Sex!

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Oliver Thiele

Oliver Thiele über Zensur im Internet und Googles Vervollständigungsfunktion.

Wir sind ja unter uns, Kinder lesen keine Zeitung. Darum: Sex!

Die digitale Revolution macht auch vor dem Bett nicht halt. Sex und Internet haben schon lange eine Affäre miteinander. Wobei Google, unser aller Zugang ins Internet, durchaus um Verhütung bemüht ist. So ist die praktische Vervollständigungsfunktion beim Eintippen prüder als Onkel Alfred. Tippe ich Schaffhausen ein, schlägt Google mir so nützliche Dinge wie «Wetter», «Jobs» oder «Bus» als Ergänzung vor. Bei Begriffen aus der Welt der Geschlechtsorgane oder Sexualpraktiken hingegen, wie etwa *** [zensiert], unterdrückt Google seine Handreichung. Massimo muss bis ins Detail selber finden, was ihn umtreibt. – Gut so. Schliesslich ist Massimo erst 14 Jahre alt, der Jugendschutz soll greifen.

Für Gewalt interessiert sich Google hingegen weniger. Begriffe wie Splatter, Köpfen oder Zombiefilme werden munter ergänzt, das Vorschlagswesen läuft ab wie am Schnürchen. Es ist halt ein Kreuz mit den ungeeigneten Inhalten. Wer bestimmt, was ungeeignet ist? Und ist nicht besonders reizvoll, was verboten ist? Vor Kurzem amüsierte die Studie eines Pornoseitenbetreibers (fürwahr eine ungewöhnliche Wortkombination). Sie behauptete, dass aus dem Iran und Pakistan die Nachfrage nach dort verbotenen Sexualpraktiken (also eigentlich fast allen) besonders hoch sei.

Was ist in diesem Zusammenhang von Filtern zu halten, mit denen anrüchige Seiten blockiert werden? Das ist gängige Praxis in Verwaltungen und Firmen, gut begründet mit der Angst vor Viren und anderen Schadprogrammen. Diese lauern besonders gern auf einschlägigen Seiten. Inhaltlich sind diese Filter nicht über alle Zweifel erhaben. Logischerweise sind sie eher «streng» beim Blockieren, und die Blockadekriterien sind sicher keine ausführlichen Evaluationen, sondern erfolgen nach einschlägigen Stichwörtern pauschal. Da wird schon mal blockiert, was an sich frei sein könnte. Problematisch ist das in Firmen und Verwaltungen nicht. Hier gehen wir ja davon aus, dass man am Arbeiten ist und ohnehin keine Zeit für Feuchtgebiete, das Delta der Venus oder *** [zensiert] hat.

Anders sieht es bei Forschung und Recherche aus. «Sex» ist ein legitimer Suchbegriff für Biologie und Medizin, und wer sich literaturwissenschaftlich mit der Jelinek befasst oder Oscar ­Wildes erotischen Texten, der wird mit Begriffen hantieren, die Google die Schamröte in die oo’s treiben.

Die Sache selbst macht digital gewiss weniger Spass als real. Auch wenn der Bereich der Cyber-Erotik seine Bettnische gefunden hat: In aller Regel will mensch sich treffen. Dies hat die digitale Revolution erleichtert: Es gibt Apps für jeden Geschmack und jede Couleur, bei denen Algorithmen berechnen, wie sehr das Gegenüber mit seinen Ansichten und Vorlieben zu einem passt und wo das GPS dir mitteilt, dass dein perfekter Match nur 347 Meter entfernt sitzt. Ob das dann in der Realität auch wirklich funktioniert und sich gar Liebe dazugesellt? Das will ich doch, zum Frühling passend, hoffen!

Seit «Shades of Grey» hat erotisch angereicherte Gebrauchsliteratur Hochkonjunktur. Harold Robbins (kennen Sie den noch? Oh, die 1970er!) hätte seine helle Freude daran. Ich verzichte hier auf einen Tipp und lasse Sie einfach ein paar sexy Beispiele aus der Bibliothek geniessen: Sex mit Hermann Hesse. Schade um den schönen Sex. Sex und die Zitadelle. Und schliesslich: New fables, written for the amusement of the fair sex. Erwarten Sie aber nicht zu viel Harold Robbins in diesen Büchern! Ihr Kolumnist ist manchmal auch zu Scherzen auf- gelegt.

Oliver Thiele ist Stadtbibliothekar von Schaffhausen.

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