O-Bike

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Oliver Thiele, Schaffhauser Stadtbibliothekar

Oliver Thiele über Pedalehelden, gläserne Bürger und die China-Connection

E-Bikes sind die Tempobolzgeräte für besonders faule oder eilige Velofahrer (früher auch als Moped bekannt). Aber was sind ­O-Bikes? Zürcherinnen und Zürcher wissen es, seit kürzlich auf ihren Strassen und Plätzen plumpe orange Velozipede in grosser Zahl aufgetaucht sind. Wobei Veloziped der falsche Begriff ist. Das heisst ja «schnellen Fusses», und mit dem O-Bike, das nur einen einzigen Gang hat, kommt man ganz gewiss nicht schnell vom Central zum Zoo.

Item. O-Bikes beschreibt Wikipedia unnachahmlich trocken als «stations-loses Fahrradverleihsystem». Die Firma selbst hupt (oder besser gesagt klingelt) natürlich viel lauter und findet, sie sei «the future of transportation» und «eine ganze neue Art der Fortbewegung». Das bedeutet nun aber nicht, dass man mit O-Bikes rückwärtspedalt. Nein: O-Bike ist ein Velovermieter, bei dem man das Velo nicht zurückbringen muss. Die Dinger stehen irgendwo im öffentlichen Raum herum, leuchten orange und lassen sich mit ein paar kleinen Smartphone-Turnübungen entriegeln. Schon pedalt man davon, im ersten Gang oder im ersten, je nach Steigung und Gefälle. Und nach beendeter Fahrt stellt man das Velo, Pardon: Bike, einfach irgendwo ab. (Dieser Wildwuchs gefällt nicht allen. Bern hat daher O-Bikes verboten, und Zürich will ihre Anzahl limitieren. Warten wir ab, ob die orange Flut sich so eindämmen lässt. Sofern sie überhaupt längerfristig kommt.)

 

Ein O-Bike ist kein E-Bike: Das Verleihsystem aus Singapur bietet Velos mit nur einem einzigen Gang an. Bild: Key

 

Wo ist für uns Kunden der Haken? Der Preis ist es nicht: O-Bike nimmt 1.50 Franken pro dreissig Minuten. ­Damit können Sie in Zürich eine halbe Station Tram fahren. Recherchen des Zürcher «Tages-Anzeigers» haben denn auch ergeben, dass O-Bike in Zürich derzeit nicht mehr als 5000 Franken Umsatz pro Woche macht. Wer ist denn hier als Velomäzen und Öko-­Pestalozzi unterwegs? Die Spur führt nach Singapur. Dort wurde die Firma O-Bike zu Beginn dieses Jahres gegründet. Singapur ist eine durchvermessene digitale Stadt mit gläsernen Bürgern, ein Traum für jeden Datensammler. Es ist deshalb wenig überraschend, dass O-Bike fleissig die Daten seiner Kunden sammelt: Name, Fahrtweg, Kreditkarte. Immer wieder sendet die O-Bike-App sodann Daten an eine Pekinger Firma namens Umeng. Diese überwache «das Herunterladen der O-Bike-App», und ­O-Bike habe «temporäre Server in Schanghai», so lässt sich ein Sprecher von O-Bike im «Tagi» zitieren. Nun, die Chinesen sind ja Velofahrer erster Güte, da kann man schon ein paar ­Pedalenzahlen auf temporäre Server rüberschicken!

Gemäss den allgemeinen Nutzungsbedingungen braucht es die ­Daten für statistische Auswertungen und die Verbesserung der Dienstleistung. So etwas lässt sich prima weiterverkaufen, vielleicht an den chinesischen Internetschnäppchenhändler Alibaba? Der will angeblich Läden in Europa eröffnen («Alibaba’s Warenposten») und möchte dazu sicher wissen, wie in Städten wie Zürich der Verkehr fliesst. Das Gleiche gilt aber auch für Raumplaner und Stadtentwickler. Das Problem ist ja nicht generell, dass Daten erhoben werden – ohne die gibt’s keinen Service. Pro­blema-tisch ist aber, wenn das verschleiert wird. Wobei wir uns den Fünfer und s Weggli abschminken müssen. Gratis- oder Billigservice ohne Datenherausgabe gibt es weder bei Facebook noch bei Google oder O-Bike.

Der Diogenes Verlag hat 2013 ein reizendes «Lesebuch für Fahrradfreunde» herausgebracht, mit Zeichnungen von Sempé. Es enthält hübsche Velogeschichten und -gedichte von Pedalehelden wie Siegfried Lenz, Urs Widmer oder Andrea Camilleri. So kann man bequem im Lesesessel Velo fahren, ganz ohne China-Connection.

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