Abstimmen künftig per Knopfdruck

Mark Liebenberg | 
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Schon ab Januar könnte im Schaffhauser Kantonsrat eine elektronische Abstimmungsanlage zum Einsatz kommen.

Frühgymnastik soll im Schaffhauser Kantonsparlament künftig entfallen. Ab Anfang Januar 2018 sollen sich die Kantonsrätinnen und Kantonsräte zum Abstimmen während der Sitzungen am Montagmorgen nicht mehr wie bis anhin von ihren Stühlen erheben müssen. Vielmehr werden sie ihre Stimme dann per Knopfdruck abgeben können.

Darüber entschieden, dass die Abstimmungen im Rat nicht mehr von Hand, sondern von einer elektronischen Anlage ausgezählt werden, hatte der Kantonsrat im September 2016. Er hat mit dieser Aufgabe das Ratsbüro, bestehend aus dem Präsidium, dem Sekretariat und der Staatskanzlei, beauftragt, die nötigen Abklärungen zu treffen. «Wir sind auf gutem Wege», sagt dazu Kantonsratspräsident Thomas Hauser. Bis Herbst will er dem Rat eine entsprechende Vorlage präsentieren können. Zweckmässig und kostengünstig sollte die neue Anlage sein. «Ausserdem können wir keine fixe Anlage installieren, für die man im denkmalgeschützten Saal Kabel verlegen und Löcher bohren müsste», sagt Hauser. Denn der Saal wird ja auch noch vom Kantonsgericht und vom Stadtparlament genutzt.

Elektronische Abstimmungsanlagen sind heute in vielen Legislativen auf kantonaler und kommunaler Ebene zu finden. Fündig wurde das Ratsbüro im sankt-gallischen Wil, wo eine mobile, elektronische Abstimmungsanlage seit drei Jahren im Einsatz ist. «Wir haben uns die Anlage und die Abläufe angesehen und mit den zuständigen Personen gesprochen», sagt Hauser. «Die Anlage hat uns sehr überzeigt.»

Das Ganze funktioniert so: Vor der Sitzung bezieht jedes Kantonsratsmitglied ein auf seinen festen Sitzplatz nummeriertes, mit einem Sender ausgestattetes Kästchen, das ähnlich wie eine TV-Fernbedienung aussieht. Verlässt ein Kantonsrat den Saal, muss er das Gerät abgeben, am Ende der Ratssitzung muss er es wieder zurückgeben.

Bei Abstimmungen jedweder Art aktiviert eine zu bestimmende Person per PC die Elektronik. Per Beamer erscheint auf einer Leinwand im Kantonsratssaal die Abstimmungsfrage, der Ratspräsident liest diese vor und eröffnet dann ein zwölfsekündiges Abstimmungsfenster. Die Parlamentarier drücken den entsprechenden Knopf. Auf der Leinwand wird das Abstimmungsresultat sofort dargestellt, und zwar in zwei Formen: einerseits die Anzahl Ja- und Nein-Stimmen sowie Enthaltungen, andererseits der Sitzplan mit roten (Nein), grünen (Ja), blauen (Enthaltung) oder grauen Pünktchen (Abwesende).

Automatisch erfasst die Software bei jeder Abstimmung die Stimmenverhältnisse und listet auf, welches Ratsmitglied wie gestimmt hat. Diese Liste soll zusammen mit dem Beschlussprotokoll öffentlich aufgeschaltet werden. «Neu würde also bei jeder einzelnen Abstimmung genau sichtbar, wer wie abgestimmt hat», sagt Hauser.

Die genauen Modalitäten und die dafür nötigen Änderungen in der Geschäftsordnung des Parlaments werden jetzt ausgearbeitet. Auch wer die Software während der Sitzung im Rat bediene – ob die Ratssekretärin, ein Stimmenzähler, die Ratsweibelin oder eine zusätzliche Person –, müsse noch besprochen werden, sagt Hauser. Die Stimmenzähler werden indes nicht so schnell überflüssig: Sie kommen weiter zum Einsatz, wenn Wahlen anstehen. Denn dann werden die Wahlzettel wie gehabt mit der Urne eingesammelt und im Nebenzimmer ausgezählt.

«Neu würde bei jeder einzelnen Abstimmung sichtbar, wer wie abgestimmt hat.»

Thomas Hauser, Kantonsratspräsident

Die gleiche Anlage wie jene in Wil kostet 20 000 Franken. Das Ganze kommt jetzt als Vorlage mit Kreditbeschluss vor den Kantonsrat. Die Behandlung durch eine vorberatende Kommission ist in diesem Fall nicht nötig. Hauser: «Die Zeit ist reif dafür, die Anlage dient der grösseren Transparenz des Ratsbetriebs.»

Mindestens zweimal war es im vergangenen Jahr zu peinlichen Zählfehlern gekommen, wie die Auswertung von Videoaufnahmen von zwei AZ-Journalisten nachträglich bewies. Anfang September 2016 verzählten sich die Stimmenzähler, was sogar dazu führte, dass eine Vorlage abgelehnt statt gutgeheissen wurde. Zwar wurde dieser Fehler nachträglich korrigiert, aber schon zuvor, im Januar 2016, war bei Abstimmungen im Rat nachweislich falsch gezählt worden. Der Verein «Gegen Hinterzimmerpolitik in Schaffhausen» hatte darauf die Volksmotion «Transparente und effiziente Stimmabgabe im Kantonsrat» eingereicht.

Gute Erfahrungen in Wil

Im 30-köpfigen Stadtparlament von Wil hat man mit der Anlage in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen ­gemacht. Ursula Egli, Präsident des Stadtparlaments Wil, sagt auf Anfrage der SN: «Die Bürger schätzen die erhöhte Transparenz der Abstimmungsergebnisse», so die oberste Wilerin. Am Anfang habe man den Umgang ein wenig üben müssen, auch heute noch komme es hie und da zu Verzögerungen technischer Art. «Aber insgesamt stellt es eine Verbesserung im Gegensatz zu früher dar, als wir noch mit Handerheben abgestimmt haben.»

Offen ist, ob sich das andere Parlament, das im Schaffhauser Kantonsratssaal tagt – nämlich der Grosse Stadtrat –, am Erwerb der Ablage beteiligen oder sie vom Kantonsrat mieten könnte. Laut Stefan Marti, dem Präsidenten des Grossen Stadtrats, wurde dies bislang weder im Ratsbüro noch im Ratsplenum besprochen. Man warte ab, was der Kantonsrat unternehme. «Es wäre aber sicherlich sinnvoll, wenn sich die Stadt beteiligen würde», sagt Marti. «Ich persönlich würde die elek­tronische Abstimmung begrüssen.»

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