Zeitumstellung: Garant für Sommernächte oder Qual für Mensch und Tier?

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In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren wiederum eine Stunde vorgestellt. Ist die Sommerzeit eine sinnvolle Idee, oder hat sich die ­Gewohnheit schon längst überlebt?

Pro

von Darina Schweizer, Ressort Stein/Diessenhofen

Acht Monate. So lange war es in Schaffhausen letztes Jahr bewölkt, bedeckt oder nass. Die Sonne wagte sich gerade einmal etwas mehr als 100 Tage hinter den Wolken hervor. Man könnte verzweifeln. Muss man aber nicht. Dank der Sommerzeit darf man die schönsten und wärmsten Tage im Jahr immerhin eine Stunde länger geniessen. Ob beim Grillabend mit Freunden am Rhein oder beim Schifffährtchen in den Sonnenuntergang, man hat nach Feierabend endlich einmal Zeit, sich mit seinen Liebsten bei Licht und Wärme im Freien aufzuhalten. In ­einer Zeit, in der die Leute immer länger in den Abend hineinarbeiten, ein kostbares Privileg. Dass die Sonne hingegen schon um 5 statt um 6 Uhr morgens aufgeht, ist für die wenigsten ein Problem, da sie dann noch in den Federn liegen.

Trotzdem behaupten Studien – laut Christian Cajochen, dem Leiter des Chronobiologischen Zentrums Basel, jedoch nur eine verschwindend kleine Anzahl –, dass diese eine Stunde die innere Uhr des Menschen aus dem Takt bringt. Eine Art Jetlag sei die Folge, dessen Auswirkung auf den Körper Monate anhalten würde. Gleichzeitig fliegen die Schweizer jedoch gerne einmal übers Wochenende nach San Francisco oder Schanghai für einen Kurzaufenthalt. Sieben, acht Stunden Zeitverschiebung scheinen in diesem Fall plötzlich kein Problem mehr zu sein. Aber diese eine, verflixte Stunde, die soll die Leute völlig aus dem Konzept bringen. Sie soll ihnen Probleme beim Einschlafen bereiten und sogar beim Autofahren. Als ob die stetig wachsende Anzahl LED-Bildschirme, beruflicher Stress und schlechte Schlaf- und Essgewohnheiten nicht einen viel grösseren Einfluss hätten.

Fest steht, dass der Ursprung der Zeitumstellung, das Stromsparen, kein ausschlaggebendes Argument für die Sommerzeit mehr ist. Doch wie wichtig eine Stunde mehr Licht für die Psyche, für das körperliche Wohlbefinden, die sozialen Kontakte und die Arbeitsleistung ist, ist kaum abzuschätzen. Personen, die unter künstlichen Lichtverhältnissen arbeiten, fühlen sich schnell müde und schlapp. Tageslicht macht hingegen produktiv, gesund und glücklich. Vielleicht sogar so glücklich, dass man der Hauskatze und dem Kleinkind, die morgens eine Stunde früher zur Höchstleistung auflaufen, ab und zu ein gequältes Lächeln schenken kann.

Contra

Anna Kappeler, Ressort Inland

Manchmal müssen wir Menschen selbst Dinge, die wir für gegeben halten, überdenken. Die Erde ist eine Scheibe? Auffällige Frauen ­gehören als Hexen verbrannt? ­Exkremente können getrost in die Gasse geleert werden? Ja, das klingt aus heutiger Sicht absurd, lange aber wurde es nicht hinterfragt. Es gehört zum Glück zum Menschsein, dass wir Ideen entwickeln, testen – und, wenn sie offensichtlich nicht mehr zeitgemäss sind –, aber auch wieder über den Haufen werfen. Deshalb das Plädoyer: Schafft die Sommerzeit ab, denn auch sie ist längst überholt. Der durch sie ver­ursachte Schaden für Mensch und Tier ist ausführlich wissenschaftlich belegt. Kühe geben weniger Milch. Schulkinder sind übermüdet. Erwachsene verursachen vermehrt ­Verkehrsunfälle. Kurz, die Gesellschaft leider unter einem kollektiven Jetlag.

Nicht zu vergessen die politische ­Dimension der Sommerzeit. In der Schweiz wird sie 1981 eingeführt. Doch bereits während des zweiten Weltkrieges gab es sie hierzulande bereits einmal für zwei Jahre – in Anlehnung an Nazideutschland. ­Unter anderem mit diesem Argument – «Hitler als geistiger Vater?» – ergreifen 1977 Schweizer Landwirte das ­Referendum gegen das sogenannte «Zeitgesetz». Damit wollen Bundesrat und Parlament die Sommerzeit einführen. Am 28. Mai 1978 verwirft das Volk die Sommerzeit. Doch schon zwei Jahre später führen die beiden Deutschland gemeinsam die Sommerzeit ein, weitere europäische ­Länder folgen – so auch die Schweiz. Das Volksnein wird als «Zufalls­entscheid» ausgelegt, ein erneutes Referendum von einem jungen Nationalrat namens Christoph Blocher scheitert nun bereits an der Unterschriftensammlung.

Natürlich wäre eine Schweizer Zeitinsel absurd. Erst vergangenen Monat hat das Europäische Parlament einem Antrag zugestimmt, die Vor- und Nachteile der Zeitumstellung zu untersuchen.

Ausserdem: Es soll tatsächlich Leute geben, die sich einfach nicht merken können, ob die Uhr vor- oder zurückgestellt wird. Und die deswegen zu spät zum Sonntagsbrunch kommen. (Sprüche wie «Es gibt Eselsbrücken, damit kann sich das jedes Kind merken, im Fall», sind übrigens nicht hilfreich. Genau so wenig wie das schadenfrohe Grinsen der Freunde.) In diesem Sinne: Auf eine Stunde länger Schlaf. Und eine intakte ­innere Uhr.

 

Ist die Sommerzeit sinnvoll oder nur eine Qual?

Sinnvoll - so hat man unter länger Tageslicht.
(2 Stimmen)
Sinnlos - es quält nur Mensch und Tier.
(3 Stimmen)
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