Erfolgsfaktor Gestaltung: Warum das Design Ihres Produkts matchentscheidend beim Kunden ist
Unternehmer fragen sich oft, welche Faktoren ihren Unternehmenserfolg beeinflussen. Prof. Dr. Jan-Erik Baars von der Hochschule Luzern nennt als einen entscheidenden Faktor die «Designfähigkeit in Unternehmen». Mit diesem könnten gerade auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ihre Marktposition und Effektivität verbessern. Wir vom Zahltag wollten mehr erfahren und haben bei einer Impulsveranstaltung zum Thema genau hingehört und mitgeschrieben. Dabei beeindruckte uns insbesondere das Beispiel einer bekannten deutschen Velomarke.
Durchgeführt wurde die Impulsveranstaltung vom Institut für Kommunikation und Marketing (IKM) der Hochschule Luzern (HSLU). Ganz plakativ ökonomisch und ganz anders, als die Schreibende von einem Designer erwartet, beginnt Jan-Erik Baars seinen Input mit einer mathematischen Formel für den Unternehmenserfolg: Erfolg = Mittel x Fähigkeit2. Zwei Faktoren sind wichtig: Einerseits Ressourcen (Mittel), andererseits Fähigkeiten. Dabei ist Letzteres seiner Ansicht nach entscheidender und gleichzeitig schwerer zu organisieren und wird deshalb höher gewichtet.
Missverhältnis Effizienz und Effektivität
Ziel jedes Unternehmens sei es, ein Produkt zu konzipieren, das vom Kunden als wertvoll angesehen wird, und dieses möglichst gewinnbringend zu vertreiben. In der Praxis zeigt sich laut Baars dabei jedoch oft ein Missverhältnis: Während die betriebswirtschaftlichen Prozesse meist gut organisiert sind, wird dem Designbereich, der schlussendlich die Effektivität des Produkts sicherstellen soll, häufig zu wenig Beachtung geschenkt und damit ein grosses Wertpotenzial verschenkt (siehe Grafiken).
Dabei werde nicht per se die Bedeutung des Designs verkannt, das Problem liege vielmehr darin, dass Design nicht im nötigen Mass in alle Unternehmensbereiche eingebunden sei. «Firmen konzentrieren sich eher auf das, was sie gut können – häufig Effizienzsteigerung durch Ressourcenmanagement – und vernachlässigen dabei die emotionale Komponente.» Diese sind für Baars Gestaltungselemente, die Kunden emotional ansprechen und begeistern. «Denn nur wenn die Kunden diesen Mehrwert spüren, sind sie auch bereit, mehr für das Produkt zu zahlen und damit die Gewinnmarge der Firma zu steigern.»
Aus diesem Grund muss es Aufgabe der Unternehmensführung sein, dem Design den nötigen Stellenwert zu verschaffen und den Ausbau der Fähigkeiten in diesem Bereich zu fördern. Sprich: Design zu ermöglichen, zu implementieren und strategisch zu führen.
Umfassendes Designverständnis und klare Rollenverteilung
Dazu sind laut Baars ein umfassendes Verständnis von Design und eine klare Rollenverteilung im Unternehmen zentral. «In der Entwicklung eines Produkts ist meistens die Funktionalität zentral, also das Nutzererlebnis. Danach geht es darum, das Produkt dem Kunden zugänglich zu machen und das Produkt so zu gestalten, dass es das Bedürfnis des Kunden erfüllt – sprich die Schaffung eines Kundenerlebnisses.» Als Letztes folgt dann die Gestaltung der Produktidentität. «Hier wird versucht, mittels ästhetischen, differenzierenden Elementen ein Markenerlebnis zu schaffen.»
Sind alle drei Bereiche abgedeckt, ist die Gestaltungsfähigkeit im Unternehmen umfassend und integriert. Das ist wichtig, denn die Kunden nehmen ein Unternehmen immer ganzheitlich wahr und achten darauf, ob alle Elemente zueinanderpassen. Sie erleben das Unternehmen meist zuerst über die äussere Form, also die Website, Broschüren, Vertreter, aber auch über die Weiterempfehlung anderer Kunden. Wenn diese Erfahrungen überzeugen, schauen sie, ob das Produkt ihren Bedürfnissen entspricht. Ist auch dies positiv, werden sie zum Kunden. «Oberstes Ziel ist es daher, dass Unternehmen durch eine konsistente Gestaltung aller Elemente ein einheitliches Kundenerlebnis über alle Berührungspunkte hinweg schaffen», erklärt Baars. Dies setze Designfähigkeit voraus.
Investitionen richtig planen
Mit diesem Wissen können Unternehmen auch ihre Investitionen in diese drei Bereiche vornehmen. Baars Erfahrungen nach besteht hier ein Gefälle. Am meisten investieren Unternehmen (in der Grafik links) in die Funktionalität ihres Produkts, gefolgt von Marketing und Sales, in der Grafik als «Relevanz» bezeichnet. 20 Prozent der Investitionen fliessen in die Emotionalisierung.
Im Gegensatz zu den Firmen haben die Kunden (in der Grafik rechts) jedoch eine umgekehrte Wahrnehmung. Begeisterung für ein Unternehmen kommt bei ihnen aus der Emotion heraus. Es zeigt sich also die Wichtigkeit, den Bereich der Emotionalisierung nicht zu vernachlässigen. Denn gerade er kann ein strategisches Hebelinstrument sein, wie auch folgendes Beispiel aufzeigt:
Anfang 2000 startete das Koblenzer Start-up Canyon mit der Entwicklung von Velos, die eine sehr gute Funktionalität aufwiesen und auch stark kundenspezifisch entwickelt waren – trotzdem stellte sich der Erfolg nicht ein. Der Inhaber begann daraufhin, massiv in die Emotionalität des Unternehmens zu investieren, entwickelte eine differenzierende Marke und einen Designansatz, der konsequent in allen Unternehmensbereichen umgesetzt wurde. Dies brachte den Erfolg: Der Umsatz multiplizierte sich innerhalb von 19 Jahren um über ein Siebzigfaches.
Die Wirksamkeit des Ansatzes ist übrigens auch für KMU anwendbar, die über weniger emotionale Produkte verfügen, wie beispielsweise Schrauben. Auch dort greift die Emotion.
Studie zur Designfähigkeit von KMU
Um KMU konkret bei der Entwicklung ihrer Designfähigkeit zu unterstützen, führte die Hochschule Luzern im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit dem Gerätehersteller Miele und dem Möbelhersteller USM eine Studie durch. Ziel war es, die Aspekte von Designfähigkeit in Firmen zu bestimmen. Aus der Studie konnten schliesslich 18 Kriterien herauskristallisiert werden, die beschreiben, welche Fähigkeiten ein Unternehmen entwickeln und beherrschen muss, um designfähig zu werden. Dies in den drei Bereichen Strategie, Planung und Umsetzung. An der Studie nahmen 57 Firmen teil.
Ergebnis: In vielen Unternehmen besteht eine strukturelle Lücke im Bereich Designmanagement. So lag die Designfähigkeit der teilnehmenden Firmen durchschnittlich bei -20 auf einer Skala von -100 bis +100. Es zeigte sich dabei, dass das Problem nicht darin bestand, dass die Rolle des Designs verkannt wurde. Vielmehr konnte das schlechte Resultat auf die mangelhafte Entwicklung des Designmanagements zurückgeführt werden.
Online-Selbsttest für KMU
Die Studie zeigte jedoch auch auf, dass Firmen, die ihre Designfähigkeit ausbauen, sich einen klaren Wettbewerbsvorteil verschaffen können. So sind Unternehmen, die eine starke Designfähigkeit besitzen, ökonomisch erfolgreicher, haben eine höhere Markenwertschätzung und fühlen sich resilienter. Aus der Studie heraus entwickelte die Hochschule Luzern anschliessend einen Online-Selbsttest für KMU, der Firmen helfen soll, herauszufinden, wo sie im Bereich Designfähigkeit stehen und anhand dessen sie einen Verbesserungsprozess in Gang setzen können. Der Test kann HIER kostenfrei durchgeführt werden.