Mut zur Unbequemlichkeit

Alexa Scherrer | 
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SN-Redaktorin Alexa Scherrer.

Es war ein Silvestereinsatz mit Sprengwirkung. «Am Hauptbahnhof werden derzeit mehrere Hundert Nafris kontrolliert», war am letzten Tag des Jahres auf dem Twitterkanal der Kölner Polizei zu lesen.

Es war ein Silvestereinsatz mit Sprengwirkung. «Am Hauptbahnhof werden derzeit mehrere Hundert Nafris kontrolliert», war am letzten Tag des Jahres auf dem Twitterkanal der Kölner Polizei zu lesen. «Nafri» ist eine polizeiinterne Arbeitsbezeichnung für «nordafrikanischer Intensivtäter» oder «Nordafrikaner». Mehrheitlich junge Männer aus dem nordafrikanischen Raum hatten genau vor einem Jahr massenhaft Frauen sexuell belästigt. Dieses Silvester blieb das Chaos in Köln aus. Wohl auch, weil die Kölner Polizei ihr Augenmerk gezielt auf Nordafrikaner gerichtet hatte, diese kontrollierte und teilweise festsetzte. Dieses Vorgehen und insbesondere der Begriff «Nafri» löste eine heftige Rassismusdebatte aus. Die Chefin der Grünen, Simone Peter, bezeichnete den Begriff als «völlig inakzeptabel» und «herabwürdigend». Wenn Personen «allein aufgrund ihres Aussehens» kontrolliert würden, stelle sich die Frage «nach der Verhältnis- und der Rechtmässigkeit». Die Polizei ihrerseits verteidigte sich gegen den pauschalen Vorwurf des Rassismus. Für die öffentliche Verwendung des Begriffs gab es hingegen eine Entschul­digung, auch der Polizeipräsident drückte sein Bedauern aus.

Täterprofile zu erstellen, gehört zur polizeilichen Ermittlungsarbeit

Aber der Begriff «Nafri» ist nicht das, worüber wir nach diesem Silvester in Köln sprechen sollten. Es ist einfach, die Beamten jetzt als Prügelknaben hinzustellen. Ihr Vorgehen entspringe dem «racial profiling» – ein Vorwurf, der zu kurz greift. Vor einem Jahr sind nach der Silvesternacht insgesamt 1200 Anzeigen wegen Sexualdelikten eingegangen, mehrheitlich begangen von Männern aus Nordafrika. Dass sich die Polizei jetzt auf diese Gruppe konzentriert hat, gehört zu ihrer Arbeit. Und diese Arbeit hat sie gut gemacht. Nur vereinzelt gingen dieses Jahr Anzeigen wegen sexueller Belästigung ein. Wegen seiner Hautfarbe oder seiner Herkunft darf kein Mensch benachteiligt werden, und Rassismus hat in Deutschland genauso wenig eine Daseinsberechtigung wie sonst irgendwo. Aber es sind Erfahrungen vom Silvester 2015, welche die Polizisten dazu gebracht haben, vorderhand nordafrikanische Männer und nicht ältere deutsche Damen zu überwachen. Es gehört zur Ermittlungsarbeit, Täterprofile zu erstellen – und dabei kann die Hautfarbe als Unterscheidungsmerkmal genutzt werden.

Nach den Vorfällen in Köln besteht ein erhöhtes Risiko, nordafrikanische Männer einem Generalverdacht auszusetzen. Das ist falsch. Dass die Angst davor aber verhindert, die Fakten auf den Tisch zu legen, ist auch nicht richtig. ­Gerade auch in Deutschland gibt es offensichtlich Schwierigkeiten mit Flüchtlingen. Silvester 2015 zeigte, dass die kulturellen Vorstellungen mancher nordafrikanischer Männer, insbesondere im Umgang mit Frauen, nicht problemlos mit den westlichen Werten vereinbar sind. Das auszusprechen, ist unangenehm. Deutschland, das Land, welches das Sommermärchen Realität werden lassen wollte, tut es besonders weh. Die Unstimmigkeiten unter den Tisch kehren zu wollen, ist vielleicht bequem, und es dient vielleicht der «political correctness». Aber es hilft niemandem. Eine mehrheitsfähige Lösung kann nur gefunden werden, wenn der Ist-Zustand als Erstes akzeptiert und anerkannt wird.

Fakten nicht aufzuzeigen, ­verunmöglicht eine glaubhafte Politik

Um das zu tun, muss keiner ins Horn von rechtsnationalen Parteien blasen. Linke Politiker müssen sich dafür nicht verstellen oder ihre Grundsätze verraten. Aber gerade deutsche Linkspolitiker sollten in dieser aktuellen Debatte mehr Mut zur Unbequemlichkeit zeigen. Sie sollten denjenigen Bürgern, die ihre Stimme dem gegnerischen politischen Lager geben, zeigen, dass sie ihre Sorgen erkannt haben und dass auch die Linke diese Probleme lösen will. Und das bedeutet noch lange nicht, dass alle Flüchtlinge zurück in ihr Herkunftsland müssen. Zuzugeben, dass es unter den Flüchtlingen solche gibt, die sich nicht den Regeln entsprechend benehmen, heisst nicht, dass man alle über einen Kamm schert.

Doch wer als deutscher Linkspolitiker ein solches Eingeständnis macht, der wird schnell in die äusserste rechte Ecke gedrängt. Ein Hemmschuh, der eine glaubwürdige Politik fast verunmöglicht. Wenn sich Wähler abwenden, weil sie schweigenden oder umschreibenden Politikern nicht mehr trauen, spielt das dem rechten Flügel in die Hände. Und das kann unmöglich erklärtes Ziel der linken Parteien sein.

Wenn sich Wähler abwenden, weil sie schweigenden ­Politikern nicht mehr trauen, spielt das dem rechten Flügel in die Hände.

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