«Revolution» in der Kammgarn mit Konstantin Wecker

Eine Botschaft macht den, der sie verkündet, verletzlich. Das weiss Konstantin Wecker und geht trotzdem volles Risiko ein. Dies macht ihn stark.
Wer an ein Konstantin-Wecker-Konzert geht, braucht Zeit, denn er kriegt viel geboten: eine knapp dreistündige Show, die einen grossen Bogen schlägt, einen Bogen über ein halbes Jahrhundert, von den Anfängen des Münchners bis in die Gegenwart. «Ich singe, weil ich ein Lied hab» war der Auftakt zum Konzert am Freitagabend in der voll besetzten Kammgarn, und bereits das zweite Lied forderte jede und jeden Einzelnen im Publikum auf, nicht stumm im eigenen Elend zu verharren: «Wenn dir was weh tut, musst du schrein.»
Konstantin Wecker, im roten Hemd mit silbergrauem Kinnbart und schwarzer Brille, trat an die Bühnenkante und sagte: «Ganz bewusst habe ich diese beiden frühen Stücke an den Anfang des Programms gestellt, damit ihr seht, es hat sich nichts an meiner anarchischen Einstellung geändert.» Das Publikum lachte, aber dem Sänger und Poeten war es – durch alle immer wieder aufblitzende Selbstironie hindurch deutlich spürbar – ernst. Nicht umsonst heisst seine gegenwärtige Tournee «Revolution». Allerdings stellte sich heraus, dass es sich dabei um eine gewaltfreie Revolution handelt, um die Poetisierung der Welt. Wecker outete sich im Laufe des Abends als Frühromantiker und zitierte Novalis mit den Worten: «Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren sind Schlüssel aller Kreaturen (…), dann fliegt vor einem geheimen Wort das ganze verkehrte Wesen fort.» Kapitalismus- und Konsumwutkritik prägten zwei vielleicht weniger überzeugende Stücke, das eine über die Düsseldorfer Königsallee, das zweite über Waffenhändler.
Fast wie auf dem Kirchentag
Tief grub Konstantin Wecker, der studierte Musiker und Psychologe, in der lyrischen Tradition, brachte Georg Heym mit seinem Gedicht «Der Krieg» ans Licht, streifte Rilke, um schliesslich bei Angelus Silesius und Meister Eckhart zu landen. Aber das war schon kurz vor Konzertschluss, als er den Bogen schlug zum Anfang und das Gedicht sang mit dem Text: «Die Ros’ ist ohn warumb, sie blühet, weil sie blüht.» So sollten wir leben, sagte Konstantin Wecker, und uns nicht nur dann als nützlich erachten, wenn wir einen aufoktroyierten Zweck erfüllen.
Ja, Konstantin Wecker hat eine Botschaft, und damit macht er sich verletzlich. Das weiss er, und es ist ihm egal, im Gegenteil. Er wirft sich mit seiner ganzen Kraft in die Speere der Gegner: «Ich bin rückhaltlos für eine Willkommenskultur», sagte er und: «Es ist eine grenzenlose Welt, in der ich leben will.» Das Ganze bekam immer wieder eine religöse Färbung, vor allem, als Wecker nach einem Lied das Publikum aufforderte, sich zu umarmen. Dieses Zeichen der Verbundenheit dürfe schliesslich nicht nur dem Kirchentag vorbehalten sein, meinte er.
Und die Musik? Die war stark, sie war, wie man sie von Wecker kennt, kraftvoll und zärtlich, mit feinem Cello, gespielt von Fany Kammerlander, und es fetzte und rockte für einen Liedermacher ganz beachtlich, wenn die ganze Band loslegte.
Auch wenn Konstantin Wecker Aufforderungen aus dem Publikum, den «Willy», seine Anti-Neonazi-Hymne, zu spielen, zurückwies mit dem Hinweis: «Ich gestalte mein Programm selber», war er doch ein Künstler, der die Nähe der Leute suchte, sich singend unter sie mischte und am Ende beim Büchertisch zum Signieren Platz nahm.