«Das ist natürlich verheerend für die Innenstadt»

Iris Fontana | 
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Geschäfte in der Innenstadt sind im wichtigen Weihnachtsgeschäft mit einem schwierigen Umfeld konfrontiert. Archivbild: Melanie Duchene

«Die Schweizerinnen und Schweizer haben keine Zeit und Lust mehr, zu shoppen», titelte jüngst die «SonntagsZeitung». Hintergrund ist eine Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts (GDI) sowie die Befragung einer Wirtschaftspsychologie-Professorin. Die Gründe für die schwindende Shoppinglust: Unser durchgetaktetes Leben und die Teuerung, aber auch eine Werteverschiebung: Quality-Time mit Familie und Freunden haben an Bedeutung gewonnen und für die Gesundheit wird mehr Zeit investiert. Gelten diese Trends auch für Schaffhausen? Wir fragen nach bei Ernst Gründler, Präsident der Gewerbevereinigung Pro City.

Herr Gründler, Familie top, Einkauf flopp – den Schweizern sei die Lust am Shoppen vergangen, heisst es. Was antworten Sie?

Ernst Gründler: Studien gibt es wie Sand am Meer. Jeden Tag kommt eine neue heraus, die etwas anderes behauptet. Insofern lege ich darauf nicht allzu viel Wert.

Sie glauben der Studie also nicht?

Gründler: Ich bin zumindest skeptisch. Mag sein, dass die Studie tatsächliche Trends aufgespürt hat. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass Familien grundsätzlich weniger einkaufen gehen, finde ich übertrieben. Ich war vor kurzem bei Ikea, um dort das Einkaufserlebnis zu studieren, und meine Wahrnehmung ist eine ganz andere als im Artikel geschildert. Bei den Jüngeren stellt sich allerdings sicher die Frage, wo und wie sie einkaufen.

Also mehr online? Wir erleben in Schaffhausen ja auch ein Lädelisterben in der Altstadt und in Zürich schliessen gar Institutionen wie Manor und Jelmoli.

Gründler: Das Umfeld ist sehr schwierig und die Veränderungen des Konsumverhaltens machen uns beispielsweise mit Blick auf den Online-Handel zu schaffen. In diesem Punkt gebe ich den Studienverfassern recht: Angesichts der vielen Freizeitaktivitäten ist die Zeit zum Einkaufen knapper bemessen, gerade bei jüngeren Menschen. Entsprechend wird mehr online eingekauft.

Welche Feedbacks bekommen Sie von den Geschäften der Altstadt?

Gründler: Insbesondere bei den Detailhändlern verspüre ich einen verstärkten Trend, sich aus der Stadt zu entfernen. Der Leidensdruck nimmt zu. Es gibt immer weniger Parkplätze, und die Promotoren der Parkplatzmotion stellen uns richtiggehend an die Wand. Das Resultat sind tiefere Frequenzen in unseren Geschäften. Unseren Schätzungen zufolge haben wir gut 20 Prozent weniger Geschäftsbesucher in der Stadt als früher. Es findet eine Bewegung in die Agglomerationen statt. Einzelne Geschäfte haben sich schon in Herblingen und Feuerthalen nach neuen Lokalen umgesehen. Das ist natürlich verheerend für die Entwicklung der Innenstadt.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Gründler: Ja, Iseli+Albrecht baut nun in Herblingen einen neuen Standort, da die Logistik in der Innenstadt mit all den neuen Auflagen beinahe nicht mehr zu bewältigen ist. Die ganze Infrastruktur, Reparatur und Lager werden aus der Stadt ausquartiert.

Ernst Gründler

Ernst Gründler

Ernst Gründler lernte Spengler/Sanitärinstallateur und beendete seine Ausbildung mit der höheren Fachprüfung als diplomierter Sanitärinstallateur. Von 1968-2002 war er Geschäftsführer sowie Inhaber der Gründler AG (Sanitär-Heizung-Spenglerei). Danach folgte der Wechsel in den Immobilienbereich. Bis zu seiner Pensionierung 2012 amtete er als Geschäftsführer bei der Ritter Immobilien Treuhand AG. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert er sich ab 1993 als Vorstandsmitglied beim Kantonalen Gewerbeverband Schaffhausen und seit 2013 im Präsidium von Pro City Schaffhausen.
Der 75-jährige Gründler lebt in Schaffhausen, ist verheiratet und hat eine Tochter und zwei Enkel.

Und was bedeutet das Thema Nachhaltigkeit für den Detailhandel?

Gündler: Es gibt mehr Menschen, die dem Thema grössere Aufmerksamkeit schenken und damit Druck auf die Anbieter ausüben. Bei den grossen Playern und den Spezialisten wird sich der Trend in Zukunft noch verstärken. Dabei bezweifle ich persönlich jedoch die Wahrhaftigkeit all dieser angepriesenen Zertifikate, die meiner Meinung nach die Gutgläubigkeit der Konsumenten ausnutzen. Zudem wird das vom Parlament beschlossene Mehrwegkonzept den Detailhandel und die Gastronomie in den nächsten Jahren noch stark beschäftigen und für einige auch finanziell sehr anspruchsvoll werden, zusätzlich zur damit verbundenen Bürokratie.

Und was ist mit der Teuerung?

Gründler: Die ist natürlich Fakt. Das Einkaufserlebnis ist getrübt, weil die Leute weniger Geld zum Ausgeben zur Verfügung haben, was sich in noch weniger Frequenz in unseren Geschäften niederschlägt. Es ist heute definitiv mehr Anstrengung nötig, die Leute in die Stadt zu bringen. Auch die gesellschaftlichen Trends ändern sich ständig. Diese zu erkennen und in unsere Angebote einfliessen zu lassen, ist eine weitere Herausforderung. Fazit: Der Handel muss sich unter schärferen Bedingungen behaupten, was sehr anspruchsvoll ist.

Wie lautet denn ihre Prognose für den Black Friday und welchen Stellenwert hat er in Schaffhausen?

Gründler: Grundsätzlich ist unsere Erwartung, mit dem Black Friday mehr Menschen in die Stadt und in die Geschäfte zu bringen und damit die Kundenbindungssysteme zu festigen. Der Black Friday ist unsere Starveranstaltung. Seit wir vor ein paar Jahren damit begannen, läuft das Geschäft gut. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass unsere Mitglieder ihre Läden bis 22 Uhr geöffnet haben dürfen.

Sie teilen die Kritik nicht, dass der Black Friday mit den riesigen Rabatten den Detailhändlern das Weihnachtsgeschäft kaputt macht?

Gründler: Nein. Der Black Friday ist der Start der Weihnachtssaison. Der besondere Einkaufstag liegt absolut im Trend und zieht die Leute in die Stadt. Mittlerweile gehört er fix zur zweimonatigen Vorweihnachtssaison, die mit dem Martinimarkt startet. In diesen zwei Monaten erwirtschaftet der Detailhandel seinen Jahreshauptumsatz. In den vergangenen Jahren ist es uns zudem gelungen, eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Bockalp, der Eisbahn und den Ständen auf dem Fronwagplatz zu erzielen, was Synergien ermöglicht. Der Erfolg zeigt sich auch in der zunehmenden Konkurrenz von ähnlichen Veranstaltungen in den Gemeinden mit Weihnachtsmärkten und vielem mehr.

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