Der frisch gewählte Stadtrat Marco Planas sagt: «Die Bevölkerung ist mein Kompass»

Mark Liebenberg | 
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Marco Planas ist mit dem drittbesten Resultat von allen Kandidierenden neu in den Schaffhauser Stadtrat gewählt worden. Wie er als Parteiloser in der Exekutive Politik machen will, welche Erwartungen seine Wähler in ihn setzen und welche Pflöcke er einschlagen will.

Herr Planas, letzten Sonntagabend kurz nach der Wahl haben Sie Ihr Befinden noch als «surreal» bezeichnet. Sind Sie mittlerweile in der realen Realität angekommen?

Marco Planas: Es hat gutgetan, zweimal darüber zu schlafen. Ich hatte zwar vorher ein gutes Gefühl, weil ich doch viel Zuspruch erhalten hatte, aber wissen kann man es nie. Es feuern einen ja nur jene Leute an, die einen gut finden, von den anderen weiss man es nicht. Insofern freut mich das Endresultat schon sehr.  

Sie haben zwar ohne Partei, aber nicht allein gefeiert: Wie war der Abend?

Planas: Wir haben im «Frohsinn» in Buchthalen gefeiert, ich fand es wichtig, eine Quartierbeiz zu unterstützen. Es kamen über hundert Menschen. Es geht wirklich quer übers ganze Spektrum, von ehemaligen AL-Leuten über Grüne und Sozialdemokraten bis hin zu Freisinnigen und früheren SVP-Mitgliedern. Das habe ich schon im Wahlkampf realisiert, dass ich sehr breit abgestützt bin. Und es war sehr interessant, mit vielen von ihnen zu reden und auch zu hören, welche Erwartungen sie an mich haben. Diese sind natürlich sehr heterogen.

Können Sie diese heterogenen Erwartungen alle erfüllen?

Planas: Ich musste natürlich schon bei Wahlkampfterminen immer zu allen, die mich unterstützten, sagen: Gell, ich weiss im Fall nicht, ob ich dann alle deine Wünsche erfüllen kann. Mir geht es am Schluss um Sachpolitik und ich habe gemerkt, dass vielen Menschen gar nicht so sehr eine Parteimeinung wichtig ist, sondern dass vielen meine Art und Weise des Politisierens gefällt. Dass ich jemand bin, der vernetzt ist und spürt, wo ihnen der Schuh drückt.

Wenn jemand in einer Partei ist, ist er als Politiker bis zu einem gewissen Grad berechenbar. Man weiss genau, wie er grundsätzlich in etwa tickt, für welche Werte, Interessen und Schwerpunkte er einsteht. Bei Ihnen hingegen weiss man das nicht so genau…

Planas: Hmm, das glaube ich nicht unbedingt. Es gibt kein Parteiprogramm, richtig, aber durchaus ein Profil: Von mir weiss man, dass ich mich in den letzten Jahren für die Bildung, für den Breitensport, für die Beizen und für die Altstadt eingesetzt habe. Und ich stehe für eine Sachpolitik aus der Mitte, das ist auch das, was ankommt. Was ich nicht habe, sind vorgefasste Haltungen etwa in der Verkehrs-, der Energie- oder Finanzpolitik, man muss die Situation anschauen. Ich kann zum Beispiel nicht prinzipiell für oder gegen Steuersenkungen sein. Ich finde, man kann den Steuerfuss moderat senken, wenn es der Stadt gut geht so wie jetzt, wenn nicht, dann muss man über Steuererhöhungen nachdenken, so sehe ich das. 

Sie sind ja erst seit Ende 2022 parteilos. Fast zwei Legislaturen haben Sie im Rat für die SP politisiert, bevor Sie mit Urs Tanner die Partei verlassen haben. Tanner sagt von sich, er sei nach wie vor zu 90 Prozent Sozialdemokrat. Wie sieht dieser Anteil bei Ihnen aus?

Planas: Ich stimme in vielleicht sechzig oder siebzig Prozent mit den Ideen der SP überein. In sozialen Anliegen zum Beispiel. Aber in der Vergangenheit habe ich auch immer wieder Kompromisse mit den Bürgerlichen gesucht, beim Baurecht etwa oder bei meinem Einsatz für mehr Gewerbefreiheit für die Altstadtbeizen. Es muss auch nicht immer alles stur nur vom Staat gemacht werden, es braucht auch die private Initiative, das geht für mich Hand in Hand. Das Wichtigste ist, dass wir die Stadt voranbringen. 

Für ein Anliegen haben Sie als Grossstadtrat besonders geweibelt: In vier Vorstössen haben Sie einen Polizeiposten am Bahnhof gefordert, was auch Bürgerlichen gefiel. Der Stadtrat hat das stets abgelehnt, jetzt wechseln Sie selber in dieses Gremium. Bringen Sie die Frage neu aufs Tapet dort?

Planas: Nun, ich will mich sicher dafür einsetzen, dass wenigstens ein Kompromiss Früchte trägt, nämlich mehr Polizeipatrouillen am Bahnhof. Aber es ist schon so, dass ich als Stadtrat dann einen anderen Hut aufhabe und die Mehrheitsmeinung als Teil einer Kollegialbehörde mittrage. 

Wird es nicht ziemlich schwierig, ohne Partei im Rücken und ohne Fraktion im Parlament Ihre Anliegen durchzubringen?

Planas: Das ist sicher eine Herausforderung. Ich möchte an die Fragen aber auch als Stadtrat ohne vorgefasste Partei- oder Fraktionsmeinung herangehen. Die Bevölkerung ist mein Kompass, und ich will die Meinungen aktiv abholen. So wie ich es seit meinem Fraktionsaustritt als Ratspolitiker getan habe. Klar, das ist zeitaufwendig, aber das ist mein Anspruch. 

Wie wollen Sie mit Ihrer Basis kommunizieren? Werden Sie ein Social-Media-Stadtrat?

Planas: Nein, nein. Twitter habe ich schon vor einigen Monaten abgestellt, das ist nicht so meine Plattform. Wie es sich in der Praxis zeigt, werden wir dann sehen.

Sie haben acht Jahre als Grossstadtrat die parlamentarische Seite erlebt. Welches ist die grösste Herausforderung im Rollenwechsel, der Ihnen in der Exekutive jetzt bevorsteht?

Planas: Jeder Neuanfang ist eine Herausforderung. Aber ich war in meinem Leben eigentlich schon immer ein Quereinsteiger, während des Studiums habe ich in der Gastronomie gearbeitet, dann als Journalist bei der «Schaffhauser AZ», drei Jahre später habe ich dann als Primarlehrer angefangen und schliesslich als Schulinspektor. Ich werde am Anfang bestimmt sehr viel zuhören und lernen müssen, Abläufe und Menschen kennenlernen.  

Amtsantritt ist im Januar, wie sieht Ihr beruflicher und privater Fahrplan bis dahin aus?

Planas: Ich arbeite sicher bis im Dezember weiter Vollzeit als Schulinspektor beim Kanton, dort gilt es dann, einen Nachfolger einzuarbeiten. Und sukzessive werden wir uns in den nächsten Monaten auch schon im Stadtrat austauschen, die Referatszuteilung festlegen und alles so vorbereiten, damit es nicht gerade ein Kaltstart wird im neuen Jahr.

Im Moment sieht es so aus, dass Sie als Stadtrat dem Kultur-, Sport- und Bildungsreferat vorstehen werden. Was wollen Sie dort, sagen wir nach einem Amtsjahr, erreicht haben?

Planas: Von meinem beruflichen Hintergrund würde ich mir dieses Referat wünschen. Im Bereich Bildung ist die Stadt personell sehr gut aufgestellt. Ich würde mir wünschen, dass nach einem Jahr die Schulleitungen überall ohne Reibungen gut etabliert sind, mir ist aber auch klar, dass es wohl kaum reibungslos gehen wird bei so vielen Schulen, aber das gilt es gut zu begleiten. 

Sie würden dann auch für die Kultur verantwortlich sein. Hier ist das Projekt Museumserneuerung wegen des Wechsels im Stadtrat sowie in der Museumsdirektion etwas auf Eis gelegt worden. Welche Pflöcke werden Sie hier einschlagen?

Planas: Ich komme sicher nicht hin und sage, wie es jetzt weitergehen soll. Auch hier habe ich keine vorgefasste Meinung, und es wird, sofern ich dieses Referat übernehmen kann, darum gehen, die Menschen kennenzulernen, die Optionen zu prüfen und dann zu entscheiden, wie es weitergehen soll.

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