen sowie mit Velogepäckträgern. Letztere werden sowohl zusammengesetzt als auch mit kleinen Teilen wie beispielsweise Schrauben ergänzt.

«Wir haben zu wenig Arbeitsmöglichkeiten, denn nicht alle, die möchten, können auch arbeiten.»

Lorenz Amman, Gefängnisleiter

Doch wie der unbenutzte Arbeitsraum zeigt, sind die Zeiten vor allem in den letzten zwei, drei Jahren härter geworden. So arbeiten derzeit bloss sechs Häftlinge in den Werkstätten. «Zu Spitzenzeiten hatten 25 Insassen Arbeit», erinnert sich ein Aufseher. In der Umgebung von Schaffhausen gebe es halt noch weitere Organisationen wie die Altra, das Sonnmatt oder die Klinik Rheinau, die ähnliche Arbeiten ausführten. Gefängnisleiter Ammann beschreibt die Folgen: «Wir haben fast ausschliesslich Auftraggeber ausserhalb unseres Kantons und bekommen aus der Region meist nur kleine Aufträge wie beispielsweise, für eine Druckerei 20 T-Shirts zu verpacken.» Die Gefängnisinsassen führen zudem nur einfache Arbeiten durch. Zu diesen gehören falten, kleben, sortieren, verpacken, montieren, kuvertieren, konfektionieren, adressieren oder recyceln. «Wir stellen keine ‹Kultobjekte› wie die grösseren Gefängnisse her und pro­duzieren nur wenig selber», so der Gefängnisleiter. Ein Beispiel eines eigenen Produktes seien die Anfeuerhölzer. Diese werden jeweils bei fehlenden Aufträgen produziert und sind am Gefängnisschalter zu kaufen.

Zu wenig Arbeitsmöglichkeiten

Gefängnisarbeit hat Tradition im kantonalen Schaffhauser Gefängnis. Prinzipiell dürfen alle arbeiten. «Im Arbeitstrakt kommen vor allem die Insassen, die bereits verurteilt und im Strafvollzug sind, sowie diejenigen, die schon länger bei uns einsitzen, zum Zuge», erklärt Ammann. Er stellt fest: «Wir haben zu wenig Arbeitsmöglichkeiten, denn nicht alle, die möchten, können auch arbeiten.» Einzelne Häftlinge haben aber an der Arbeit auch kein Interesse, dies, obwohl sie täglich 23 Stunden in ihrer kleinen Zelle verbringen und auch dort essen.

Das alte Gebäude am Beckenhof, in dem das kantonale Gefängnis untergebracht ist, entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an eine Haftanstalt. Ausser im Innenhof gibt es keinen Platz, wo sich die rund 40 Häftlinge gemeinsam aufhalten können. Dort draussen verbringen sie gruppenweise täglich eine Stunde. Gibt es zwischenzeitlich viele Aufträge, wird auch ausserhalb der Arbeitsräume gearbeitet. Teils in den Zellen selber, teils im Freizeitraum, der dafür kurzzeitig umgerüstet wird. «Für die Zellenarbeit kommen aber nur Arbeiten infrage, bei denen keine schweren Lasten im Spiel sind, denn das Material muss über die Treppe von Hand in die Zellen getragen werden», so Ammann.

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