Gemeinsam stark: Warum die Wirtschaft für die Volksschule wichtig ist

Iris Fontana | 
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Wie sieht sie aus, die Volksschule der Zukunft? Über 1000 Personen machten sich dazu im Rahmen des Projekts «Gemeinsame Ziele und Visionen zur Volksschule der Zukunft im Kanton Schaffhausen» Gedanken. Bild: Pixabay

Diesen Montag waren Schaffhauser Wirtschaftsvertreter zu einem Informationsanlass mit Mini-Workshop eingeladen, um ihre Wünsche für die Volksschule der Zukunft einbringen zu können. Eingeladen hatten Ruth Marxer, Leiterin der kantonalen Dienststelle Primar- und Sekundarstufe I und Marc Kummer, Rektor Berufsbildungszentrum des Kanton Schaffhausen (BBZ). Der Zahltag nahm die Veranstaltung zum Anlass, bei Ruth Marxer nachzufragen, wie zufrieden Sie mit der Schaffhauser Wirtschaft und deren Engagement in Sachen Schule ist, wie das Projekt «Ziele und Visionen zur Volksschule der Zukunft» vorankommt und ob sie schon über erste Erkenntnisse berichten kann.

Frau Marxer, fühlen Sie sich im laufenden Entwicklungsprozess von der Wirtschaft unterstützt?

Marxer: Ja, den Anlass vom vergangenen Montag fand ich sehr gelungen. Schön war, dass eine breitgefächerte Gruppe anwesend war mit Personen aus der Berufsbildung, aber auch aus Unternehmen, inklusive Lehrlingsbetreuer. Klar gab es auch stellenweise Uneinigkeit und Diskussionen zu den von uns präsentierten Inhalten, aber das hatten wir ja auch angestrebt. Es geht uns nicht darum, dass alles nur abgenickt wird – damit wäre ja keine Verbesserung möglich.

Haben Sie weitergehende konkrete Wünsche an die Wirtschaft?

Marxer: Besonders wichtig ist mir, dass sich die Wirtschaft für die Entwicklungen der Volksschule interessiert und sich an einem Austausch beteiligt. Ist das Interesse vorhanden und sind Wirtschaftsvertreter an unseren Anlässen präsent, ist mein grösster Wunsch erfüllt. Beispielsweise gibt es eine vom Erziehungsrat eingesetzte und von der Dienststelle geleitete Kommission «Schule und Beruf», mit Vertreterinnen und Vertretern aus Berufsverbänden, Firmen sowie aus Sekundarstufe I und II. Die Kommission befasst sich explizit mit dem Übergang von der Schule in den Beruf und führt alle zwei Jahre eine grosse Veranstaltung durch, das nächste Mal am 19. März. Das Thema lautet: «Umsteigen bitte! - Wie gelingt der Umstieg von der Volksschule in die Berufswelt oder an weiterführende Schulen?». Dass auch Wirtschaftsvertreter an diesem Anlass teilnehmen, ist ungemein wichtig, nur so können sie ihre Wünsche einbringen und gelangen an Informationen aus erster Hand.

Ruth Marxer

Ruth Marxer

Die in Liechtenstein geborene Ruth Marxer ist seit November 2019 als Leiterin der Dienststelle Primar- und Sekundarstufe I für den Kanton Schaffhausen tätig. Als ausgebildete Primarlehrerin unterrichtete sie mehrere Jahre an einer Primarschule der Stadt Zürich, machte dann einen Abstecher in die Privatwirtschaft und arbeitete während vier Jahren bei einer Schweizer Grossbank. Von 2006 bis zur Anstellung in Schaffhausen war sie als stellvertretende Abteilungsleiterin und Leiterin des Sektors Unterrichtsfragen im Volksschulamt der Bildungsdirektion des Kantons Zürich tätig.
Marxer ist verheiratet und wohnt in Schaffhausen.

Verraten Sie uns: Welche Themen wurden am Anlass vom Montag diskutiert?

Marxer: Im Mini-Workshop diskutierten die Teilnehmenden in Gruppen die verschiedenen Bereiche, die in den vorhergehenden Anlässen erarbeitet worden waren (zum Prozess siehe Box). Es sind dies «Fürs Leben lernen», «Individuell und miteinander Lernen in einer starken Gemeinschaft», «Schule als Lebens- und Lernort», «Eine tragfähige Schule für alle schaffen», «Digitalität leben», «Schule als lernende Organisation gestalten» sowie «Ökologische Zukunft aktiv gestalten». Ihre Meinungen zu den einzelnen Bereichen hielten sie mit Kommentaren fest. Am Schluss traf man sich im Plenum und diskutierte gemeinsam über die Punkte, die den Teilnehmenden besonders wichtig waren, wie die Digitalität (die Verbindung von Mensch und Technik), Beurteilungsformen, sprich Noten, und die Tragfähigkeit der Volksschule, dabei vor allem die Aspekte Ressourcen und Fachkompetenzen.

Wie war die Beteiligung am Workshop?

Marxer: Es war eindrücklich zu sehen, wie intensiv diskutiert wurde und wie einig sich alle waren, welch grosser Stellenwert der Beziehung Schüler –Lehrperson zukommt, auch gerade in Bezug auf den Lernerfolg.

Aus den Erkenntnissen des Projekts abgeleitet: Welche Fähigkeiten erachten Sie persönlich für die Schule von morgen als besonders wichtig?

Marxer: Meiner Ansicht nach werden vier Kompetenzen in Zukunft besonders wichtig sein: Kommunikation, Kollaboration (Zusammenarbeit), Kreativität für Problemlösungen und kritisches Denken. Denn diese Fähigkeiten sind die Grundlage für ein selbstgesteuertes Lernen und das Bewältigen der komplexen Aufgaben- und Problemstellungen des 21. Jahrhunderts. Darüber herrschte auch bei den Teilnehmenden des Workshops diese Woche grosse Einigkeit.

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Wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf des Gesamtprojekts?

Marxer: Es läuft bislang alles nach Plan und es engagieren sich viele Personen mit Herzblut am Prozess. Seien dies die verschiedenen Gremien wie die Projektgruppe, der Projektausschuss und die Steuergruppe oder die je über 100 Teilnehmenden an den beiden Grossanlässen sowie diejenigen am Mini-Workshop diese Woche. Unser Projektleiter war im November ausserdem an der Schulbehördenkonferenz und an allen Lehrerkonferenzen anwesend und holte auch dort Input ein. Zusammengezählt konnten wir so über 1000 Personen für den Prozess mobilisieren.

Projekt «Gemeinsame Ziele und Visionen zur Volksschule der Zukunft im Kanton Schaffhausen»

Der Erziehungsrat befasst sich seit Anfang 2024 schwerpunktmässig mit der Zukunft der Volksschule und beauftragte in diesem Zusammenhang die kantonale Dienststelle Primar- und Sekundarstufe I einen partizipativen Prozess mit allen Stakeholdern in Gang zu setzen. Dazu wurde eine breit abgestützte Projektgruppe mit Vertretern aus dem Schulumfeld gebildet. Nach dem Kick-off im Januar 2024 organisierte diese im Juni eine Tagung zum Thema «Megatrends». Nach den Ausführungen des Zukunftsforschers Georges T. Roos, die von den demografischen Herausforderungen bis zur Künstlichen Intelligenz reichten, machten sich am Anlass über 100 Besucherinnen und Besucher Gedanken zur Relevanz und den Auswirkungen dieser Trends auf den Bildungsbereich und versuchten aktuelle und zukünftige Handlungsfelder für die Schaffhauser Schulen zu identifizieren.

«Zukunftswerkstatt Ziele und Visionen»

Anfang November wurde dann unter Leitung von Menno Huber, einem auf Entwicklungsprozesse spezialisierten Berater, ein zweiter Grossanlass durchgeführt. An der «Zukunftswerkstatt Ziele und Visionen» diskutierten die Teilnehmenden konkrete Fragen zur Vision, tauschten Ideen und Vorstellungen darüber aus, wie die Schule der Zukunft aussehen soll und entwickelten erste Vorschläge für Leitsätze. Einzug in die Diskussion fanden auch die Ansichten von Schülerinnen und Schülern im Kanton. Diese waren vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I angefragt worden, ihre Zukunftsvorstellungen auf visuelle Art darzustellen und hatten dem Aufruf mit Plakaten, Kurzfilmen und gar einer Legoschule Folge geleistet. Am Anlass selbst konnten auch Jugendliche aus der Kantonsschule, dem BBZ und der HKV begrüsst werden. Die Ergebnisse des vorgängigen Workshops «Megatrends» wurden am Anlass ebenfalls begutachtet und weiterentwickelt.

Wirtschaft und Berufsbildung

Zwei wichtige Stakeholder im ganzen Prozess sind die Wirtschaft und die Berufsbildung. Dem Projektteam war es deshalb sehr wichtig, mit Vertreten dieser beiden Bereiche ins Gespräch zu kommen. Aus terminlichen Gründen waren sie jedoch an den beiden Grossanlässen nicht adäquat vertreten gewesen, weshalb die Projektgruppe sie letzten Montag nochmals separat zu einem Informationsanlass und Mini-Workshop einlud.

Arbeitsweise

Die vorliegende Arbeitsweise mit Projektgruppe und Grossanlässen wurde gemäss Marxer aus dem Grund gewählt, um möglichst partizipativ und breit angelegt verschiedene Meinungen einholen und viele verschiedene Stakeholder erreichen zu können. Die Volksschule ist wegweisend für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und deshalb sind Visionen, beziehungsweise Leitsätze für die Volksschule nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen und Eltern wichtig, sondern für die gesamte Bevölkerung inklusive allen verschiedenen Interessensgruppen.

Wie geht es nun weiter?

Marxer: Die Projektgremien sind nun dabei, aus den Ergebnissen der verschiedenen Veranstaltungen konkrete Leitsätze zu erarbeiten, die dann vom Erziehungsrat abgenommen werden müssen. Dies wird voraussichtlich im Frühling der Fall sein. Danach folgt eine Überarbeitungsrunde. Läuft alles gut, findet die Kommunikation der Leitsätze Anfang nächstes Schuljahr statt. Sie sollen den verschiedenen Bildungsakteuren als Grundlage bei Strategieentwicklungen oder konkreten Projekten dienen.

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Kommentare (1)

Beat Rüedi-Külling Mo 17.02.2025 - 05:42

Die genannten 4K setzen unabdingbar eine webbasierte PLE voraus - unbedingt. Wenn hier nun mit diesen 4K gehandelt wird, dauert es wohl noch 20 Jahre, bis die webbasierte PLE auch hierzulande bekannt wird. Oder so.

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