Die Nachteile überwiegen

Zeno Geisseler | 
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Symbolbild

Das Volk soll künftig über Lehrpläne entscheiden können. Dies fordert eine Volksinitiative, die sich in erster Linie gegen den Lehrplan 21 richtet. Die SN-Redaktion empfiehlt, diese Initiative abzulehnen.

Das Volk soll künftig über Lehrpläne entscheiden können. Dies fordert eine Volksinitiative, die sich in erster Linie gegen den Lehrplan 21 richtet. Die SN-Redaktion empfiehlt, diese Initiative abzulehnen.

Lehrkräfte können nicht einfach das unterrichten, was ihnen gerade gefällt. Der Unterricht basiert auf einem Lehrplan, und über diese Lehrpläne, genauer über deren Einführung, kann das Schaffhauser Volk in drei Wochen abstimmen.

Im Grundsatz geht es bei der Volksinitiative «Ja zu Lehrpläne vors Volk» um die Frage, wer über Lehrpläne entscheiden darf. Heute ist dafür der Erziehungsrat zuständig, ein vom Parlament gewähltes Expertengremium aus elf Personen. Künftig soll in erster Linie das Parlament selbst über den Lehrplan entscheiden. Stimmt der Kantonsrat einem Lehrplan nicht mit einer Mehrheit von 80 Prozent zu, soll der Lehrplan vors Volk kommen.

Die Initiative, die von der SVP und der EDU getragen wird, enthält aber noch eine zweite, ganz wesentliche Forderung: Kantonsrat und, falls nötig, das Volk, sollen nicht nur über künftige Lehrpläne abstimmen können, sondern auch über solche, die seit dem 1. Januar 2015 erlassen worden sind. Mit dieser Klausel zielt die Initiative direkt auf den umstrittenen Lehrplan 21. Der Erziehungsrat hat nämlich bereits beschlossen, dass der Lehrplan 21 auch in Schaffhausen eingeführt werden soll, und dieser Entscheid soll rückwirkend umgestossen werden können.

Dass das Volk mehr Mitsprache bekommt, muss positiv bewertet werden

Die Redaktion der «Schaffhauser Nachrichten» hat sich eingehend mit der Vorlage auseinandergesetzt und bringt dem Vorhaben durchaus Sympathien entgegen. So ist im Grundsatz nichts daran auszusetzen, dass dem Volk mehr Mitsprache gewährt werden soll. Wir teilen dabei die Befürchtungen nicht, dass der Stimmbürger mit dem fast 500 Seiten dicken Lehrplan überfordert würde. Die Bürger fällen ihr Urteil immer wieder über sehr komplexe Vorlagen, man denke etwa an die zahlreichen Abstimmungen über das Verhältnis der Schweiz zur EU, an das anstehende Referendum zur Unternehmenssteuerreform III oder, bei uns im Kanton, an die Urnengänge über die Energiestrategie oder über das kantonale Budget. Eine Volksabstimmung bedeutet zudem immer auch, dass die Verantwortlichen sich einer ausgiebigen Diskussion stellen müssen. Ein Vorteil, den wir ebenfalls anerkennen, ist, dass ein Lehrplan eine stärkere Basis hat, wenn er vom Parlament – oder sogar vom Volk – getragen wird, als wenn ein Expertengremium ihn hinter verschlossenen Türen beschliesst.

Die Nachteile überwiegen, und der Volkswille muss respektiert werden

Diesen Vorzügen stehen allerdings mehrere Nachteile gegenüber, welche nach Ansicht der SN-Redaktion überwiegen. Erstens ist es rechtsstaatlich bedenklich, wenn die Spielregeln rückwirkend geändert werden sollen, nur weil eine Gruppe es verpasst hat, gegen einen Sachverhalt aktiv zu werden. Dies darf aus Gründen der Rechtssicherheit nicht passieren.

Zweitens, und jetzt geht es um den Lehrplan 21, gilt es, frühere Entscheide des Volks zu berücksichtigen: 2006 hat der Schweizer Souverän den Bildungsartikel angenommen. Damit gibt es einen verfassungsmässigen Auftrag an die Kantone, ihre Bildungssysteme zu vereinheitlichen. Auch der Kanton Schaffhausen stimmte mit fast 80 Prozent zu. Vier Jahre später lehnte das Schaffhauser Volk einen Austritt aus dem Harmos-Konkordat mit 51,7 Prozent Nein-Stimmen knapp ab. Damit hat es erneut seinen Willen nach einer Harmonisierung der schweizerischen Bildungslandschaft kundgetan. Gemeinsame Lehrpläne sind ein Kernstück von Harmos. Die SN, notabene, waren gegen den Bildungsartikel und für den Harmos-Austritt, doch das Volk hat anders entschieden, und diese Volksmeinung muss auch in die Beurteilung der aktuellen Initiative einfliessen. Es wäre nicht richtig, entgegen dem expliziten Willen der Stimmbürger nun doch einen kantonalen Alleingang in Schulfragen zu fordern. Aus all diesen Gründen empfehlen wir den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, die Initiative «Ja zu Lehrpläne vors Volk» abzulehnen.

Argumente Pro

  • Mehr Mitsprache: Das Parlament und allenfalls das Volk können über Lehrpläne entscheiden.
  • Breit abgestützt: Ein Lehrplan, der vom Volk genehmigt wird, ist breiter abgestützt als einer, der von Experten beschlossen wird.

Argumente Kontra

  • Einheit gewünscht: Das Volk hat sich in früheren Abstimmungen für eine Harmonisierung der Bildung ausgesprochen.
  • Rückwirkung fragwürdig: Etwas rückwirkend zu ändern, ist problematisch.

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