Bischof wähnt Zölibat im Wanken

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Der Basler Bischof Felix Gmür liess kürzlich mit persönlichen Gedanken etwa zur Stellung der Frau in der katholischen Kirche und zum Zölibat aufhorchen.Bild Key

In der Frauenfrage sei die katholische Kirche nicht auf der Höhe der Zeit, sagt Felix Gmür. Kurz vor Weihnachten verrät der Basler Bischof, dass er mehrfach verliebt war – und sich vorstellen kann, dass Priester heiraten dürfen.

«Musik für einen Gast» heisst die Radiosendung auf SRF 2, in der vergangenen Sonntag Felix Gmür zu Gast war. Der Bischof des Bistums Basel gab dabei einige Töne von sich, die aufhorchen lassen. Er kritisierte die katholische Kirche wegen der Stellung der Frau. Deren Einbindung in die Ämterstruktur sei sicher nicht so, «wie es in unserem Staat sozusagen auf der Höhe der Zeit sein sollte». Immerhin: Papst Franziskus scheint Gmürs Analyse nicht gänzlich verkehrt zu finden. «Von grosser Bedeutung ist im Übrigen die Aufwertung der Rolle der Frau im Leben der Kirche», sagte er am Donnerstag beim Weihnachtsempfang der römischen Kurie.

Doch hegt Bischof Gmür Hoffnungen, dass Papst Franziskus in seiner Amtszeit auch entscheidende Schritte in Richtung Frauenpriestertum macht? «Ich weiss nicht, ob ich diese Hoffnung haben soll», sagte er im Radiogespräch. Gmür selbst zeigte schon früher Sympathien für dieses Anliegen. «Für mich persönlich spricht biblisch betrachtet nichts dagegen», sagte er im Februar gegenüber dem Internetportal kath.ch. Dies habe die Bibelkommission (eine Institution des Vatikans, Anm. der Red.) schon in den 1970er-Jahren gesagt. Allerdings sieht Gmür ein hohes Eskalationspotenzial. Er befürchtet, dass die Frauenfrage die Kirche vor eine Zerreissprobe stellen könnte und deshalb nicht so rasch zuoberst auf die päpstliche Agenda rückt.

Der Heirat gegenüber offen

Mehr Optimismus versprüht Gmür bei einem anderen Thema: der Heirat von Priestern. «Ich kann mir vorstellen, dass das kommen könnte.» Der Papst habe dies beim letzten Besuch der Schweizer Bischöfe in Rom jedenfalls nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. «Und das ist ja schon viel. Aber ich weiss nicht, ob ich das noch erleben werde», ergänzte der 50-Jährige.

Mit seinen Worten zur Rolle der Frau und zum Zölibat reitet Gmür auf einer progressiven Welle. Das hängt vielleicht mit seiner eigenen Vergangenheit zusammen. Im Radiogespräch verriet der aus Luzern stammende Kirchenmann, dass er vor und während seines Theologiestudiums mehrfach verliebt war. Auch heute noch würde er nicht Nein sagen, mit jemandem sein Leben in Liebe zu teilen. Eine solche Vorstellung sei aber momentan nicht an seinem Gedankenhorizont. «Es ist nicht etwas, wonach ich suchen würde.»

Aus welchen Äusserungen des Papstes Bischof Gmür seine Zuversicht für eine Lockerung des Zölibats, der Ehelosigkeit von Priestern, schöpft, bleibt offen. Aufgrund seiner vorweihnachtlichen Verpflichtungen konnte er nicht detailliert Stellung zu Fragen beziehen. Via Sprecher Hansruedi Huber lässt sich Gmür nur mit allgemeinen Worte zitieren: «Der Zölibat war über Jahrhunderte der Kirchengeschichte immer wieder Gegenstand von Anfragen und Auseinandersetzungen. Es gibt Vor- und Nachteile, die der Heilige Vater im Kontext der ­Lebensbedingungen in unserer modernen Gesellschaft abwägen muss, wenn er denn einen Entscheid treffen möchte.»

Spekulationen, dass der Zölibat ins Wanken kommt, sind aber tatsächlich im Umlauf. So berichtete das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» im Oktober, Franziskus habe Kardinal Claudio Hummes damit beauftragt, in Südamerika die Priesterweihe von verheirateten Männern ­aufzugleisen. Denkbar wäre demnach, in Südamerika eine Art Testlauf für ein zölibatfreies Priestertum durch­zuführen.

Im Kirchenrecht verankert wurde der Zölibat im Jahr 1139 unter der Ägide von Papst Innozenz II. Einige Vorgänger hatten bereits versucht, die sexuelle Enthaltsamkeit in der Ehe oder die Trennung der Priester von ihren Partnerinnen durchzuboxen, waren aber am Widerstand derselben gescheitert. Ein bedeutendes Motiv für die Einführung des Pflichtzölibats war wirtschaftlicher Natur. Die Kirche wollte sicherstellen, dass der Besitz eines Priesters nicht an dessen Nachfahren überging, sondern der Kirche erhalten blieb. Eine Rolle spielte auch das Argument, ein Priester könne sich ohne familiäre Verpflichtungen viel besser um die Seelsorge kümmern. Obwohl der Zölibat in der Geschichte (sogar durch Päpste) und der Gegenwart laufend gebrochen wurde und wird, hat die Regel aus dem Mittelalter noch immer Bestand.

Für die betroffenen Frauen, die in einer heimlichen Liebschaft mit einem Priester leben, bedeutet der Zölibat eine grosse Belastung. Werden die ­Gottesmänner Vater, verzichten die Frauen oft auf die Anerkennung der Vaterschaft, weil sie die Priester nicht verraten wollen. Der Verein für vom Zölibat betroffene Frauen (Zöfra) hat Kenntnis von mehr als 500 Frauen in der Schweiz, die eine versteckte Beziehung zu einem Priester hatten oder haben. Dabei wurden 103 Kinder gezeugt. Bisweilen haben die Kirchenmänner gleich mehrere Geliebte. Spitzenreiter war laut Zöfra ein polnischer Priester, der in sechs Jahren Beziehungen zu vier Frauen hatte.

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