Adventskalender - Tür 15

Von der Kunst, achtsam zu schenken

Besinnlich, geradezu gemütlich – so würde die Vorweihnachtszeit im Idealfall verlaufen. Doch die Realität sieht leider meist anders aus. Vor allem beim Thema Schenken kommt kurz vor Schluss oftmals Stress auf. Das muss nicht sein.

Noch haben wir mehr als genug Zeit, Geschenke für unsere Liebsten aufzutreiben, so viel Zeit, dass es all die Minuten, Stunden, Tage – jene doch noch beachtliche Spanne zwischen jetzt und Weihnachten – fast mit gutem Gewissen möglich machen, den Gedanken an die Auswahl der Geschenke wieder zu vergessen.

Besinnliche Zeit? – Von wegen!

Es tut mir leid, lieber Leser, liebe Leserin, wenn ich diesen Gedanken nun in Dir aufgescheucht habe. Wenn er wegen diesem Text, zuvor in einer Besenkammer des Bewusstseins abgestellt, die Tür nun eine Spaltbreit öffnet und sich hörbar anklagend bemerkbar macht. «Du musst mich jetzt denken! Wenn du mich nun wieder in die Rumpelkammer zurückscheuchst und die Aufmerksamkeit von mir abwendest, dann bleibt mir nur, zur Unzeit aus meinem Versteck hervorzuspringen und dich wirklich und ernsthaft zu ärgern, ganz kurz vor Weihnachten!» Ja so ist es, so beobachte ich das bei mir selbst, und wahrscheinlich wird es mir gelingen, diesen Gedanken an die Geschenke, diesen durchaus lästigen Gedanken, unter einem Berg von Prioritäten zu begraben.

Will nicht dieser Herr noch wegen jenem Projekt von mir hören und muss nicht diese Dame noch etwas überaus wichtiges mit mir besprechen? Hier und da und allenthalben sind noch Dinge zu erledigen. Tatsächlich steht die Welt in dieser «besinnlichen Zeit» ja keineswegs still, sondern dreht gerade vor Weihnachten so schnell, dass einem darob schwindlig werden muss. So viel soll vor dem neuen Jahr noch zu einem Ende gebracht werden, so viel ist ohne eine beschleunigte Tätigkeit nicht zu besorgen. Da kann der Gedanke an das Geschenk, dieser gerade jetzt so lästige Gedanke, gar nicht genug tief in die Untiefen des Bewusstseins herabgedrückt werden. Und doch würde es sich lohnen, ihn zu denken.

How to «Zen» beim Schenken

Ein Grossteil des Geschenkes besteht ja darin, dass wir uns den zu Beschenkenden – seinen Vorlieben und Eigenheiten, seine Äusserungen und geheimen Wünschen, seine ganzen intimen Geschichte mit uns – noch einmal ins Bewusstsein rufen. Im Idealfall ist das Geschenk fast gar nicht materielles Gut und fast nur ein Ausdruck davon: Ich habe an dich gedacht, ich habe mir die Mühe gemacht, mich in dich hineinzuversetzen, dir etwas zu schenken, dass genau zu dir passt. Dafür aber braucht es Zeit, nicht ganz so viel Zeit, wie in diesen Text geflossen ist, aber doch eine oder zwei Minuten des liebevollen, pflichtvergessenen Nachdenkens über den anderen.

Schenken wir, wenn wir bewusst und mit Achtsamkeit schenken, nicht was wir selbst gerne bekommen würden (– dann sagen wir damit, ich habe vor allem an mich selbst gedacht, also eigentlich gar nicht gedacht –) sondern schenken wir unter möglichst grosser Rücksichtnahme auf jenen Anderen. Eine Auswahl an Farbstiften bedeutet mehr als eine Goldkette, wenn ihre azurblaue Färbung just jener entspricht, die er mit viel Bedacht auch für seine Kappe und Handschuhe gewählt hat (und im Kunsthaus immer vor Picassos stehen bleibt, die der Künstler in seiner blauen Periode gemacht hat). Und eine Zimmerpflanze – sagen wir ein Elefantenfuss – ist beglückender als eine Flasche Wein, wenn sie bekundet, dass wir seinen botanischen Ausführungen vor dem Einschlafen genau gelauscht haben (und uns an das Plüschtier seiner Kindheit erinnern).