Durch mütterliche Tanzeinlagen irritieren

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Unsere Kolumnistin Eva-Maria Brunner schreibt heute über ein Fieber, welches sich nicht mit Bettruhe kurieren lässt.

Im Laufe der Jahre wird man als Eltern immer wieder mit Themen konfrontiert, mit denen man sich zu kinderlosen Zeiten nicht unbedingt beschäftigen musste. Kopfläuse, Qualitätsunterschiede bei Gummistiefeln, die Abenteuer eines Zeichentrickschwammes oder die Frage, wie viel Schoggiglace pro Tag gesundheitsschädigend ist, um nur einige zu nennen.

Alle zwei Jahre greift ein Fieber um sich, welches sich nicht mit Bettruhe und liebevoller Zuwendung innert einiger Tage kurieren lässt. Im Frühling hat es sich zaghaft mit dem Kauf der ersten Fussballbildli angekündigt, wird nun stetig heftiger und wird wohl in der zweiten Julihälfte mit nicht eingeklebten, dreifach vorhandenen australischen Kickern in einer Ecke des Kinderzimmerbodens enden.

Was Fussball anbelangt, steche ich weder durch besondere Kenntnisse noch motorisches Talent hervor. Das hat mich nie besonders gestört. Im Sport-unterricht erfüllte ich meine Aufgabe relativ statisch als Verteidigerin; dort, wo ich am wenigsten offensichtliches Unheil anrichten konnte. Als Teenager sammelte ich mit meiner Freundin Bildli, genau so lange, bis wir beide unseren Schwarm aufs Etui kleben konnten (sie: Paolo Maldini, «so schöne blaue Augen»; ich: Roberto Baggio, aus heutiger Sicht mehr als zweifelhaft durchgestufte schwarze Locken). Dann folgten Jahre, in denen es reichte, beim Public Viewing auf der Dachterrasse im Freundeskreis ab und zu im angelesenen Halbwissen zu kramen, um den Abend nicht ganz stumm verbringen zu müssen. Als Lehrerin konnte ich auf eine erstaunlich grosse Anzahl Lehrmittel und Unterrichtsvorschläge zum Thema zurückgreifen; die Auswahl reicht von «Soccerdrills» über das Kreieren eigener Fussballbilder mit der Digitalkamera (mit anschliessender Diskussion des Themas Bildmanipulation) bis zur Lektüre von Fussballerwitzen («unterstreiche alle Verben blau»).

Die Spiele der EM von 2008 verschlief ich grösstenteils schwanger auf dem Sofa. Vor zwei Jahren bastelte mein Sohn eine Schweizer Fahne. Er schwenkte sie mit seinem Kindergartenfreund dezent während eines entscheidenden Spiels der Schweizer Nati. Nicht die mangelnde Treffsicherheit von Xhaka brachte die Kindergärtler durcheinander, sondern das lautstarke Gebrüll von uns Müttern. Wenn Fussball gucken, dann richtig, war unsere Devise. Dieses Jahr nimmt König Fussball seinen Thron nun so richtig ein. Nachdem Anton vom älteren Bruder eines Freundes das erste Päckchen Fussballbildchen spendiert bekommen hatte, gab es kein Zurück mehr. Sofort wurden wir vor grundlegende Fragen gestellt: ein Album, in das in geschwisterlicher Eintracht eingeklebt werden muss, oder ein Wettkampf innerhalb der Familie? Sackgeld in den nächsten Wochen nur noch in Bildli ausbezahlen? Wie lange muss das Kind im Garten jäten für den Erhalt weiterer drei Päckchen? Warum dürfen alle (ja, Mami, ALLE) Kinder eine Sammelbox kaufen, nur wir nicht?

Zur seriösen Vorbereitung des fussballerischen Grossereignisses verbrachten wir einen kalten Abend im Lipo-Park. Soll uns schliesslich keiner vorwerfen, wir würden unsere Kinder nicht ganzheitlich bilden. «Wir» haben gewonnen – fragen Sie nicht nach dem Torverhältnis. Mein Mann hat sich die Zeit damit vertrieben, herauszufinden, ob er alle Firmen kennt, die Bandenwerbung machen, ich spekulierte darüber, anhand welcher Merkmale ich Spielerfrauen identifizieren könnte, und die Kinder kennen nun ein paar nicht ganz jugendfreie Schlachtgesänge. Schön war’s.

Während sich meine Nachbarin freut, vier Wochen lang viel Zeit zum Nähen zu haben, da in ihrem Haushalt die Herrschaft über die TV-Fernbedienung von ihren Männern übernommen wird, verbringe ich Zeit am Spielfeldrand. Nicht in Russland, sondern hierzulande. Beide Kinder machen am Moskito-Schülerfussballturnier mit. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, ob wir die Gegner durch mütterliche La-Ola-Tanz-Einlagen irritieren wollen. Oder ob ich es mit Kuno Lauener und Berner Gelassenheit angehen soll: «Rang zwöi isch ja o suberi Büez.»

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