«Ich bin nicht der Weltverbesserer per se»

Zeno Geisseler | 
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«Ich sehe mich sicher nicht als linken Hardliner»: SP-Präsident Daniel Meyer. Bild: Zeno Geisseler

Nur halb so alt wie sein Vorgänger ist Daniel Meyer, der neue Präsident der Schaffhauser SP. Jetzt will er die zweitgrösste Partei des Kantons umfassend modernisieren und verjüngen.

Sie sind neuer Präsident der Schaffhauser SP, der zweitgrössten Partei im Kanton. Das ist eine grosse Verantwortung. Wie gehen Sie damit um?

Daniel Meyer: Die grosse Verantwortung war der Grund, weshalb ich nicht von Anfang an zusagte. Die Anfrage gärte seit dem letzten Winter in mir. Soll ich das auf mich nehmen? Will ich mich exponieren? Ich kam zu dem Schluss, ja, ich wage es. Ich sehe es als Chance, für mich wie für meine Partei.

Welche Überlegungen stellten Sie an?

Die Arbeit im Gemeinderat von Hallau gefällt mir, aber der Wirkungskreis dieses Mandats hört irgendwo hinter der Engi auf. Jetzt sah ich eine Gelegenheit, den Sprung auf das kantonale Parkett zu wagen. Dass gleich der Stuhl des Präsidiums frei geworden ist, war vielleicht Zufall. Ich hätte mich auch mit einem gewöhnlichen Vorstandsmandat zufriedengegeben. Aber ich finde, man muss die Chance packen, die man bekommt.

Sie sind jung und links, eigentlich ein klassischer Fall für die AL, der Sie früher auch angehörten. Warum jetzt die SP?

Ich wollte eine gemässigtere Politik machen. Gefallen hat mir auch die Ausstrahlung der SP als nationale Partei. Die AL ist ja vor allem im Lokalen engagiert. Und vielleicht war der Übertritt auch eine Emanzipation von einer Zeit, die vergangen ist. Meine AL-Zeit liegt schon länger zurück.

Sie sind Alter Herr der Mittelschulverbindung Scaphusia. Es fällt auf, dass sich mehrere Scaphusianer in Ihrem Alter politisch stark engagiert haben. In der AL die Kantonsräte Matthias Frick und Till Aders, früher auch ­Florian Keller, aber auch ein Marcel Montanari von den Jungfreisinnigen. Und Sie stehen jetzt der SP vor. Weshalb ist Ihre Generation so politisch?

Schwierig zu ­sagen. Mir fehlt die Aussensicht, ich war ja auch Teil dieser engagierten Gruppe. Wir haben immer viele Diskussionen geführt, da sind auch die Fetzen geflogen. Vielleicht kann man es demografisch erklären? Unsere Generation füllt das Vakuum, das die Babyboomer hinterlassen haben. In der Scaphusia hat übrigens ein Vertreter meiner Generation jetzt auch das Altherrenpräsidium übernommen. Es gibt also Parallelen zur Stabübergabe von Alt zu Jung auf der politischen Ebene.

Ihr Cerevis in der Scaphusia lautet «Scholle». Wie der Fisch oder wie der Boden?

Definitiv wie der Boden. Das Klettgauerische ist in mir, man hört es mir ja auch an. Diese Verbundenheit ist mir wichtig.

Über Politik zu diskutieren, ist das eine. Etwas anderes ist es, aktiv in die Politik einzusteigen. Was gab für Sie den Ausschlag?

Ich war und bin mit gewissen Zuständen und Umständen nicht zufrieden. Ich will etwas verändern, ich glaube, da geht es mir wie jeder Politikerin oder jedem Politiker. Sie sind ­bestrebt, eine Veränderung herbeizuführen.

Mit welchen Zuständen und Umständen sind Sie nicht zufrieden?

Es macht mir Sorgen, dass der Sozialstaat an allen Ecken und Enden abgebaut wird, etwa bei der Arbeits­losenversicherung. Auf kantonaler Ebene sollen Grossaktionäre ihre ungerechtfertigten Privi­legien behalten, was wir mit unserer Initiative bekämpfen. In mir gibt es auch eine grüne Komponente, ich bin ein grosser Fan des öffentlichen Verkehrs, obwohl ich auch ein Auto habe.

Bei Ihren Auftritten hat man den Eindruck, dass sie weniger ideologisch als pragmatisch denken und handeln. Hat das etwas?

Ja, durchaus. Ich bin nicht der Weltverbesserer per se, was aber nicht heisst, dass ich nicht kämpfe.

Wofür?

Zum Beispiel dafür, dass der gewöhnliche Angestellte auch eine Stimme hat, und nicht nur die Vertreter der Hochfinanz.

Aber das Problem ist doch, dass der gewöhnliche Angestellte heutzutage SVP wählt?

Ja, aber uns gibt es auch. Wir decken mehr Anliegen ab, als manchmal wahrgenommen wird.

Wer hat Sie politisch geprägt? Das Elternhaus?

Weniger. Mein Vater war zwar Gewerkschafter, aber für Politik interessierte ich mich erst ab der Kanti. Als ich dem Stimmrechtsalter näher rückte, wuchs auch das Interesse mitzureden.

Und woher kommt das linke Element?

Die Gerechtigkeit und der Ausgleich sind zentral für mich. Und es geht auch um das Verhältnis zum Staat: Der Staat ist für mich nicht der Gegner, sondern letztlich etwas Gemeinsames von uns allen. Wir als ­Bevölkerung prägen den Staat.

Wo stehen Sie im linken Parteispektrum?

Kommt darauf an. Bei Themen, die klar als links gelten, wie Steuerfragen oder Energie, bin ich ganz auf Parteilinie. Aber ich sehe mich sicher nicht als linken Hardliner, auch wenn ich eine Vergangenheit in der AL habe.

Wo weichen Sie ab?

Der Ausreisser ist die Sicherheitspolitik, dort entspricht meine Haltung nicht ganz dem Parteibuch. Ich bin ein Verfechter der Miliz­armee, und im Militär bin ich Offizier.

Offizier und SP-Präsident, wie geht das ­zusammen?

Sehr gut! Wir haben in der Schweiz eine Milizarmee, und ich bin der Meinung, dass diese Milizarmee einen Querschnitt unserer Bevölkerung repräsentieren soll. Unsere Bevölkerung ist zu einem anständigen Anteil auch links. Ich repräsentiere als linker Offizier diesen Teil der Bevölkerung, und das ist aus meiner Sicht für eine staatstragende Partei wie die SP in Ordnung. Ich stehe dazu, dass ich Offizier bin, das habe ich auch in der SP nie verheimlicht. Im Militärdienst selbst spielt das Parteibuch übrigens keine Rolle, da ist die fachliche Qualifikation gefragt und das Erfüllen des dienst­lichen Auftrags.

Die «schaffhauser az» schrieb, der Meyer sei als SP-Präsident eine Notlösung, ein «No Name aus der Provinz». Wahre Worte oder wüste Beleidigung?

Der «No Name» ist aktuell sicher noch wahr, aber ich arbeite daran. Die «Notlösung» ist eine Beleidigung. Ich stehe für die Erneuerung der Partei, für einen Schritt nach vorne, und ich bin unverbraucht. Das ist doch kein Notfallkonzept! Hätte man mir die Aufgabe nicht zugetraut, hätte man mich nicht angefragt und am Parteitag auch nicht gewählt.

Ein Parteipräsident sollte auch Mitglied des Kantonsrats sein, heisst es. Sie sind nicht im Parlament. Ist das ein Problem?

Na ja, FDP-Präsident Marcel Sonderegger ist ja auch nicht im Kantonsrat, und Pentti Aellig von der SVP war es lange Zeit nicht. Ich selbst fände es für die Partei und für mich gut, und ich arbeite daran. Mein Ziel ist es, längerfristig Einsitz zu nehmen.

Parteipräsidenten sind wie Fussballtrainer: Man erwartet von ihnen Erfolge, sonst sind sie wieder weg.

Klar, wenn wir nur noch verlieren sollten, müsste man sich fragen, ob ich der Richtige bin. Das wird sich weisen. Abstimmungen gewinnen heisst auch, eine Politik zu machen, die mehrheitsfähig ist. Wenn wir das schaffen und dem Volk zum Beispiel klarmachen können, dass der Spardruck nicht das allein selig Machende ist, dann kommt es gut.

Da reicht es aber nicht, wenn Sie nur die linken Wählerinnen und Wähler ansprechen, oder?

Logisch. Man braucht mehr als 50 Prozent, um eine Abstimmung zu gewinnen, und wir sind aktuell im Kanton eine 22-Prozent-Partei. Extreme Forderungen liegen mir weniger. Das kommt auch aus meiner Arbeit in der Exekutive. Wir müssen einen Konsens finden, mit dem alle leben können.

Der SP-Präsident ist ein Mann, der SP-Regierungsrat ist ein Mann, der SP-Stadtpräsident ist ein Mann: Hat die SP ein Frauenproblem?

Nein, ein Problem nicht. In der SP sind Frauen hochwillkommen, wir bieten viele Chancen. Aber es stimmt, in den Exekutiven und in der Parteileitung sind sie in der Minderheit. Dies hat auch damit zu tun, dass linke Frauen in meinem Alter in der AL sind.

Wo sehen Sie die SP in fünf bis zehn Jahren?

Ich will den Erfolgskurs der letzten zwei Jahre fortsetzen. Wir haben Wähler und Abstimmungen gewonnen. Ein ganz zentraler Auftrag ist weiter die Verjüngung der Partei. Wir brauchen mehr junge Leute, die auch bereit sind, im Vorstand mitzuarbeiten. Die Schaffhauser SP soll jünger werden und moderner. Sie soll auch medial präsenter werden – wie es übrigens die Bündner SP bereits vollzogen hat. Wir machen schon viel, die Basis ist da. Aber wir müssen noch mehr nach dem Sprichwort «Tue Gutes und sprich darüber» handeln. Wir als SP müssen uns schlicht besser vermarkten.

 

Daniel Meyer Zur Person

Alter: 31

Beruf: Maschinenbauingenieur FH

Zivilstand: ledig

Militär: Major, Nachrichtenof im Ristl Bat 21

Hobbys: Politik, Segeln, Skifahren

Politische Tätigkeiten: Gemeinderat Hallau, Präsident der SP des Kantons Schaffhausen

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