Ein Grossbrand zerstört ein Stück Singener Kulturgeschichte

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Am Dienstagmorgen brannte die Scheffelhalle ab. In der Nachbarstadt herrscht Trauer und Entsetzen.

von Gudrun Trautmann

Erwachsene Männer stehen am frühen Dienstagmorgen im Singener Stadtpark und schauen weinend den Löscharbeiten der Feuerwehr zu. Frauen erleben im Zeitraffer ihre Kindheit und Jugend noch einmal. Fast jeder Singener und jede Singenerin hat in ­irgendeiner Weise Erinnerungen an diese Halle auf der kleinen Aachinsel. Jetzt ist sie einem Grossbrand zum Opfer gefallen. Der Verlust ist nicht nur schockierend für die meisten Bürger; er ist sowohl finanziell als auch ideell noch gar nicht genau einzuschätzen.

Wurde das Feuer gelegt?

Durch mehrere Explosionen, die bis weit in die Stadt hinein zu hören waren, wurden die Menschen gestern Morgen um kurz vor ein Uhr aus dem Schlaf gerissen. Nur wenige ­Minuten später schossen schon die Flammen aus dem Dach. Die Feuerwehr Singen und die Nachbarwehr aus Rielasingen-Worblingen sowie die Polizei waren mit grosser Mannschaftsstärke innerhalb weniger Minuten zur Stelle, um mit den Löscharbeiten zu beginnen und die Umgebung abzuriegeln. Die Halle ist umflossen von der Aach und einem Kanal, aus dem die Einsatzkräfte Löschwasser pumpen konnten. Ein Problem an der ­historischen Halle stellt das Dach dar. Es bestand aus Asbest. Kleinste Fasern davon setzen sich in der Lunge fest und können Krebs erregen.

Die Halle war fast 100 Jahre alt - jetzt ist sie komplett zerstört. Bild: Roberta Fele

Brennende Teile flogen durch die Luft und legten sich als Ascheregen über die gesamte Umgebung. Dem Vernehmen nach sollen die Nachbarstrasse gesperrt und die Partikel von Spezialreinigungskräften von den Grundstücken entsorgt werden. Ein roter Feuerball hatte sich in der Nacht weit sichtbar über der Halle gebildet. Von einer Evakuierung der Häuser konnten die Einsatzkräfte absehen, weil der Fluss und die Bäume am Ufer eine gewisse Barriere bildeten. Die Gluthitze war aber 100 Meter entfernt vom Brand zu spüren. Glücklicherweise war es windstill.

Wen man in der Stadt auch fragt: Jeder hatte eine persönliche Verbindung zu dem markanten Gebäude.

Erst vor einer Woche hatte der Singener Stadtrat über die Sanierung der Halle diskutiert. Der Kostenvoranschlag mit rund 5 Millionen Euro hatte die Räte entsetzt und das Projekt auf Eis legen lassen. Trotzdem wurde beschlossen, eine Finanzierung bis zum Jahr 2024 auf die Beine zu stellen, damit im Jahr darauf das 100-jährige Jubiläum der Halle gefeiert werden könnte. In den sozialen Medien wurde dieses Thema sehr emotional diskutiert, sodass noch in der Brandnacht etliche Schaulustige nicht ausschliessen wollten, dass es Brandstiftung gewesen sein könnte. Doch diese These ist keineswegs ­bestätigt. Die Kriminaltechnik hat gerade erst mit den Ermittlungen der Brandursache begonnen. Ausser der Halle sind auch 20 ­geparkte Autos einer Autovermietung verbrannt.

Ein belastender Einsatz für die Feuerwehrleute: Der Brand der Scheffelhalle. Bild: Roberta Fele

Die Scheffelhalle wurde vor 95 Jahren als Provisorium für ein Sängerfest gebaut. Doch Provisorien halten sich gewöhnlich länger als beabsichtigt. Und so war sie, bevor die Stadthalle 2007 eröffnet wurde, lange Zeit Singens Festhalle. Vor allem für die Poppele-Zunft war sie die Heimat. Berühmte Boxkämpfe haben hier stattgefunden, interkulturelle Feste, Hochzeiten und die Fasnacht. Unzählige Singener Paare haben sich hier kennengelernt. Der Verein «Freunde der Scheffelhalle» hat in den vergangenen Jahren mit viel Herzblut Spenden für die Sanierung der Halle gesammelt. Wen man in der Stadt auch fragt: Jeder hatte eine persönliche Verbindung zu dem markanten Gebäude. Für viele ist mit der Halle ein Stück Heimat in Flammen aufgegangen.

Audio
Bernd Häusler, Oberbürgermeister von Singen, und Singener Passanten sprechen über den Brand.
Radio Munot

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