Auf der Suche nach frischem Zauber

Maria Gerhard | 
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«Man soll gehen, solange es noch gut ist»: Daniela Lager bereut nicht, dass sie die Moderation von «10vor10» aufgegeben hat. Bild: Selwyn Hoffmann

Daniela Lager war 13 Jahre lang bei «10vor10». Jetzt kehrt sie hinters Radiomikrofon ­zurück: Ihre Karriere hatte sie einst bei Radio Munot gestartet. Und noch heute denkt sie ­daran, wie es ihr bei einer Livemoderation einmal die Sprache verschlug.

Es stimmt wohl, was man sagt: Nimmt Frau grundlegende Änderungen in ihrem Leben vor, braucht es immer die passende Frisur dazu. Bei Daniela Lager, die sich im Dezember als Moderatorin von «10vor10» verabschiedet hat, trifft das jedenfalls zu. Als sie zum Interviewtermin schwungvoll durch die Tür des Cafés Gnädinger am Schaffhauserplatz in Zürich kommt, fällt eines sofort auf: Die Haare sind ab. Der sonst lange, glatte Bob ist einer – man könnte sagen – gezähmten Wuschelfrisur gewichen. Der 52-Jährigen gibt es etwas Dynamisches. Und das passt gut zu ihrer Person. Nachdem sie sich einen Cappuccino bestellt hat, schnappt sie sich aus dem Brotkorb ein Gipfeli, lehnt sich im Stuhl zurück – und ist bereit, es kann losgehen.

Etwas mehr als zwei Wochen ist es jetzt her, dass sie ihre letzte «10vor10»-Sendung moderiert hat. Ihre Ankündigung wenige Monate zuvor, künftig wieder mehr hinter der Kamera zu arbeiten, kam für viele überraschend. Einige mögen gedacht haben: Wie kann man einen sicheren Job aufgeben? In dem Alter? Doch nach einem Vierteljahrhundert als Studiomoderatorin hat es Lager einfach gereicht. «Ich bereue es keine Sekunde», sagt sie, und in ihren grossen, grünen Augen liegt ein fester Blick. «Es ist ja nicht so, dass ich jedes Mal wenn ich ins Studio gegangen bin, gedacht hätte: Nicht schon wieder. Aber irgendwas hat mir über die Zeit hinweg schon gefehlt», sagt sie und fügt dann hinzu: «The thrill has gone.» Auf Deutsch heisst das so viel wie: «Der Zauber ist weg.»

Die Kollegen fragten nach

Auf Twitter hat sie geschrieben: «Man soll gehen, solange es noch gut ist.» Dieser Satz wurde sehr oft retweeted, also an andere weitergeben. «Darauf bin ich ein bisschen stolz, dass ich diesen Moment erwischt habe», sagt Lager. «Weil auch wirklich ganz viele Leute darauf reagiert und gesagt haben: ‹Wir finden es schade, dass du gehst, aber wir verstehen, was du meinst.›» Anscheinend hätten einige Menschen zwischen 50 und 60 so ein nagendes Gefühl, das stark mit der Frage verbunden sei: «Kommt da noch etwas? Oder hangle ich mich jetzt von Liane zu Liane, von Ausgabe zu Ausgabe bis zur Pensionierung? Als ich meine Liane losgelassen habe, kamen viele und wollten plötzlich reden. Sie wollten wissen, wie ich das mache und ob ich Angst hätte.» Vielleicht mache sie so auch Mut – doch noch etwas zu wagen.

Schaut man sich Lagers Lebenslauf an, war die gebürtige Zürcherin immer wieder bereit, weiterzuziehen. Nach ihrer Zeit am Medien-Ausbildungs-Zenturm Luzern kam sie zunächst als Jungredaktorin zu Radio Munot. In dieser Zeit hat sie viel gelernt, wie sie sagt. Auch wenn sie einmal vor Scham rot angelaufen ist. Lager erzählt: «Ich bin eines Tages für Mäni Frei eingesprungen, der ein unglaublich witziger Kerl ist. Er hat eine grosse Gabe, die Leute zu unterhalten. Er sollte eine Rock-’n’-Roll-Meisterschaft moderieren, konnte aber plötzlich nicht.» Nach anfänglicher Skepsis, weil ihr dieser Turniertanz völlig fremd war, liess sie sich überreden – und hat sich dabei total überschätzt, wie sie noch heute gesteht. «Ich stand dann auf der Bühne und wusste nicht, was ich sagen sollte, ich hatte keine Ahnung. Ich wäre am liebsten in den Hallenboden versunken.» Das habe tiefe Spuren hinterlassen. «Wenn ich heute auf einer Bühne stehe, bin ich nie unvorbereitet.»

Man muss beweglich bleiben

Ihre Professionalität hat Lager über die Jahre weiter ausgebaut. Nach einer kurzen Zwischenstation in New York arbeitete sie später bei Tele 24 und anschliessend für RTL/ProSieben Schweiz. Ein Karriereweg, den sich viele junge Journalisten heute erträumen. Denen rät Lager: «Man sollte sehr beweglich sein, vor allem zwischen den unterschiedlichen Medien.» Früher habe sie keinen Facebook-Account besessen. Durch ihre ­beiden Kinder lerne sie jetzt, mehr mit Social Media umzugehen und was diese für eine Bedeutung für den Journalismus hätten.

Und sie rät ebenfalls dazu, sich wieder mehr auf die journalistischen Grundprinzipien zu besinnen. Sie hält kurz inne, bevor sie sagt: «Es wird wirklich viel gelogen in der Politik.» Wieder kurze Pause, eindringlicher Blick. «Das finde ich hochproblematisch. Auch dass die Lüge nicht mehr dieselbe Verwerflichkeit hat wie früher. Wenn damals ein Politiker absichtlich gelogen hat, war das so ziemlich das Ende seiner Karriere.» Wenn man heute höre, welchen Unsinn Politiker ohne zu erröten von sich gäben, sei es die Aufgabe der Medien, dagegen anzugehen. «Ich glaube, wir haben als Gesellschaft da etwas zu verlieren.»

Sie selbst möchte als Journalistin wieder mehr nach draussen gehen und den Kontakt zu den Leuten suchen. Das sei ihr durch die Studioarbeit verloren gegangen. Für «10vor10» wird sie in Zukunft zwar weiterhin hinter der Kamera Reportagen drehen. Mehr fordern wird sie aber ihre neue Arbeit bei der Radiotalkshow «Persönlich» auf SRF 1. Dort ist sie wieder näher bei ihren Anfängen. Auch wenn sie nicht mehr halb im Pyjama vor dem Mikro sitzen wird, wie es in der Frühschicht bei Radio Munot schon vorgekommen sei. Bei «Persönlich» sitzt sie nämlich mit ihren Gästen vor Publikum. Die neue Stelle verlangt ihr einiges ab: «Ich bin vom Fernsehen Kurzinterviews mit einer Person gewohnt. Das heisst, man will von jemandem etwas wissen und hat drei Minuten Zeit dafür. Das ist dann so wie beim Boxen, der Gong ertönt, und man muss da sein.» Bei «Persönlich» kitzelt man eine Stunde lang etwas aus seinem Gegenüber heraus, sodass sein Leben und was ihn antreibt für den Zuhörer plastisch wird. Diese Dramaturgie zu finden, daran arbeite sie noch. Vier Sendungen hat sie bereits moderiert. Am Sonntag wird sie mit einer Weinhänd­lerin und einem Teeproduzenten über deren Passion für ein Getränk sprechen.

Letzteren hat Lager im Tessin besucht. Plötzlich stand sie auf einem Feld, umgeben von Teepflanzen, dahinter Palmen, zwischen denen hindurch der See glitzerte. «In diesem Moment hätte ich mir auch gut vorstellen können, Teepflückerin zu werden», sagt sie. Sie habe dann mit dem Teespezialisten ein langes Gespräch geführt und erkannt, dass man ein Leben lang braucht, bis man so viel Wissen über Grünen Tee aufgebaut hat. Das sei dann doch etwas zu spät für sie. Ausschliessen sollte man es bei ihr aber nicht.

Lebenslauf: Für ein  Praktikum in New York

Am 4. Mai 1964 wurde Daniela  Lager geboren. Sie wuchs in einem Aussenbezirk von Zürich auf. Nach einer kaufmännischen Lehre durchlief sie das Medien-Ausbildungs-Zentrum Luzern. 

1986/87 war sie bei Radio Munot Redaktorin und Moderatorin. Für ein Praktikum ging sie anschliessend nach New York. Wieder zurück, arbeitete sie bei Radio Z. Für einen Sprachaufenthalt ging Lager 1994 nach Paris und Nizza. Danach war sie in der Pionierphase bei Tele Züri und Tele 24 dabei, bis sie zu RTL/ProSieben wechselte.

2003 kam sie zum SRF, wo sie erst die «Mittagstagesschau», später «10vor10» moderierte.

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