Zwei Schaffhauser machen die Welt zu ihrem Büro

Aus dem Alltag ausbrechen, reisen und nebenbei arbeiten – für digitale Nomaden gehören feste Arbeitsplätze und -zeiten der Vergangenheit an. Ein Paar aus Schaffhausen wird in den nächsten zehn Monaten die Vor- und Nachteile des digitalen Nomadentums kennenlernen.
Neuer Arbeitstrend: Digitales Nomadentum
Fortschreitende Digitalisierung, Mobilität und Flexibilität – das digitale Nomadentum wird als Arbeitstrend gefeiert. Lorenz Ramseyer aus Kerzers war lange selbst als digitaler Nomade unterwegs. Er beschäftigt sich seit 2006 mit dem ortsunabhängigen Arbeiten. 2014 hat er eine Master-arbeit darüber verfasst. «Die Anforderungen an die Arbeitnehmer steigen ständig, es wird eine immer höhere Leistungsbereitschaft und Flexibilität verlangt», sagt Ramseyer. «Das Nomadentum von Fachkräften kommt diesen Anforderungen entgegen, und die technischen Errungenschaften helfen dabei stark mit», so Ramseyer.
Mit dem Camper durch Europa
Schweizer Zahlen über digitale Nomaden liegen nicht vor, die Schätzungen driften auseinander, so Ramseyer. Er geht von mehreren Hundert Personen jährlich aus, Tendenz steigend. Auch in Deutschland gebe es keine verlässlichen Zahlen, so der 44-Jährige, allerdings: «Die deutsche und die Schweizer Szene unterscheiden sich. Deutsche brechen die Zelte in ihrem Heimatland viel häufiger ganz ab. Wir Schweizer behalten gern einen Ankerplatz hier.» Lorenz Ramseyer war ursprünglich Lehrer. Er sammelte einige Jahre Erfahrung in seinem Beruf und wechselte dann in die IT-Branche. Er ist Vater eines sieben Monate alten Sohnes. Sein Plan: «Bald mit Mutter, Kind und einem Camper als digitaler Nomade in Europa unterwegs sein.» (jvo)
Ihr Büro ist überall dort, wo es schnelles Internet gibt. Das einzige Arbeitsgerät ist ein Laptop, vielleicht noch ein Fotoapparat. Digitale Nomaden verdienen ihren Lebensunterhalt an Orten, wo andere Ferien machen. Viele sind selbständig Erwerbende, häufig kommen sie aus dem Marketing- und dem IT-Sektor oder aus dem Journalismus.
Daniela Christen und Manuel Stamm aus Schaffhausen werden ab Februar ein Leben als digitalen Nomaden auf Zeit führen, im Dezember wollen sie wieder an den Rhein zurückkehren. Die 28- und der 29-Jährige beschäftigen sich seit vergangenem Sommer intensiv mit dem Thema. Manuel Stamm konnte seine Stelle bei der Schaffhauser Werbeagentur Visual Values behalten und das Pensum halbieren. Er wird etwa Webseiten und Broschüren für regionale Unternehmen «mit den Füssen im Sand» entwerfen. Dafür ist er auf eine verlässliche und schnelle Internetverbindung angewiesen, ebenso wie Daniela Christen, die bis vor Kurzem für die Stadt Zürich gearbeitet hat. Sie hat schon einige Aufträge «für unterwegs» in der Tasche: «Ich werde Social-Media-Kanäle für Kunden betreuen, Videos schneiden und Websites entwerfen.»
Ein digitaler Nomade mit Festanstellung stellt eher eine Ausnahme dar, ansonsten entsprechen die beiden dem Bild, das vor allem das Internet von digitalen Nomaden zeichnet: jung, gut ausgebildet, Erfahrung im Arbeitsleben und noch ohne Familie. «Wenn nicht wir als digitale Nomaden unterwegs sein sollen, wer dann?», sagte sich Daniela Christen und steckte Manuel Stamm mit ihrer Begeisterung an. Sie hoffen auch auf ein passives Einkommen, etwa durch Sponsoring oder Produktwerbung.
One-Way-Tickets
Was sich bereits ausgezahlt habe, sei die gute Vorbereitung: ob Finanzen, Reiseversicherung oder Krankenkasse, die lange To-do-Liste ist abgearbeitet und die Schaffhauser Wohnung untervermietet. Christen hat auch die rechtliche Seite als Freiberufliche nicht ausser Acht gelassen: Sie sei noch am Überlegen, ob sie eine einfache Gesellschaft gründen wolle. Freunde, Kollegen und potenzielle Kunden wurden persönlich über das Vorhaben mit dem Projektnamen Rhylocate informiert. Während der nächsten Monate werden sie über das Internet auf dem Laufenden gehalten.
Morgen geht es los, mit wenig Gepäck und je zwei One-Way-Tickets im Rucksack. Nach einem einwöchigen Zwischenstopp in Hongkong geht es weiter nach Neuseeland. Damit hört die Planung aber auf: «Wir werden uns treiben lassen», sagt Stamm. Am wahrscheinlichsten sei, dass das nächste Ziel Asien sei: «Dort gibt es super Co- working Spaces, das sind Arbeitsplätze mit Infrastruktur auf Zeit, die sind ideal für digitale Nomaden wie uns.»