20 Jahre ökologischer Leistungsnachweis: Note ungenügend

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Wer Direktzahlungen vom Bund will, muss für seinen Betrieb den ökologischen Leistungsnachweis erbringen. Für Rico Kessler von Pro Natura fällt die Bilanz nach 20 Jahren aber nicht befriedigend aus – zum Beispiel beim Güllen. Bild: Key

Der ökologische Leistungsnachweis in der Landwirtschaft hält nicht, was er verspricht. Nachbesserungen sind nötig. Das sehen inzwischen auch fortschrittliche Bauern so.

Vor 20 Jahren hat das Schweizer Stimmvolk den heute gültigen Bundesverfassungsartikel 104 Landwirtschaft an der Urne angenommen. Darin verankert ist der ökologische Leistungsnachweis (ÖLN). Dieser ist für jeden Landwirtschaftsbetrieb die Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen des Bundes. Die Anforderungen erstrecken sich von der tierfreundlichen Haltung über eine ausgeglichene Düngerbilanz, angemessene Biodiversitätsförderung bis zum vorsichtigen Umgang mit Pestiziden. Ohne erfüllten ÖLN gibt es keine Bundesgelder.

So weit die sinnvolle, gesellschaftlich erwünschte Verknüpfung zwischen ökologischer Leistung der Landwirtschaft und finanzieller Gegenleistung der Gesellschaft. In der Praxis bringt der ÖLN leider nicht das, was er verspricht und was die Gesellschaft erwarten darf. In entscheidenden Bereichen ist die Schweizer Landwirtschaft in den letzten 20 Jahren nicht ökologischer geworden. Drei Schlaglichter dokumentieren die Diskrepanz zwischen Versprechen und Realität:

Rückgang der Biodiversität

Die Landwirtschaft hat den Auftrag, die Biodiversität auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche zu sichern und zu fördern. Zum Beispiel, indem geeignete Lebensräume auf ausreichender Fläche und in der nötigen Qualität und räumlichen Verteilung zur Verfügung gestellt werden. Die Entwicklung der Brutvogelbestände im Kulturland zeigt: Dieser Auftrag wird nicht erfüllt. Die Zahl der für das Kulturland typischen Brutvögel nimmt weiter ab.

Überdüngung

Sowohl die Stickstoff- als auch die Phosphoremissionen haben seit der Einführung des ökologischen Leistungsnachweises nur unwesentlich abgenommen. Schuld daran sind die viel zu hohen Tierbestände, die steigenden Kraftfutterimporte und die ungenügenden Berechnungsmethoden in der Düngerbilanz. Das Problem verschärft sich aktuell sogar: Ein wahrer Bauboom für neue Geflügel- und Schweineställe droht die Zielerreichung in noch weitere Ferne zu rücken, weil die Futterimporte unweigerlich noch mehr steigen werden.

Pestizide

Die Verkaufszahlen für Pestizide sind auf unverändert hohem Niveau: Über 2000 Tonnen werden jährlich versprüht. Die Folgen sind dramatisch. Ein Pestizidcocktail von bis zu 40 verschiedenen Produkten, grossmehrheitlich aus der Landwirtschaft, belastet untersuchte Fliessgewässer. Hinzu kommt, dass die Giftstärke der neueren Stoffe wie der Neo­nicotinoide bis zu 5000-mal höher ist als diejenige von älteren Produkten.

Der Leistungsausweis des heutigen ÖLN-Systems ist also ungenügend. Die Schweizer Bevölkerung bekommt von der Landwirtschaft im Bereich Umwelt nicht geliefert, was sie per Verfassung bestellt hat und wofür sie jährlich einen guten Teil der drei Milliarden Franken Direktzahlungen via Bundeskasse bereitstellt. Pro Natura fordert eine Anpassung des Instruments, damit es in Zukunft die gewünschte Wirkung vollumfänglich erzielt. Und sie steht damit nicht allein da. Vorausschauende Landwirtinnen und Landwirte erkennen, dass nur eine Qualitätsstrategie die wirtschaftliche Zukunft der Schweizer Landwirtschaft ­sichern kann. Und zu dieser Qualitätsstrategie gehört ein ökologischer Leistungsnachweis, der Schweizer Produkte von der Masse abhebt. Es ist ­ermutigend, dass sich an der ÖLN-Tagung des Schweizer Bauernverbandes (SBV) vom 9. November 2016 der Vertreter der SBV-Junglandwirtekommission in diesem Sinn geäussert hat.

Rico Kessler ist Leiter Politik und Mitglied der Geschäftsleitung bei Pro Natura.

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