«Unsicherheit ist für jede Währung Gift»

Jeannette Vogel | 
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Das britische Pfund hat 2018 fast sechs Prozent zum Franken verloren. Wohin diese Reise geht, wird wohl auch die Queen nicht wissen. Bild: Jeannette Vogel

Am 29. März um Mitternacht erlischt die Mitgliedschaft Grossbritanniens in der EU. Was passiert dann mit der britischen Währung? Schaffhauser Bankleiter wagen für die SN Prognosen.

Der Währungsrechner zeigt an: Ein britisches Pfund entspricht 1.29 Franken, ein Franken entspricht 0,77 Pfund Sterling. Der Euro ist zwar die einheitliche Währung in 19 EU-Ländern, aber Noch-EU-Mitglied Grossbritannien hat seine eigene Währung stets behalten. Der 29. März ist der Stichtag für den Austritt des Landes aus der EU, ohne dass bisher geklärt worden ist, wie künftig die Beziehungen aussehen werden. Gibt es noch ein Austrittsabkommen, oder kommt es zu einem ungeregelten Brexit? Und – wie wird der Schweizer Devisenmarkt reagieren?

«‹Rette sich, wer kann›, ist falsch»

Der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Clientis BS Bank Schaffhausen ist optimistisch gestimmt, was den Markt angeht: «Der Stichtag für den Ausstieg ist schon lange bekannt. Die Ausgangslage ist somit im Grundsatz klar.» Lorenz Laich rechnet nicht damit, dass die britische Währung unter Druck gerät: «Wenn Angst herrschen würde, wäre das Pfund jetzt schon viel volatiler.» Allerdings, so ein Szenario habe es noch nie gegeben, räumt Laich ein: «Aus der Geschichte lässt sich nichts ableiten.» Laich hält weder voreilige Pfundkäufe noch Pfundverkäufe für ratsam: «‹Rette sich, wer kann›, ist völlig falsch.»

Je nachdem, ob es einen geregelten oder einen harten Brexit gebe, entwickle sich das Pfund besser oder schlechter, sagt Martin Vogel. «Ein Tief hatten wir Anfang Januar, wo wir kurz bei 1,2333 lagen», sagt der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Schaffhauser Kantonalbank. Gibt es einen geregelten Brexit mit überwindbaren Schwierigkeiten, wird das Pfund in ähnlichen Bandbreiten liegen, so seine Pro-gnose. «Tauchen aber unerwartete Schwierigkeiten wie aktuell ‹Ford droht der Regierung mit Arbeitsplatzverlagerung› auf, gibt es Druck auf das Pfund.» Sollte es aber zu einem harten Brexit mit Schwierigkeiten am Zoll oder zur Abwanderung von Firmen kommen, könnte das Pfund mit stärkeren Ausschlägen gegen unten reagieren, sagt Vogel. «Läuft alles mehr oder weniger ohne grosse Schwierigkeiten ab, sehen wir das Pfund eher gegen 1,35.»

Was rät Martin Vogel demjenigen, der im Sommer Ferien im Vereinigten Königreich geplant hat – soll er vor oder nach dem Stichtag 29. März Franken in Pfund wechseln? «Wenn er unter 1.27 wechseln kann, fährt er sowieso günstig. Ist es vorher einmal wieder darunter, würde ich wechseln und sonst abwarten.»

Unsicherheit ist Gift

Seit dem Brexit-Referendum Mitte 2016 hat sich die britische Währung bereits um rund 15 Prozent abgewertet: «Für mich ist klar, der heutige Pfundkurs ist fair, er spiegelt alle gegenwärtig verfügbaren Informationen wider», sagt Bankleiter Beat Stöckli. Wegen des ständigen Seilziehens seien vernünftige Prognosen über den Kursverlauf in den nächsten Wochen allerdings kaum möglich.

«Ich wette nicht dagegen.»

Beat Stöckli, Bankleiter Ersparniskasse Schaffhausen

Um die Wirtschaftsmacht Grossbritannien macht sich der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Ersparniskasse Schaffhausen wenig Sorgen: «Immerhin ist sie nach Deutschland die zweitgrösste Volkswirtschaft der EU. Und die Nummer fünf weltweit.» Diese wirtschaftliche Stabilität werde anhalten, für global tätige Schweizer Unternehmen sieht Stöckli keine dunklen Wolken am Wirtschaftshimmel aufziehen.

Was soll der Schaffhauser machen, der eine grössere Summe an britischen Pfund auf der hohen Kante hat? «Ich würde eher dazu raten zu verkaufen», sagt Stöckli. «Unsicherheit ist für jede Währung Gift. Und gegenwärtig herrscht Unsicherheit.» Das Pfund hat 2018 fast sechs Prozent zum Franken verloren. Stöckli kann dem Pfund für die nächste Zeit kein Aufwärtspotenzial bescheinigen: Die einhellige Meinung sei, dass sich das Pfund weiter abschwäche, wenn auch nur leicht: «Ich wette nicht dagegen.» Bei einem harten EU-Ausstieg könnte es hingegen einen Taucher geben und das Pfund um bis zu zehn Prozent fallen, so Stöckli.

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