Die Fitnessbranche gerät ins Schwitzen

Dario Muffler | 
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Training in einem Fitnesscenter in Schaffhausen: Die Konkurrenz unter den Betreibern nimmt zu – fit bleiben ist angesagt. Bild: Selwyn Hoffmann

Der Fitnessboom und neue Fitnessangebote rufen in Schaffhausen weitere Fitnessstudios auf den Plan. Mit Clever fit steigt nun auch noch ein Discounter ein.


Die Angst war gross, als der Discounter Aldi in die Schweiz kam. Nichts bleibt, wie es ist, war die Befürchtung. Ähnliche Bedenken gibt es auch beim Markteintritt des deutschen Discount-Fitnessstudios Clever fit. Im Herbst eröffnet die Marke, die im deutschen Fitnessbereich zu den stärksten gehört, im Lipo-Park ihre erste Schweizer Filiale.

In Thayngen blickt man gebannt auf den Start des neuen Konkurrenten. Debora Nagel, Inhaberin des Studios Kraftwerk, sagt: «Das Center im Lipo-Park wird uns treffen, weil Clever fit sehr tiefe Preise anbietet.» Auch ­Roland Beuter, Teilhaber der Firma ­Powerfood, die das Studio Powergym im Herblingertal betreibt, rechnet mit grosser Konkurrenz. Er sagt: «Wir rechnen mit Abgängen.»

«Das Center im Lipo-Park wird uns treffen, weil Clever fit sehr tiefe Preise anbietet.»

Debora Nagel, Inhaberin des Studios Kraftwerk in Thayngen

Es droht ein Überangebot

Neben Clever fit will die Kette Update Fitness, die inzwischen mehrheitlich im Besitz von Coop ist, eine Filiale in Neuhausen eröffnen. Insgesamt wird so innert kürzester Zeit Platz für rund 4000 neue Mitglieder geschaffen. Damit dürfte es gegen 15 000 Plätze in Schaffhauser Fitnesscentern geben. Im Schnitt haben etwa 15 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer ein Fitness-Abo. Rechnet man mit rund 90 000 Menschen im Einzugsgebiet der Schaffhauser Studios, dann stellt man fest: Es droht ein leichtes Überangebot. Verschiedene Akteure sagen aber, man müsse das differenzierter betrachten – denn man geht in der Branche von einem starken Marktwachstum aus. Stefan Ege etwa, Geschäftsführer des Studios Eurofit, schätzt, dass in zehn Jahren jeder Fünfte ein Fitnesscenter besuchen wird. Auch der Schweizerische Fitness-und-Gesundheitscenter-Verband prognostiziert ein Wachstum. Vor allem der Anteil der Kunden, die älter sind als 50 Jahre, steigt stark an.

Der Wandel im Altersmix spielt Michael Ammann, dem Gründer der Firma Update Fitness, in die Hände. Er kennt den Markt in verschiedenen Regionen. Ammann spricht dem Markt einen Umbruch nicht ab. Er schränkt aber ein: «Die Fitnessbranche verändert sich weniger drastisch als etwa der Detailhandel, der vom Euro abhängig ist.» Der Grund, dass er trotz der bestehenden Center nach Schaffhausen expandiert, liege in seiner Betrachtungsweise des Marktes. «In St. Gallen und Winterthur besteht eine ganz andere Dichte an Centern als in Schaffhausen», sagt Ammann. «Vergleicht man Schaffhausen mit anderen Regionen, kommt man zum Schluss, dass der Markt in Schaffhausen weniger stark bearbeitet ist.»

Ammann räumt ein, dass mit dem zeitnahen Eintritt von zwei Mitbewerbern der Eindruck entsteht, der gesamte Markt werde umgekrempelt. «Es sind aber dieselben Veränderungen, die im Raum um Wil, St. Gallen und Winterthur in den vergangenen fünf Jahren stattgefunden haben», sagt er. «Es fällt in Schaffhausen nur stärker auf, weil die Eintritte zeitlich nah bei­einander liegen.»

Konkurrenz erhalten die Fitnesscenter aber nicht nur durch neue Center. Sie müssen auch neue Trends berücksichtigen – und diese kommen teilweise auch ohne Geräte aus. Denn diese sind teuer. Der Gerätepark eines mittleren Studios kostet rund 250 000 Franken.

Mit Update Fitness expandiert jetzt also auch Detailriese Coop nach Schaffhausen. Sein Konkurrent Migros hat hier mit MFIT bereits 2012 Fuss gefasst. Auch damals machten sich unter den Schaffhauser Studiobetreibern Sorgen breit. «Als MFIT kam, haben wir mit einem grossen Mitgliederverlust gerechnet», sagt Ege. Seine Befürchtung habe sich aber nicht bewahrheitet. Das stimme ihn im Hinblick auf die beiden bevorstehenden Eröffnungen zuversichtlich. «Mit hoher Dienstleistungsqualität werden wir die Fluktuation von Mitgliedern niedrig halten», sagt er.

Dienstleistungen und Qualität sind die beiden Stichworte, mit denen viele Studiobetreiber punkten wollen. Für Claudia Stacher, Teilhaberin von Pro-Fitness in Stein am Rhein, ist das Konzept von Billiganbietern nämlich nicht nachhaltig. «Die verkaufen zwar Abos am Laufmeter, betreuen ihre Kunden aber nicht», sagt sie. «Wenn man die Kunden stehen lässt, verlieren sie die Freude und lösen kein Abo mehr.»

Im Eurofit sieht man in den Markteintritten sogar eine Chance. «Die kleineren Center können sich mit qualitativ guter Betreuung und ausreichend Personal von den Discountern abheben», sagt Ege. «Es wäre aber falsch, zu behaupten, dass Clever fit keine Konkurrenz ist.» Das sieht auch Vinzenz Keller, Leiter MFIT der Migros Ostschweiz, so. «Wir erachten den Standort unseres Trainingszentrums im Mühlental jedoch als klaren Vorteil.» Ammann sagt ebenfalls, dass Update Fitness auf Qualität setze, obwohl sich die Marke auf dem Preisniveau von Discountern bewege. Das funktioniere, weil es mehrere Filialen gebe. «Wir können Synergien nutzen», so Ammann.

«Positionierung ist entscheidend»

Ganz gelassen blickt Mauro An­giulli, Geschäftsführer von Aktiv Training in Neuhausen, in die Zukunft. «Guten Mutes erwarte ich getrost, was da kommen mag», sagt er. Sein Studio habe grundsätzlich nichts mit den anderen gemein. «Wir sind spezialisiert auf Gesundheitskrafttraining», sagt er. Er unterstreicht, dass in der aktuellen Situation die Positionierung eines Fitnessstudios entscheidend sei. «Es wird zu einer Bereinigung durch den Markt kommen», sagt er.

 

Sportmediziner Walter O. Frey betont: Wer mit Fitness beginne, solle sich beraten und betreuen lassen.

Herr Frey, trainieren Sie in einem Fitnesscenter?

Walter O. Frey: Ich habe das grosse Glück, dass unsere Institution über ein eigenes Fitnesscenter verfügt. Ich trainiere sehr gerne hier. Lockt das Wetter nach draussen, bin ich an der frischen Luft unterwegs.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Fitnesstrend bei jungen Menschen?

Aus gesundheitlicher, volkswirtschaftlicher und sozialer Sicht ist es sehr wichtig, dass wir dem Trend zu immer mehr Inaktivität entgegenwirken. Da jeder Mensch etwas anders getaktet ist, sollten die Möglichkeiten zur physischen Betätigung über ein sehr breites Spektrum verfügen. Fitnesscenter sind sicherlich ein wichtiger Pfeiler dabei.

Was gilt es besonders zu beachten?

Das Wichtigste ist eine optimale Einführung und anschliessende Betreuung. Für viele ist es am Anfang eine nicht vertraute Materie. Als Gefahren sehe ich vor allem einen zu hoch motivierten, raschen Einstieg mit dem Problem von Überlastungsschäden.

Gibt es vermehrt Schäden wegen Überlastungen, oder sind die Leute wirklich körperlich fitter und gesünder?

Schäden beobachten wir relativ selten. Bei vielen Centern wird in der Regel ein Jahresabonnement gelöst, die Mehrheit der Kunden aber hört nach einem Jahr auf.

Empfehlen Sie auch älteren Menschen, ins Fitnesscenter zu gehen?

Generell bewegen wir uns als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener noch genügend. Erst im Verlaufe des Lebens kippt die Bewegung aus der Agenda. Es ist daher umso wichtiger, dass man gerade mit zunehmendem Alter regelmässig körperlich aktiv ist.

Nicht jedermann will in ein Fitnesscenter. Was gibt es für Alternativen?

Jegliche Art Bewegungsaktivität ist eine Alternative. Dies kann, besonders in der aktuellen Hitzewelle, das sehr gesunde Schwimmen im See oder Pool sein. Gerade in der Schweiz haben wir unendlich viele Möglichkeiten.

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