Wohnen bedeutet auch «zufrieden sein»

Altra, die Sozialinstitution für Menschen mit einer Beeinträchtigung, hat zwei Häuser für betreutes Wohnen in Buchthalen eingeweiht.
Betreutes Wohnen «Es ist heute normal, anders zu sein»
«Für uns alle bilden Wohnung und Arbeit den Lebensmittelpunkt», sagt Sonja Anderegg, Bereichsleiterin Wohnen bei der Altra Schaffhausen. Doch während Jahrhunderten wollte man diesen Lebensmittelpunkt von Menschen mit einer Beeinträchtigung möglichst fernhalten … in Heimen ausserhalb des «normalen» Lebens. Heute ist der Ansatzpunkt ein radikal anderer: «Mittendrin erhalten diese Menschen die Möglichkeit, selbständiges Wohnen auszuprobieren und zu trainieren, aber nicht einfach auf sich selbst gestellt, sondern begleitet und unterstützt.» Für Sonja Anderegg ist es genau das, was nun in den beiden Häusern der Altra für betreutes Wohnen in Buchthalen geschieht.
Die Isolation aufbrechen muss aber ebenso die Bevölkerung im Quartier. Sonja Anderegg erkennt da kein Problem. Die Erfahrungen mit dem Haus der Altra für betreutes Wohnen an der Nordstrasse seien durchs Band positiv: «Man sieht die hier betreut Wohnenden als Bereicherung im Quartier.» Erstaunlich? Vielleicht sei es heute einfach «normal geworden, anders zu sein», meint Sonja Anderegg. Natürlich spüre man manchmal eine gewisse Unbeholfenheit, wie man diesen «anderen» begegnen soll. Aber schnell werde erkannt, dass «die anderen gar nicht so anders sind».
Im Englischen wird mit «to live» sprachlich nicht unterschieden zwischen «leben» und «wohnen». Und im Althochdeutschen war «wonên» gleichbedeutend mit «zufrieden sein». Daran erinnerte Barbara Grauwiler, Leiterin der Fachstelle Behinderung beim kantonalen Sozialamt, an der Einweihung des jüngsten Angebotes für betreutes Wohnen durch die Altra Schaffhausen. So unstatthaft eine englisch-althochdeutsche Wortvermengung auch sein mag – «Leben und zufrieden sein» könnte über dem Hauseingang an der Buchthalerstrasse 145/147 stehen.
Mit Bindeglied Lücke geschlossen
2011 hatte die Altra Schaffhausen, Institution für Menschen mit Beeinträchtigungen, die beiden Liegenschaften erworben, sie nun – auch dank der Jakob-und-Emma-Windler-Stiftung – für rund anderthalb Millionen Franken renoviert und mit einem als Gemeinschaftsraum dienenden Pavillon miteinander verbunden. Insgesamt sechzehn einfach, aber zweckmässig möblierte Drei-Zimmer-Wohnungen bieten, getrennt in ein Erwachsenen- und ein Jugendhaus, ein Zuhause für 32 Menschen mit Beeinträchtigungen. Damit wurde nicht nur Ersatz für das ehemalige Internat Stokarberg geschaffen, sondern «mit einem Bindeglied eine Lücke geschlossen» (so Sonja Anderegg, Bereichsleiterin Wohnen bei der Altra; siehe Beitrag rechts): Zwischen dem Heim an der Nordstrasse mit umfassender Betreuung und dem Haus an der Neustadt, wo in Ein-Personen-Haushalten in unterstützter Eigenverantwortung gelebt wird, bildet Buchthalen eine Mittellösung: Die Betreuung findet vorwiegend morgens und abends sowie an den Wochenenden statt, und die Bewohner können sowohl weitgehend autonom wohnen wie auch Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen und sich morgens und abends im Gemeinschaftsraum verpflegen lassen. Die beiden Wohnblöcke sind Teil des vierstufigen, bis zum begleiteten Wohnen in privaten Räumen reichenden Wohnkonzeptes der Altra. Seit deren Gründung vor über fünfzig Jahren habe sie stets «die Nase vorn gehabt», sei es mit einer einmalig «breiten und farbigen Palette von Angeboten», sei es jetzt mit dieser neuen Wohnform, lobte bei der Einweihung die Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff, Präsidentin von Insos, dem schweizerischen Branchenverband von Institutionen für Menschen mit Behinderung. Das Setting passe haargenau zum von der Schweiz ratifizierten UNO-Übereinkommen über die Rechte für Menschen mit Behinderung, in dessen Zentrum die Forderung nach Autonomie, Inklusion und Partizipation der Menschen mit Beeinträchtigungen stehe.
Fröhliches Einweihungsfest
Der Freude über das weitere Angebot für betreutes Wohnen und Jugend-Wohnen gaben an der Einweihung aber nicht nur Gastgeber und Gäste Ausdruck – so konnte Altra-Geschäftsführer Alain Thomann unter anderen Regierungsrat Walter Vogelsanger begrüssen –, sondern ebenso die ersten, bereits eingezogenen Bewohner. «Ich fühle mich wohl», hörten wir nicht nur einmal beim fröhlichen Fest mit Musik (das Schaffhauser Trunk-Trio spielte auf), grossem Buffet, Haus- und Wohnungsbesichtigungen und munterem Geplauder. Der weiterhin notwendige «lebendige Dialog zwischen Leistungsträgern, Leistungsbezügern und Leistungserbringern, das heisst das gemeinsame Suchen nach innovativen Lösungen» (so Marianne Streiff), hat hier offenkundig Früchte getragen.