Musik im Büro? Für die Konzentration ein Plus

Iris Fontana | 
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Forscht über die Wirkung von Musik auf das menschliche Gehirn: Dr. Friederike Haslbeck. Bild: Melanie Besler

Die einen können nicht ohne, für die anderen ist jeder Ton zuviel: Musik ist bei vielen Bürogemeinschaften ein Zankapfel. Doch was macht Musik eigentlich mit unseren Gehirnen und lässt sie sich in puncto Konzentration für den Arbeitsalltag nutzbar machen? Dr. Friederike Haslbeck, Musiktherapeutin, Neurologin und Forscherin an der Universität Zürich, ist uns Red und Antwort gestanden. Eins vorweg: So unterschiedlich wir Menschen, so unterschiedlich die Musik, die unser inneres Feuerwerk freisetzt. Und wer sein Gehirn trainieren will, sollte selbst Musik machen.

Frau Haslbeck, hilft Musik Morgenmuffeln aus dem Bett und auf Touren zu kommen?

Friederike Haslbeck: Ja, vor allem, wenn man die Musik selbst ausgesucht hat. Musik regt auf eine ganz positive Art an, vermittelt Energie und motiviert. Dieser Effekt wird ja auch im Fitnessstudio oder beim Joggen genutzt. Den meisten hilft rhythmische Musik, da der Rhythmus Energie freisetzt. Aber es gibt auch Menschen, die genau andersherum ruhige Musik benötigen, um gut in den Tag zu starten.

Es gibt also keine Empfehlung für die eine Wunder-Playlist, mit der man den Büroalltag Meister-Proper-mässig mit links bewältigt?

Haslbeck: Nein, leider nicht. Wir Menschen sind viel zu individuell. Eine solche Liste muss jeder für sich selbst zusammenstellen. Hilfreiche Fragen könnten sein: Was mag ich gern? Wobei kann ich mich gut konzentrieren? Was motiviert mich? Welche Musik vermittelt mir Energie?

Wie beeinflusst Musik denn unsere Stimmung?

Haslbeck: Nachgewiesenermassen kann Musik trösten: Ist man traurig und hört traurige Musik, kann einen dies wieder glücklich machen. Dies funktioniert, wenn man sich auf das Gefühl der Trauer einlässt. Als Mensch haben wir das Bedürfnis, unsere Gefühle mit jemandem zu teilen. Erfahren wir Resonanz, verstärkt sich das Gefühl. Und wie ein Mensch, kann auch die Musik ein solches «Verstandensein» erzeugen. Ausserdem wirkt sie als Verstärker. Beispiel Film: Eine schöne Landschaft wird noch schöner empfunden, wenn sie mit schöner Musik untermalt ist. Musik hilft uns also, einen Weg zu unseren Emotionen zu finden und diese zu verstärken.

Dr. rer. medic. Friederike Haslbeck

Dr. Friedericke HaslbeckBild: Sophie Stieger

Die in Nordrhein-Westfalen aufgewachsene Friederike Haslbeck ist deutsch-schweizerische Doppelbürgerin. Sie studierte an der Musikhochschule Freiburg im Hauptfach Violine und im Nebenfach Klavier. Dabei faszinierte sie jedoch seit Beginn ihres Studiums mehr als die Bühne oder der Instrumentalunterricht. So hängte sie nach dem Studium ein Aufbaustudium im Bereich Musiktherapie an und stiess dann schnell aufs Thema «Musik für Frühgeborene». Zu diesem Thema doktorierte sie an der medizinischen Fakultät. Heute ist Haslbeck klinisch als Musiktherapeutin am Universitätsspital Zürich tätig und forscht daneben an der Universität Zürich zum Thema: «Musik und ihr Einfluss auf die Hirnentwicklung von frühgeborenen Kindern». Ausserdem unterrichtet Haslbeck an der Zürcher Hochschule der Künste im Aufbaustudium Musiktherapie. Weiter ist sie Präsidentin des spendengetragenen Vereins amiamusica, der sich mit Musik und Musiktherapie für zu früh- und/oder krankgeborene Kinder sowie ihre Eltern engagiert. Wer noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk ist, kann einer Familie, die durch eine schwere Zeit geht, ein für sie individuell und professionell produziertes Lied spenden, welches als grosse Ressource dienen kann. Haslbeck wohnt mit ihrer Familie in Uster und spielt in verschiedenen Formationen Violine.

Was passiert genau in unserem Körper, wenn wir Musik hören?

Haslbeck: Im Ohr kommt Musik nur in Schallwellen an und wird erst im Gehirn – innerhalb von Millisekunden – in Musik umgewandelt. Dabei wird nicht nur das auditive Areal aktiviert, sondern es werden ganz viele Areale im Gehirn praktisch gleichzeitig «angeknipst». Es explodiert ein wahres Feuerwerk.

Kann man diesen Effekt nutzen, um beispielsweise für den Beruf im Kopf fitter zu sein?

Haslbeck: Auf jeden Fall. Wer sein Gehirn trainieren will, sollte Musik machen, da es das Gehirn auf verschiedenste Arten stimuliert – es aktiviert nicht nur den auditorischen Kortex, sondern auch das Broca-Areal, in dem das Sprachzentrum angesiedelt ist sowie motorische und visuelle Areale. Dabei werden die visuellen Areale nicht nur beim Notenlesen aktiviert – auch das Hören von Musik kann uns an gewisse Situationen erinnern und gewisse Momente wieder vor Augen führen. Denken Sie nur an Ihren Lieblingsfilm. Diese Erinnerung aktiviert dann auch gleich noch das Emotionszentrum.

Musik als Auslöser für eine gute Stimmung?

Haslbeck: Ja, es gibt Menschen, die diesen Effekt geschickt nutzen, indem sie beispielsweise eine Playlist für ihre Ferien zusammenstellen. Während schönen Momenten in den Ferien hören sie sich dann die Playlist an und können damit die positiven Assoziationen zuhause im Alltag wiederbeleben, wenn sie die Playlist erneut abspielen. Eine gute Sache!

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Musik fördert also auch die Konzentration? Das wäre gut für die Arbeit …

Haslbeck: Auf jeden Fall. Erklärt wird dies durch den Präsenzeffekt, der besagt, dass Musik uns helfen kann, mehr im Moment zu sein, uns besser zu fokussieren. In den 1990er Jahren war der «Mozart macht schlau»-Effekt populär. Es stellte sich dann jedoch heraus, dass der kausale Zusammenhang nicht so einfach herzustellen ist wie in der Studie ausgeführt. Heute nimmt man eher an, dass ruhige Instrumentalmusik am effektivsten hilft, sich zu konzentrieren. Denn sobald Gesang dabei ist, wird das Sprachareal stärker aktiviert und wir versuchen – bewusst oder unbewusst – zuzuhören. Aber auch dies ist keine absolut gültige Regel.

Im Büro gibt es ja ab und zu mal Knatsch, weil die einen nicht ohne Musik können und die andern Ruhe brauchen. Ihr Tipp?

Haslbeck: Noise-Cancelling-Kopfhörer sind eine gute Sache und werden auch in der Therapie, beispielsweise bei Menschen mit ADHS, eingesetzt, die unter Konzentrationsschwierigkeiten leiden. Sie benutzen diese auch oft im Alltag, wenn sie reizintensiven Situationen ausgesetzt sind, beim Tram fahren oder allgemein, wenn sie sich in Menschenmassen aufhalten müssen. Sie helfen, die Übermacht an Eindrücken zu bewältigen. Eine Gefahr beim Einsatz im Büro könnte vielleicht Isolation sein, wenn man sich total abkapselt und gar nicht mehr ansprechbar ist. Eine Praxis, die ich gut finde und die ich schon in Firmen mit Grossraumbüros erlebt habe, ist, wenn das Tragen von Kopfhörern als klares Signal gilt, dass der Mitarbeiter im Moment nicht gestört werden darf.

Weihnachtsmusik

Die einen trällern sie mit verklärtem Blick nonstopp vor sich hin, andere retten sich wenn immer möglich davor. Weshalb hat Weihnachtsmusik eine solch starke Wirkung?

Haslbeck: Das finde ich eine sehr spannende Frage. Da ich viel mit Frühgeborenen arbeite, ist mir gleich zu Beginn meiner Tätigkeit aufgefallen, dass viele Weihnachtslieder existieren, die in andern Ländern oder Kulturen Wiegenlieder sind. Beispiel: «Ich ghöre äs Glöggli» ist in der Schweiz ein Wiegenlied, in Deutschland kenne ich es aber als «Ihr Kinderlein kommet», also als Weihnachtslied. Oder das amerikanische Gutenacht-Lied «Twinkle, Twinkle Little Star» ist in Deutsch «Morgen kommt der Weihnachtsmann».
Generell kann man nicht davon ausgehen, dass Lieder über Kulturen hinweg verstanden werden. Beispielsweise kann ein westliches Liebeslied in einer anderen Kultur ganz anders interpretiert werden. Nicht so jedoch Wiegenlieder, welche Weihnachtsliedern sehr ähnlich sind. Sie sind ruhig, relativ einfach, leicht zu erinnern, oft im Fünftonbereich und beruhigend. Dies wird in allen Kulturen verstanden.
Vielleicht lieben diejenigen Menschen Weihnachtslieder, die positive Assoziationen zu Wiegenliedern (eine liebevolle Mutter, die einen in den Schlaf wiegt) oder auch gute Erinnerungen an Weihnachten haben. Bei anderen, die diese Zeiten eher konfliktreich erlebt haben, sind die Assoziationen vielleicht eher negativ.

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