Waidmannsheil

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Walter Vogelsanger

Vogelsanger meint: Jagd ist ein aktuelles Thema.

Jagd ist ein aktuelles Thema. ­Bären streifen wieder durch die Südschweiz. Wölfe tauchen im Zürcher Unterland auf und bedrohen unsere Zivilisation. Spuren des Luchses werden gesichtet, und der Biber erobert sich angestammte Lebensräume zurück. Im Kanton Schaffhausen ­wurden per 1. April die 44 offiziellen Jagdreviere für weitere acht Jahre verpachtet. Ich vertrat zum letzten Mal das Kantonsforstamt bei der ­Einschätzung der Jagdreviere. Dabei kamen Erinnerungen hoch. Denn «Jagd» ist ein spannendes Thema.

Mit Inbrunst sangen wir einst in der Schule «Es blies ein Jäger wohl in sein Horn, und alles, was er blies, das war verlorn». Das Lied hat einen leicht erotischen Unterton. Wir haben damals allerdings nichts davon ver­standen – aber die Melodie war toll! Munter tönte auch das flotte Lied vom Jäger aus Kurpfalz. Das absolute Lieblingslied im Turnverein Beggingen war der «Wilddieb». Der Text beschreibt ein tödliches Duell zwischen einem Wilderer und einem Förster. Für uns hatte dieses Lied einen besonderen Bezug. Es war nämlich ein Begginger, der 1934 im Babental einen Jagdaufseher erschossen und sich ­anschliessend selbst gerichtet hatte. Wenige Jahre vorher war im Kanton Schaffhausen die sogenannte Revierjagd eingeführt worden. Das Waidwerk war damit nur noch reicheren Herren aus der Stadt vorbehalten. Vielleicht hatte deshalb mein Grossvater Sympathien für den Wilderer. Zudem traute er dem offiziellen Untersuchungsbericht der Justiz nicht ganz. Bürokratie herrscht übrigens auch in der freien Wildbahn. Das aktuelle Jagdgesetz unseres Kantons umfasst stolze 74 Artikel. Jenes über die Fischerei immerhin noch 51.

Trotzdem spielt die Jagd in unserer Gesellschaft immer noch eine wichtige Rolle. Offenbar hat der Homo sapiens den Jagdinstinkt in den ­Genen. Wahrscheinlich noch aus jener Zeit, als die Erlegung von Mammuts, Höhlenbären und Rentieren lebenswichtig war. Die Waffen sind heute ­etwas moderner. Aus Eschenholz-Speeren sind Präzisionsgewehre mit Zielfernrohr geworden. Und das Waidwerk ist nun vorwiegend Hobby sowie Hege der einheimischen Fauna. In ­meiner Jugend hatte die Jagd gesellschaftlich noch einen grösseren Stellenwert als heute. Jagd wurde damals regelrecht zelebriert. Das hat sich gründlich geändert. Im Kanton Genf ist sie abgeschafft. In den «Schaffhauser Nachrichten» forderte ein Leserbriefschreiber kürzlich sogar ein Jagdverbot im Regionalen Naturpark.

Rund um die Jagd gibt es sonderbare Geschichten. Vor einigen Jahren verbrachte ich mit Forstkollegen einige Tage bei einem Eichenkäufer im Bordeaux. Der Mann lud uns zu einem Ausflug ein. Von einer luxuriösen Holzplattform aus (mit Kühlschrank für den Weisswein) holte er dann mit seiner Schrotflinte massenhaft Wildtauben von den Bäumen. Jene Tauben übrigens, die bei uns geschützt sind.

Gewöhnungsbedürftig waren auch meine Erlebnisse während der Militärzeit im Wallis. Zum Beispiel, als eine lärmende Jägergruppe einen erlegten Rothirsch auf ihren Geländewagen band und damit stolz alle Beizen im Val D’Hérens abklapperte. Ich sah selten eine so eindrucksvolle Kühlerfigur. Oder als mir auf einem Leistungsmarsch mit 50 Soldaten plötzlich ­Kugeln um die Ohren flogen. Es waren angeheiterte Jäger, die am Gegenhang ihre Schiesskünste auf einen hochgeworfenen Hut erprobten. Ehrfurchtsvoll stand ich einst in einem Forst bei Stuttgart vor einem riesigen Denkmal. Hier hatte der deutsche Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1912 einen Rothirsch zur Strecke gebracht. Wahrhaftig ein Ereignis von historischen Dimensionen!

Besonders urtümlich wirken Wildschweine in unserer Landschaft. Bei einer Dienstfahrt blockierte einst am Mäserich eine ganze Rotte meine Fahrt auf den Randen. Die Schwarz­röcke waren von mir offenbar wesentlich weniger beeindruckt als ich von ihnen.

Ich besitze keinen Jagdschein, ­obwohl ich auf allen Ebenen schon manchen Bock geschossen habe. Trotzdem: Vor Jahren erwischte ich überraschend einen kapitalen Rehbock im Birmensdorfer Wald. Es war ein Volltreffer! Der Schaden am Auto überstieg locker tausend Franken.

Als Geniesser von Wildbret wünsche ich unseren rund 300 Jägerinnen und Jägern in den kommenden Jahren «Waidmannsheil». Die Grünröcke ­erfüllen nach wie vor eine wichtige Aufgabe in unserer bedrängten Kulturlandschaft. Und die Produktion von Wildfleisch ist in den einheimischen Wäldern eindeutig naturnaher und tiergerechter als jene aus Massentierhaltungen mit den vielen bunten Labels!

Walter Vogelsanger war Bereichsleiter Wald und Landschaft bei der Stadt Schaffhausen.

Die An- und Einsichten unserer Kolumnisten publizieren wir gerne, weisen aber darauf hin, dass sie selbstverständlich nicht mit jenen der Redaktion übereinstimmen müssen.

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