Das Volk hat «7 to 7» wuchtig verworfen

Kein Zwang bei der Einführung von Tagesschulen will die Schaffhauser Stimmbevölkerung den Gemeinden auferlegen. Angenommen ist der Gegenvorschlag mit 59,1 Prozent Stimmenanteil.
Reaktionen Alle hatten mit diesem Abstimmungsausgang gerechnet
Regierungsrat Christian Amsler freut sich über das Ja zum Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Tagesschulen 7 to 7» : «Ich bin mehr als erfreut über das klare Verdikt des Schaff- hauser Souveräns», sagt Amsler. «Es ist ein grosser Tag für die Regierung.» Mit der Annahme des Gegenvorschlags werde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert. «Dahingehend wollten die Initianten und unser Gegenvorschlag ja dasselbe», so Amsler. «Aber sie sind über das Ziel hinausgeschossen.» Dennoch wand er den Initianten ein Kränzchen, sie hätten engagiert gekämpft. Die Regierung werde das neue Schulgesetz bald in Kraft setzen. «Ich bin überzeugt davon, dass im Bereich der Tagesschulen in den nächsten fünf Jahren viel gehen wird», so Amsler.
Enttäuscht über das Resultat ist Nicole Hinder, Co-Präsidentin der AL. «Wir haben zwar damit gerechnet, dass unser Anliegen nicht durchkommt», sagt Hinder. «Aber die Deutlichkeit der Resultate in gewissen Gemeinden ist doch enttäuschend.» Das An- liegen «7 to 7» sei wohl zu progressiv gewesen für Schaffhausen. Ob es besser sei, dass zumindest der Gegenvorschlag angenommen worden sei? «Es wird sich zeigen, wie der Gegenvorschlag um-gesetzt wird», sagt Hinder. «Es kann auch so herauskommen, dass der Status quo zementiert wird und die bestehenden Strukturen nun lediglich subventioniert werden.» Auf alle Fälle sei das Thema noch nicht gegessen für die AL. «Jetzt müssen wir auf Gemeindeebene schauen, in welche Richtung es geht», sagt Hinder.
Erwin Sutter, Präsident der EDU Schaffhausen, ist an und für sich zufrieden mit dem Resultat der Abstimmung. «Es ist so heraus- gekommen, wie wir die Parolen gefasst haben», sagt Sutter. «Begeisterung über den Gegenvorschlag herrschte aber keine.» Er mahnt an, dass bei diesem Modell ein Teil der Familien auf der Strecke bleibe. «Für die Eltern, die ihre Kinder sel- ber betreuen, geht es finanziell nicht auf», sagt er. «Es gibt im Kanton viele Frauen, die zu Hause sind und ihre Erziehungsverantwortung wahrnehmen», so Sutter. Dennoch ist Sutter wie Regierungsrat Amsler der Überzeugung, dass jetzt neue Tagesstrukturen entstehen werden. «Die Gemeinden sind jetzt gefordert», sagt er. «Diese müssen jetzt etwas auf die Beine stellen.»
Deutlich hat der Souverän gestern Ja gesagt zum Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Tagesschulen 7 to 7». 15 167 Stimmberechtigte (59,1 Prozent) stimmten der Änderung des Schulgesetzes zu, das den Aufbau von Tagesstrukturen im Kanton auf für die Gemeinden freiwil- liger Basis und mit Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten vorsieht. 24,9 Prozent oder 6468 Stimmberechtigte stimmten für die zweite Variante, wie Tagesstrukturen im Kanton aufgebaut werden sollten: Die Volksinitiative der Alternativen Liste forderte per Verfassungsartikel für die Eltern kostenlose Tagesschulen in allen Gemeinden.
Keine einzige Gemeinde im Kanton stimmte letztlich für das Volksbegehren der AL. In der Stadt kam das An-liegen auf einen Stimmenanteil von 31,8 Prozent, in Neuhausen am Rheinfall auf 27,3 Prozent. In drei Gemeinden gab es ein doppeltes Nein zu beiden Vorlagen, wie es die SVP und die EDU empfohlen hatten, nämlich in Ramsen, Trasadingen und Oberhallau (dort mit nur einer Stimme Unterschied).
Bei der Stichfrage stimmten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in allen Gemeinden für den Gegenvorschlag. Total 73,6 Prozent der Stimmenden hätten dem Gegenvorschlag den Zuschlag gegeben, falls beide Vorlagen angenommen worden wären.
Kanton zahlt neu ein Viertel
Damit ist der Weg frei für die Umsetzung des regierungsrätlichen Gegenvorschlags, der als Konzept mit einem modulhaften Aufbau der Betreuungsangebote nach den Erfahrungswerten aus anderen Kantonen bereits vorliegt. Vorgesehen sind Frühmorgens-, Vormittags-, Mittags-, Nachmittags- und Spätnachmittagsbetreuungsangebote. Etliche Gemeinden im Kanton, namentlich die grossen, haben bereits solche Strukturen zur Betreuung der Schulkinder an Schultagen nebst dem Unterricht. Eltern, Kanton und Gemeinden teilen sich die Kosten. Der Kanton beteiligt sich pro Betreuungsplatz fix mit einem Viertel der Kosten auch an den bestehenden.
Weg ist nun frei für pragmatische Lösungen
Kommentar von Mark Liebenberg
Nein, Schaffhausen wird bei der Tagesbetreuung von Kindergarten- und Schulkindern nicht zum Skandinavien der Schweiz. Drei Viertel der Stimmberechtigten haben die Idee von vollumfänglich von der öffentlichen Hand finanzierten Tagesstrukturen an allen Schulen des Kantons überdeutlich verworfen. Dies lag zum einen an den hohen Kosten von zehn Millionen Franken pro Jahr, die auf Kanton und Gemeinden mit der Umsetzung der Volksinitiative «Tagesschulen 7 to 7» zugekommen wären. Zum anderen haben die Stimmbürge-rinnen und Stimmbürger erkannt, dass mit dieser schweizweit un- üblichen Lösung auch Fehlanreize geschaffen worden wären und der Zwang zum Aufbau von solchen Strukturen in allen Schulgemeinden wenig sinnvoll ist.
Ob verlockend oder verwegen – den Initianten der Volksinitiative ist zugutezuhalten, dass sie das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sozusagen auf den obersten Platz auf der politischen Agenda katapultiert haben. Im Kanton sollen bessere Voraussetzungen geschaffen werden, damit gerade gut ausgebildete Mütter von Kindern im Kindergarten- und Primarschulalter einer Berufstätigkeit nachgehen können. Mit dem gestern deutlich angenommenen Gegenvorschlag liegt ein fertiges Konzept vor, mit dem die Gemeinden jetzt pragmatische Lösungen verwirklichen können, die dem Bedarf der Familien vor Ort entsprechen. Wie sich Eltern und Gemeinden die Restkosten aufteilen, das wird hier und da für Gesprächsstoff sorgen, so viel ist klar.
Die Initianten von der Alternativen Liste wurden trotz gut gemachter Kampagne auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Zwar haben sie im linken Lager solide Unterstützung erhalten. Aber in keiner einzigen Gemeinde scheint das verlockende Angebot darüber hinaus auf nennenswertes Gehör gestossen zu sein – nicht einmal in der Stadt.